# taz.de -- Umzugswelle in der Presselandschaft: Perfides Kalkül der Verlage
       
       > Der Verlag Gruner + Jahr verlegt den Sitz der Münchener Redaktion nach
       > Hamburg. Auch Springer lässt umziehen. Wer nicht mit kann, hat Pech.
       
 (IMG) Bild: Konjunktur für Umzugsunternehmen: Ganze Redaktionen ziehen um
       
       „Kein Garten Eden in Sicht? Mit diesen Ideen wird die Wohnung zum Himmel
       auf Erden“ – dies verspricht gerade die bei Gruner + Jahr Wohnzeitschrift
       Living at Home. Die Redaktion kennt den richtigen Stuhl, das richtige Sofa
       und den richtigen Kissenbezug fürs paradiesische Gefühl. Die Zeitschrift
       schafft Traumwelten für Menschen, die kein schönes Zuhause haben. Oder gar
       kein richtiges mehr, weil sie im Zuge der Flexibilisierung der Arbeitswelt
       zu Nomaden werden.
       
       In Traumwelten wie die von Living at Home müssen künftig auch viele
       Journalisten Trost suchen, denn im kommenden Jahr wird man quer durch die
       Republik größere Migrationsbewegungen von Medienarbeitern beobachten
       können. Im Verlag, der Living at Home unters Volk bringt, sind davon 120
       Mitarbeiter der Münchener Filiale betroffen: Im Rahmen einer von den
       Strategen des Hauses sogenannten Transformation müssen die Angestellten
       Mitte 2014 nach Hamburg umziehen, denn Gruner + Jahr will die Redaktionen
       von Neon, Nido, P.M., Eltern und Wunderwelt Wissen in der Zentrale
       ansiedeln.
       
       Wer in München bleiben will, weil er Kinder hat oder andere familiäre
       Gründe dagegen sprechen, wird seine Arbeitslebensplanung ändern müssen. Ein
       im nicht unbedingt positiven Sinne ereignisreiches Jahr wird 2014 auch für
       80 Mitarbeiter, die bei Springer in Hamburg derzeit noch mit der Produktion
       und der Herstellung der Hamburg-Ausgabe der Bild-Zeitung beschäftigt sind.
       Das wird künftig in Berlin über die Bühne gehen, die Osterausgabe soll
       bereits dort erstellt werden.
       
       Am 24. Juli hatte Bild-Chefredakteur Kai Diekmann im Zuge einer dieser
       typisch Springer’schen Strategieänderungserklärungen noch trompetet,
       Hamburg werde neben Essen, Frankfurt und München und Leipzig einer der fünf
       regionalen Hauptstandorte im Bild-Universum sein. Davon kann nun rund zwei
       Monate später kaum noch die Rede sein. Die Betroffenen fühlten sich
       „veräppelt“, sagt Monika M. Kabay, Betriebsrätin bei Springer und Mitglied
       im Vorstand des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) in Hamburg.
       „Inzwischen kann man nichts mehr glauben.“
       
       ## Am neuen Ort für weniger Geld
       
       Die nicht unperfide Kalkulation hinter Standortverkleinerungen und
       Abteilungsumsiedlungen: Die Unternehmen wissen von vornherein, dass nicht
       alle Betroffenen mitgehen wollen oder können. Das heißt, man stellt am
       neuen Standort des Objekts Leute ein, die die Arbeit für weniger Geld
       erledigen – oder es müssen halt die ran, die ohnehin schon da sind.
       
       2015 werden sich Umzugsunternehmen möglicherweise über weitere
       Journalistenwanderungen freuen: Den derzeitigen Redakteuren von Springers
       Fernseh- und Frauenzeitschriften (darunter Hörzu und Bild der Frau), die,
       sofern das Kartellamt zustimmt, zum 1. Januar 2014 an die Funke-Gruppe
       verkauft werden, droht, dass sie ab 2015 ihren Lebensmittelpunkt nach
       München verlegen müssen. Dort sitzen bereits jene Funke-Redaktionen, die
       ähnliche Titel produzieren. Im kommenden Jahr wäre ein Umzug noch nicht
       möglich – zum einen aus arbeitsrechtlichen, zum anderen aus IT-Gründen.
       
       „Dass das Gerücht herumgeistert, sorgt für noch mehr Verunsicherung“, sagt
       Kabay, die Betriebsrätin bei Springer. Sie bezieht sich damit auf die
       Möglichkeit eines Arbeitnehmers, einem sogenannten Betriebsübergang gemäß §
       613a des BGB zu widersprechen.
       
       Wenn kartellrechtlich alles so läuft, wie sich die Konzerne das vorstellen,
       werden die betroffenen Noch-Springer-Angestellten wahrscheinlich ab circa
       Ende November einen Monat Zeit haben, dem Übergang zu widersprechen.
       Reagieren sie nicht, wandern sie automatisch zu Funke. „Wie sich jemand
       entscheidet, hängt aber maßgeblich von der Standortfrage ab“, sagt Kabay.
       
       ## Frustration und Unsicherheit
       
       Ob sich die Sparmaßnahmen für die Verlage langfristig rechnen, ist noch mal
       eine ganz andere Frage. Denn was bringt es unter Motivationsaspekten, wenn
       die einen Mitarbeiter frustriert sind, weil man sie aus ihrer Umgebung
       gerissen hat, und die anderen nur noch eines hoffen: Dass es sie nicht
       trifft, und wenn ja, möglichst nicht so schnell.
       
       In anderen Branchen gebe es in solchen Situationen vielleicht
       Motivationsprobleme, aber nicht im Journalismus, meint Frank Lobigs,
       Medienökonom am Institut für Journalistik an der TU Dortmund. „Journalisten
       sind, das zeigen alle Befragungen, intrinsisch motiviert, das heißt, sie
       bekommen Befriedigung durch die Leistung. Extrensich motivierten Menschen
       sind dagegen gute Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung wichtig.“
       
       Für jemanden wie Springer-Betriebsrätin Monika M. Kabay klingt der Begriff
       Motivation bereits, als stamme er aus einer ganz anderen Welt. „Die ist
       gleich null, es herrscht nur Angst, weil der Vorstand Mitarbeiter wie
       Schachfiguren hin und herschiebt“, sagt sie.
       
       26 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Martens
       
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