# taz.de -- Kirchenreformer über neuen Papst: „Das Zölibat ist oft eine Fiktion“
       
       > Papst Franziskus sorgt für frischen Wind, sagt Christian Wiesner von „Wir
       > sind Kirche“. Jetzt muss sich die deutsche Kirche bewegen.
       
 (IMG) Bild: Männlein in Purpur: deutsche Bischöfe bei ihrer Herbstversammlung in Fulda
       
       taz: Herr Weisner, Sie sind bei der Konferenz der katholischen Bischöfe in
       dieser Woche in Fulda dabei. Was sind Ihre Erwartungen? 
       
       Christian Weisner: Die katholische Kirche ist im tiefen Umbruch, sie
       bekommt viel neuen Wind vom neuen Papst. Die Frage ist, wie schnell die
       deutschen Bischöfe diesen Kurswechsel mitmachen.
       
       Worin sehen Sie einen neuen Kurs? Papst Franziskus sagt, die Kirche müsse
       homosexuellen Paaren oder Frauen, die abgetrieben haben, mit Barmherzigkeit
       begegnen. Eine Abkehr von kirchlichen Dogmen ist das aber doch noch nicht. 
       
       Durch seine offenen und warmherzigen Worte hat Papst Franziskus schon von
       der ersten Minute, in der er auf dem Petersplatz in Rom auf dem Balkon
       stand, einen Klimawandel eingeleitet. Natürlich mögen manche enttäuscht
       sein, dass er sich zum Beispiel noch nicht positiv zur Frauenordination
       geäußert hat. Aber allein seine Absage an diesen Männerklerikalismus und
       Triumphalismus ist doch entscheidend. Wir von „Wir sind Kirche“ sehen uns
       jedenfalls bestätigt. Und wir finden es sehr klug, dass er jetzt nicht
       seinen Vorgänger diskreditiert, indem er geltende Regeln sofort ändert.
       
       Glauben Sie denn, dass Papst Franziskus das vorhat? 
       
       Man darf Franziskus nicht überfordern. Mit so einem großen Kirchenschiff
       kann man keine abrupten Wendemanöver machen. Aber da ist jetzt jemand, der
       den Kurs neu justiert. Und wenn ein Schiff nur ein Grad vom Kurs abweicht,
       dann ist der Zielpunkt ein ganz anderer.
       
       Reicht ein neuer Tonfall, um die Kirche attraktiver zu machen? Selbst im
       traditionell katholischen Milieu kann man mit der katholischen Sexualmoral
       nicht mehr viel anfangen. 
       
       Wir müssen uns als Kirche fragen, warum wir die Menschen nicht mehr
       erreichen. Da lautet die Botschaft von Franziskus: Er nimmt die Menschen
       so, wie sie sind. Dass sich die katholische Kirche zu einer Moralinstanz
       aufgespielt hat, ist eine Fehlentwicklung. Er sagt, dass wir uns wieder
       mehr um die Menschen kümmern müssen, gerade um die an den Rändern. Das ist
       für die Bischöfe, die jetzt mit Dienstwagen und dem Gehalt eines
       Staatssekretärs nach Fulda kommen, eine fordernde Botschaft.
       
       Kritiker fragen aber auch: Wird er das Zölibat abschaffen? Wird er Frauen
       zu Priestern weihen lassen? Wird er im Kampf gegen Aids das
       Verhütungsverbot lockern? 
       
       Wir brauchen eine organische Veränderung. Das Zölibat ist vielerorts eine
       Fiktion – man weiß, dass er nicht eingehalten wird. Wenn er freiwillig und
       von Ordensleuten ausgeübt würde, dann wäre das viel glaubwürdiger. Wichtig
       ist, dass Gemeinden Gottesdienst feiern können. Franziskus hat jetzt grünes
       Licht für eine ernsthafte Diskussion über eine Weiterentwicklung der Kirche
       gegeben. Es liegt jetzt an uns, diesen Ball aufzunehmen.
       
       Sind regionale Sonderwege da denkbar? 
       
       Bisher galt immer: Das geht nicht – wegen Rom. Jetzt heißt es, wir müssen
       die Initiative übernehmen und unsere Ideen in Rom vortragen. Wir brauchen
       keine Entweder-oder-, sondern eine Sowohl-als-auch-Kirche. Dann werden wir
       wieder katholischer, im Sinne von umfassender. Das heißt, auch regionale
       Unterschiede zuzulassen.
       
       Die Bischofskonferenz dominieren Kardinäle und Bischöfe, die unter Johannes
       Paul II. und Benedikt XVI. ins Amt kamen. 
       
       Einige werden sicher Schwierigkeiten mit dem neuen Stil von Franziskus
       haben. Aber in Deutschland haben die Weihbischöfe traditionell ein
       gewichtiges Wort mitzureden, etwa bei der Wahl des Vorsitzenden. Und ich
       denke, dass die Lehmann-Linie jetzt Aufwind bekommen hat gegenüber der
       Linie von Kardinal Meisner, die auf strikte Rom-Hörigkeit getrimmt war.
       
       25 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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