# taz.de -- Rückkauf der Energienetze: Genossen für Scholz
       
       > Genossenschaft will SPD-Senat helfen, die Netze in Bürgerhand
       > zurückzuholen, sagt Vorstand Matthias Ederhof.
       
 (IMG) Bild: Wartungsarbeiten in Hamburg-Reitbrook an einem Erdgasspeicher.
       
       taz: Herr Ederhof, warum will sich die Genossenschaft Energienetz Hamburg
       am Stromnetz beteiligen? 
       
       Matthias Ederhof: Wir wollen, dass Bürger sich aktiv an der Gestaltung der
       Energiewende beteiligen können. Zum Zweiten bieten wir dem Hamburger Senat
       ein Lösungsangebot für die Finanzierung des Rückkaufs des Netzes von
       Vattenfall an.
       
       Warum nur das Stromnetz? Was ist mit Gas und Fernwärme? 
       
       Das Stromnetz ist vordringlich, weil schon bis Januar 2014 eine
       Interessensbekundung für die Konzession vorliegen muss. Beim Gas- und
       Fernwärmenetz ist noch länger Zeit.
       
       Haben Sie denn schon nennenswertes Kapital zu bieten? 
       
       Wir haben bereits mehr als 50 Millionen Euro haftendes Eigenkapital
       gesammelt. Das ist eine gute Basis, um die erforderliche Eigenkapitalquote
       von 40 Prozent des Kaufpreises aufzubringen.
       
       Von welchem Kaufpreis für 100 Prozent Stromnetz gehen Sie aus? 
       
       Der dürfte unter 400 Millionen Euro liegen, 40 Prozent wären also etwa 160
       Millionen Euro. Davon hat der Senat ja bereits 138 Millionen Euro gezahlt
       für seinen Anteil von 25,1 Prozent. Wir streben eine Beteiligung zwischen
       26 und 49 Prozent an. Die strategische und operative Führung des
       Unternehmens soll bei der Stadt als Mehrheitseigentümer bleiben.
       
       Aber wenn der Senat für das erste Viertel bereits 138 Millionen gezahlt
       hat, müsste der Gesamtpreis 552 Millionen betragen – nicht 400? 
       
       Der Senat hat 2011 eine Unternehmensbeteiligung erworben, nicht eine
       Netzbeteiligung. Das ist ein Unterschied, der sich auch im Kaufpreis
       widerspiegelt. Im Übrigen kann der Kaufpreis nur maximal derjenige sein,
       den die Bundesnetzagentur als angemessen akzeptiert. Für diesen Kaufpreis
       kann der neue Eigentümer die Zinsen als genehmigte Kosten auf die
       Netzentgelte umlegen.
       
       Studien, die Netzübertragungen untersucht haben, kommen zu dem Ergebnis,
       dass alle einvernehmlich ausgehandelten Kaufpreise deutlich überhöht sind.
       Deshalb ist auch im Interesse der Steuerzahler ein transparentes, von
       Gutachtern begleitetes Verfahren notwendig.
       
       Dann kostet der Rückkauf aller drei Netze nicht, wie von Bürgermeister Olaf
       Scholz behauptet, über zwei Milliarden Euro? 
       
       Nein, deutlich weniger.
       
       Der Senat will aber zunächst über den Kauf der restlichen drei Viertel mit
       Vattenfall sprechen.
       
       Das wäre ein weiterer Unternehmenskauf und eben kein Netzkauf im Sinne der
       Konzessionsneuvergabe. Das birgt enorme Risiken für den Steuerzahler, da
       das Verfahren nicht transparent abläuft und vor allem mit sehr großer
       Wahrscheinlichkeit deutlich überhöhte Kaufpreise ergeben wird.
       
       Und wenn der Senat sich mit Vattenfall auf einen Preis einigt, den Sie für
       überhöht halten? Ist die Genossenschaft dann aus dem Spiel? 
       
       Wir finden es zunächst gut, dass Senat und SPD-Fraktion sich um eine rasche
       Umsetzung des Volksentscheids bemühen. Es ist für die Stadt eine dreifache
       Chance: Substanzieller Finanzierungsbeitrag von haftendem Eigenkapital, das
       sonst teuer zu beschaffen wäre, die Einbindung der Bevölkerung im Sinne
       echter Bürgerbeteiligung und ein wesentlicher Beitrag zu einem zukünftigen
       Hamburger Energiefrieden.
       
       Aus unserer Sicht muss es für die Ermittlung des Kaufpreises aber ein
       transparentes und nachprüfbares Verfahren geben ohne Zurückhaltung der
       wesentlichen Kalkulations- und Bewertungsgrundlagen. Auch wir als
       Genossenschaft müssen das im Sinne unserer Genossenschaftsmitglieder
       selbstverständlich prüfen können, bevor wir uns beteiligen.
       
       Warum will Energienetz Hamburg sich überhaupt beteiligen? Der Bürgermeister
       hat stets von einem unkalkulierbaren finanziellen Risiko gesprochen. 
       
       Die Beteiligung am Stromnetz ist verglichen mit anderen Anlagen ein
       ziemlich sicheres Geschäft. Die Bundesnetzagentur achtet darauf, dass ein
       gutes Einkommen erzielt werden kann, aber keine überhöhten Tarife gefordert
       werden.
       
       Laut Volksentscheid soll es eine vollständige Rekommunalisierung geben.
       Wenn sich jetzt eine Genossenschaft mit dem Geld von Privatleuten
       beteiligt, läuft das doch dem Sinn des Volksentscheids zuwider? 
       
       Die Einlagen beginnen mit 100 Euro. Es kann also wirklich jeder mitmachen.
       Und der Volksentscheid fordert die Überführung der Netze in die öffentliche
       Hand und die Demokratisierung der Energieversorgung. Solange die Stadt den
       beherrschenden Einfluss behält, bewegt sich die Umsetzung gemeinsam mit
       einer finanziellen Bürgerbeteiligung nicht nur im Rahmen des
       Volksentscheids, sondern sie setzt die inhaltliche Vorgabe der
       Demokratisierung konkret um.
       
       Also Kommunalisierung in Reinkultur? 
       
       Die Gretchenfrage ist, ob der Senat die Bürger am Tisch als Bereicherung
       oder eher als Störung empfindet. Mag heute noch die Skepsis überwiegen,
       sobald die Vorteile erkannt sind, wird Hamburg ein Vorzeigemodell für
       kommunale und zivilgesellschaftliche Partnerschaft bei der gemeinsamen
       Umsetzung der Energiewende sein. Das ist ein lohnendes Ziel.
       
       Aber die Genossenschaftsmitglieder wollen auch Rendite sehen, oder? 
       
       Sie wollen vor allem eine gute Sache im Sinne der Gesamtgesellschaft
       unterstützen. Die Chance auf eine gewisse Rendite macht das natürlich noch
       attraktiver, das stimmt.
       
       Haben Sie schon einen Gesprächstermin mit dem Bürgermeister? 
       
       Wir wollen jetzt erst einmal allen Zeit geben, sich zu sortieren nach dem
       Wahltag. Für baldige Gespräche steht die Energienetz Hamburg eG natürlich
       bereit.
       
       27 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven-Michael Veit
       
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