# taz.de -- Israel streitet über auswandernde Juden: Eine Frage der Lebensqualität
       
       > Der israelische Finanzminister Yair Lapid hat einen Sturm der Entrüstung
       > ausgelöst. Juden, sagt er, die aus Bequemlichkeit auswandern, versteht er
       > nicht.
       
 (IMG) Bild: Wo Platz rar ist: In Israel sind Kosten für Wohnen, Lebensmittel und Transport viel höher als in Berlin.
       
       JERUSALEM afp | Mit Kritik an jüdischen Landsleuten, die wegen der
       geringeren Lebenshaltungskosten nach Europa und namentlich Berlin
       übersiedeln, hat der israelische Finanzminister Yair Lapid einen Sturm der
       Entrüstung ausgelöst. Ein entsprechender Eintrag auf Lapids Facebook-Seite
       wurde hundertfach ärgerlich kommentiert. Die Tageszeitung Maariv rechnete
       dem Minister am Mittwoch vor, dass die Ausgewanderten bei höherem Einkommen
       deutlich niedrigere Kosten für Wohnen, Lebensmittel und Transport
       aufzubringen hätten.
       
       Lapid, Gründer und Vorsitzender der liberalen Zukunftspartei, die getragen
       von einer sozialen Protestbewegung zum Jahresbeginn als zweitstärkste
       Fraktion ins israelische Parlament eingezogen war, hatte seinen Appell an
       „alle, die die Nase von Israel voll haben“, am Montagabend in das soziale
       Netzwerk gestellt. Anlass war eine Dokumentation über nach Berlin
       Auswandernde im israelischen Privatfernsehen.
       
       Der Finanzminister schrieb, dass er gerade im ungarischen Parlament über
       das Schicksal enger Verwandter berichtet habe, die als Juden in Ungarn
       verfolgt und teilweise ermordet wurden, weil sie kein eigenes Land hatten,
       in das sie übersiedeln konnten. Deshalb habe er wenig Verständnis für
       Landsleute, „die bereit sind, das einzige Land, das die Juden haben,
       wegzuwerfen, weil es sich in Berlin gemütlicher leben lässt".
       
       Empörte Kommentare waren die Folge: „Viele Leute gehen nach Berlin, weil es
       eine der bezahlbarsten Städte in Europa ist, während in ihrer Heimat das
       Geld kaum bis zum Monatsende reicht“, schrieb eine Israelin aus der
       deutschen Hauptstadt und setzte hinzu: „Hier kostet alles nur die Hälfte.
       Das hat nichts mit Ideologie zu tun. Ich bin sicher, wenn die Leute in
       Israel genausogut leben könnten, würde jeder dort bleiben."
       
       Eine Leserin aus Israel kommentierte: „Als Kind eines
       Holocaust-Überlebenden kann ich Ihre Worte gänzlich nachvollziehen, aber
       als Mutter talentierter Heranwachsender, die mit der schwierigen Lage hier
       nicht zu Rande kommen, kann ich die Leute verstehen, die schweren Herzens
       weggehen.“ Andere kritisieren, dass insbesondere Akademiker in Israel
       völlig unterbezahlt seien. „Wenn Sie das berichtigen, kommen wir zurück.
       Aber ich verwahre mich gegen Ihre Schuldzuweisung“, folgerte Moran Assaf,
       der in den USA arbeitet.
       
       Maariv, die der oppositionellen Arbeitspartei nahesteht, erklärte den
       Entrüstungssturm damit, dass viele Israelis gerade von Lapid erwarten, dass
       er als Finanzminister ihre wirtschaftliche Lage bessert. Denn die Kritiken
       seien berechtigt, wie die Statistik zeige: So liege das
       Durchschnittseinkommen in Israel nur bei knapp 50 Prozent von dem der
       Deutschen, von Norwegern ganz zu schweigen. Eine Wohnung, für deren Kauf in
       Israel 138 Monate gearbeitet werden müsste, koste in Frankreich nur 76 und
       in den Niederlanden 59 Monatsgehälter.
       
       2 Oct 2013
       
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