# taz.de -- Katholische Kirche: Wenn ein Vater Priester wird
       
       > Über Jahre arbeitet Hans Janßen als evangelischer Pfarrer. 2008
       > konvertiert der Familienvater zum Katholizismus und wird Priester – mit
       > Billigung des Vatikans.
       
 (IMG) Bild: Die Profillosigkeit der evangelischen Kirche störte ihn: Hans Janßen in St. Vicelin.
       
       BAD OLDESLOE taz | Das Glöckchen klingelt, und der Priester kommt mit vier
       Ministranten aus der Sakristei. Etwa 150 Menschen haben sich zum
       Gottesdienst versammelt. Die katholische Kirche St. Vicelin in Bad Oldesloe
       ist oft gut besucht. In Schleswig-Holstein sind zwar die Protestanten in
       der Mehrheit, doch diese katholische Gemeinde ist seit 1945 stetig
       gewachsen. Erst kamen Vertriebene katholischen Glaubens nach Bad Oldesloe,
       dann katholische Migranten aus den Philippinen, aus Vietnam, Irak,
       Osteuropa. Viele Oldesloer arbeiten in Hamburg.
       
       Da sich immer weniger Männer zu Priestern weihen lassen und sich somit auf
       den Zölibat einlassen wollen, das Versprechen, ohne Partnerin oder Partner
       zu leben, ist es nicht mehr selbstverständlich, dass jede katholische
       Gemeinde einen Geistlichen hat. Die Katholiken in der
       24.000-Einwohner-Stadt sind deshalb froh, als Hans Janßen 2012 zu ihnen
       kommt. Ihm schlägt eine Welle der Sympathie entgegen. Dass Janßen früher
       evangelischer Pfarrer war, ist vielen in der Gemeinde bekannt.
       
       Heute trägt der 56-Jährige ein weißes Messgewand. Seine Art, den
       Gottesdienst zu feiern, wirkt norddeutsch-kühl. Das passt gut zu den klaren
       Linien der 1968 erbauten Kirche. Gleichwohl, so wird er später erzählen,
       liebt er das Sinnliche des katholischen Gottesdienstes, die Liturgie, die
       Eucharistie. Hans Janßen hält nun die Bibel hoch. An seiner rechten Hand
       blitzt ein Ehering. Hans Janßen ist verheiratet und hat vier erwachsene
       Kinder. Der Vatikan ist damit einverstanden.
       
       Nach dem Gottesdienst versammeln sich Gemeindemitglieder zum Kirchencafé.
       Ein Paar ist mit Baby da. „Als wir zur Taufe unserer Tochter zu spät
       kamen“, erzählt die Frau, „hatte der Priester sofort Verständnis für uns.
       Er hat selbst erlebt, wie das Leben mit einem Kleinkind ist. Wir finden es
       gut, dass zu Hause eine Vertrauensperson auf ihn wartet, seine Ehefrau –
       und nicht seine Haushälterin.“ Ihr Mann ergänzt: „Wir würden uns wünschen,
       dass andere katholische Priester auch so leben können.“
       
       Hans Janßens Ehefrau heißt Karin. Sie hat schon das Mittagessen im
       Pfarrhaus vorbereitet. Wenn die Kinder nicht bereits aus dem Haus wären,
       hätten sie Platzprobleme. Katholische Pfarrhäuser sind nicht dafür
       vorgesehen, den Nachwuchs des Priesters zu beherbergen. Nach dem Tischgebet
       isst das Ehepaar Janßen Sonntagsbraten mit Rotkohl und Kartoffeln. In der
       Küche steht Torte. Zum Kaffee erwarten sie einen befreundeten katholischer
       Priester mit seiner Frau. Es gibt in Deutschland mehrere verheiratete
       katholische Priester, die früher evangelisch waren und sich ähnlich
       entschieden haben wie Hans Janßen.
       
       Er stammt aus Bremen. Er lässt sich konfirmieren, weil es so üblich ist,
       doch seine Eltern haben mit der Kirche nichts am Hut, nicht mal an
       Weihnachten. Als er 17 Jahre alt ist, nehmen Freunde ihn mit zu einem
       evangelischen Jugendkreis. Es wird viel gesungen, die Zusammenkunft endet
       mit einem liturgischen Abendgebet.
       
       ## Zweites Theologiestudium
       
       Hans Janßen erinnert sich: „Dort wurde mir klar, dass das Gebet nicht immer
       nur etwas Vorformuliertes sein muss, sondern ein persönliches Sprechen mit
       Gott und ein Hören auf Gott. Und ich verstand, dass die Heilige Schrift
       nicht nur Geschichten über die Vergangenheit erzählt, sondern dass Gott sie
       gebraucht, um heute mit uns zu sprechen. Das habe ich besonders in den
       Predigten erfahren.“
       
       Er will nun selbst das Wort Gottes verkünden: als evangelischer Pfarrer.
       Über die Möglichkeit, katholischer Priester zu werden, denkt er nicht nach.
       Er hat zu diesem Zeitpunkt kaum einmal einen katholischen Gottesdienst
       besucht. Hans Janßen studiert Theologie in Münster, Göttingen und Tübingen.
       1983 ist er fertig. Nach dem Vikariat tritt er erst in Rhade, dann in
       Detern eine Pfarrstelle an. Beides sind kleine Orte in Norddeutschland.
       Seine Frau Karin ist Krankenschwester und Hebamme. Sie ist evangelisch, so
       wie er.
       
       In einer Zeit, da viele Menschen nichts mehr mit der Kirche zu tun haben
       wollen und manche nicht mehr wissen, warum wir Ostern feiern, kann Hans
       Janßen einen halben Nachmittag lang über Meinungsverschiedenheiten über die
       christlichen Konfessionen reden. Man kann sie für spitzfindig halten. Doch
       sie führen dazu, dass Janßen und seine Frau 2008 zum Katholizismus
       konvertieren. Karin Janßen sagt: „Ich bin inzwischen in die katholische
       Kirche reingewachsen. Mein Leben empfinde ich jetzt aber nicht als
       gravierend anders. Ich habe ja vorher auch als Christ gelebt.“
       
       ## Der Traditionalist
       
       Grob gesprochen, gibt es Christen, die finden, dass sich die Kirche dem
       modernen Leben anpassen sollte. Sie möchten auf Rituale und Regeln
       verzichten, die sie als überholt empfinden. Sie wollen, dass die Menschen
       dort abgeholt werden, wo sie sind: in einem Alltag, der von Atheismus
       geprägt ist und von Formen der Spiritualität, die nichts mehr mit dem
       Christentum zu tun haben. Und es gibt Christen, die befürchten, dass ihre
       Kirche der Beliebigkeit anheimfällt, wenn sie klare Grenzen aufgibt. Sie
       wollen, dass christliches Leben klar von anderem zu unterscheiden ist und
       dass der Pfarrer seiner Gemeinde diese Unterschiede erklärt und sie mit ihr
       lebt.
       
       „Ohne Unterscheidung gibt es keine Gewissheit und Geborgenheit“, sagt Hans
       Janßen. Er ist Traditionalist, gehört also zur zweiten Gruppe; schon als
       evangelischer Pfarrer in Rhade und Detern feiert er das Abendmahl in jedem
       Gottesdienst, obwohl der dadurch länger wird. Viele seiner evangelischen
       Kollegen feiern es nur einmal im Monat oder beziehen Ungetaufte mit ein.
       Janßen versteht das nicht. Um wirklich am Abendmahl teilhaben zu können,
       müssen sich die Menschen seiner Ansicht nach zum christlichen Glauben
       bekennen.
       
       Auch in der evangelischen Kirche gibt es verschiedene Ansichten zum
       Abendmahl. „Nach lutherischem Verständnis ist Christus beim Abendmahl in,
       mit und unter Brot und Wein wirklich anwesend, während die reformierten
       Christen eher von einem Gedächtnismahl sprechen“, erklärt Hans Janßen. Ihn
       störte zunehmend, „dass es keine Klarheit gab, was wir in der evangelischen
       Kirche für das Abendmahl gemeinsam glauben. Letztlich gibt es in der
       evangelischen Kirche auch kein gemeinsames Verständnis dessen, was Kirche
       eigentlich ist.“
       
       ## Schokocreme geht gar nicht
       
       Diese Meinungsverschiedenheiten gelten auch für den Umgang mit den
       sogenannten Relicta. Das sind Brot und Wein, die nach dem Abendmahl übrig
       bleiben. In der katholischen Kirche kommen sie in den Tabernakel, eine Art
       Schrank auf dem Altar. In manchen evangelischen Kirchen wird das Brot mit
       Schokocreme bestrichen und an die Kinder verteilt. Hans Janßen findet das
       unerträglich. Das Brot habe schließlich Jesus Christus beherbergt. Eine
       Möglichkeit, mit den Relicta umzugehen, besteht darin, dass der Pfarrer sie
       verzehrt. Dass er sich während seiner Zeit in Detern dafür entscheidet,
       stößt bei einigen evangelischen Pfarrern in der Umgebung auf Unverständnis.
       Sie wundern sich auch darüber, dass er ein weißes Messgewand trägt statt
       des üblichen schwarzen Talars.
       
       Mehrere Jahre lang überlegt Hans Janßen zusammen mit seiner Frau, was er
       tun soll. 2007 meint er, dass er es nicht länger verantworten kann, als
       evangelischer Pfarrer zu wirken. Janßen schreibt einen Brief an die
       katholische Kirche, an das Erzbistum Hamburg. Zwei Wochen später kommt eine
       Einladung zu einem Treffen. Mit dem Bischof entscheidet er, dass beide
       Seiten ein Jahr lang prüfen, was Gottes Weg für Janßen und seine Frau ist.
       Während dieser Zeit führt er regelmäßig Gespräche mit katholischen
       Geistlichen.
       
       Nach einem Jahr ist Hans Janßen sich seiner Sache immer noch sicher. Er
       nimmt an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in
       Frankfurt am Main ein Vollzeitstudium auf, das sein Wissen aus dem Studium
       der Evangelischen Theologie ergänzt. Während dieser Zeit kommt die
       katholische Kirche für seinen Unterhalt auf. Seine Frau lebt in Hamburg.
       
       ## „Vom Zölibat geht ein Segen aus"
       
       Manches in der katholischen Kirche ist Janßen anfangs fremd. So braucht er
       einige Zeit, um sich mit Maria und dem Marienkult anzufreunden. Auch die
       Heiligen spielen eine große Rolle. Besonders den Spaniern Teresa von Ávila
       und Ignatius von Loyola fühlt sich Janßen nahe: „Mich beeindruckt, mit
       welcher Nüchternheit ihre Lebens- und Glaubenskrisen beschrieben werden.
       Und wie sie Erneuerung betrieben haben in Phasen der Kirchengeschichte, in
       denen das geistliche Leben abgeflacht war.“
       
       Hans Janßen fühlt sich am Ziel, als er am 28. Mai 2012 in Hamburg zum
       Priester geweiht wird. Die Entscheidung darüber, dass ein verheirateter
       Familienvater als Priester wirken darf, trifft der Vatikan. Von Janßen die
       Scheidung von seiner Frau zu verlangen, ist schon deshalb undenkbar, weil
       die katholische Kirche Scheidungen ablehnt. Hans Janßen hält die
       Ehelosigkeit der Priester prinzipiell für eine gute Sache: „Vom Zölibat
       geht ein Segen aus. Die Menschen, die sich dafür entscheiden, finden etwas,
       was andere Menschen nicht finden“, sagt er. Und gibt zu Protokoll: „Neid
       oder Eifersucht darauf, dass ich eine Frau und vier Kinder habe, habe ich
       weder in Sankt Georgen noch zu einem späteren Zeitpunkt gespürt.“
       
       13 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Josefine Janert
       
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