# taz.de -- Kinofilm aus Frankreich: Fee in der Fahrschule
       
       > Prinzessin, Wolf und Oger wollen mehr als Märchen und machen Kino. Agnés
       > Jaoui übernimmt die Regie und zaubert in „Unter dem Regenbogen“.
       
 (IMG) Bild: Gleich verliert der Tänzer seinen Schuh: Laura (Agathe Bonitzer) und Sandro (Arthur Dupont) beim Ball.
       
       Jede Komödie, die auf sich hält, braucht einen Griesgram. Einen, der die
       Last der schlechten Laune auf seine Schultern lädt und sie damit gleichsam
       fortträgt. Kaum ein anderer Schauspieler hat es im Griesgram-Verkörpern zu
       solcher Meisterschaft gebracht wie Jean-Pierre Bacri. Und nirgendwo kann er
       das so schön zeigen wie in den Filmen seiner ehemaligen Lebensgefährtin,
       der Schauspielerin Agnès Jaoui, mit der er zusammen die Drehbücher
       verfasst, die sie dann als Regisseurin realisiert.
       
       In „Unter dem Regenbogen“ erscheint er in der zweiten Szene, und was mit
       ungewohnt süßlichen Anklängen begann, wird prompt durch seine saure Miene
       geerdet. Den Kopf eingezogen, tiefe Ringe unter den Augen, die Schulter
       angespannt, läuft er an der Seite seiner Exfrau über einen Friedhof.
       
       Sie beklagt sich über ihr Pech im Spiel in letzter Zeit, bevor sie sich
       gewahr wird, wo sie sich befinden. „Es gibt Schlimmeres“, sagt sie
       schließlich, wie um abzuwiegeln. „Eben“, erwidert Bacri so knapp und
       einsilbig, dass sich schwerkraftmäßig sofort alle Miesepetrigkeit an ihn
       heftet. Es stellt sich heraus, dass sein Vater eben beerdigt wurde, aber
       Trauer ist nicht der Anlass seines Missmuts, sondern ein viel „niedrigeres“
       Gefühl: die Angst, der nächste zu sein. Wer könnte es ihm verdenken.
       
       ## Der Oger und die gute Nacht
       
       „Au bout du conte“ heißt der Film im Original, und verweist damit gleich
       auf ein doppeltes Ende: auf das des Märchens genauso wie auf den
       gleichklingenden „bout du compte“, den Endeffekt.
       
       Märchenmotive kleiden den Film ein wie Fantasie-Kostüme eine
       Kindergartenaufführung: verspielt und einfallsreich, oft auch
       zweckentfremdet und überraschend neu interpretiert. Bacris Figur etwa lässt
       sich in seiner schlechten Laune als Oger lesen, ein Kinderschreck. Als
       seine neue Freundin mit ihren zwei Töchtern vorübergehend bei ihm einzieht,
       ist er nicht nur genervt, er ist hoffnungslos überfordert. Wie macht man
       das, einem Kind „Gute Nacht“ sagen? Wenn man einer Figur glaubt, dass sie
       es tatsächlich nicht weiß, dann dem von Bacri gespielten Mann.
       
       Wie in allen ihren Filmen bringen Bacri und Jaoui einen Reigen von Menschen
       verschiedenen Alters und mit unterschiedlichsten Empfindsamkeiten zusammen,
       wobei die Zufälligkeit ihrer Begegnungen in „Unter dem Regenbogen“ oft
       märchenhafte Züge trägt. Etwa wenn an einer Stelle Laura (Agathe Bonitzer)
       mit rotem Mantel und Mütze bekleidet durch den Wald läuft, sich verirrt und
       Maxime Wolff (der Sänger Benjamin Biolay) begegnet. Er will sie nicht
       fressen, aber gewisse Gelüste werden doch geweckt.
       
       ## Laura mit dem Goldhaar
       
       Wobei der große Charme der Märchenbezüge in „Unter dem Regenbogen“ darin
       besteht, dass sie nicht im modernen Gewand nachgespielt werden, sondern auf
       ganz unterschiedliche Weise Spuren hinterlassen. Die schöne Laura mit ihrem
       langen goldenen Haar, ihrem reichen Vater und einer verdächtig jung
       aussehenden Mutter ist ganz klar eine Prinzessin, aber aus welchem Märchen,
       ob Schneewittchen – sie beißt mal in einen roten Apfel – oder die auf der
       Erbse oder gar Dornröschen, da legt sich der Film nicht fest.
       
       Laura träumt von einem Märchenprinzen, und als sie auf einer Party den
       Jungkomponisten Sandro (Arthur Dupont) stehen sieht, glaubt sie ihn
       gefunden zu haben. Sie tanzen, und dann ist es aber Sandro, der überstürzt
       vor Mitternacht aufbrechen muss, und alles, was Laura von ihm bleibt, ist
       ein Schuh, den er auf der Treppe verliert.
       
       Aber keine Sorge, Laura geht im Folgenden nicht von Tür zu Tür, um sich die
       Füße der Männer im passenden Alter zeigen zu lassen. Der Film spielt
       vielmehr mit seinen buchstäblichen und übertragenen Bedeutungen und nimmt
       sie dabei selbst nicht allzu ernst. Laura und Sandros Geschichte und wie
       sie sich in ihr Märchen, Wunsch und Wirklichkeit überkreuzen, bildet den
       Roten Faden des Films, an den sich weitere große und kleine Begebenheiten
       anknüpfen.
       
       ## Eine Regisseurin als Erzieherin
       
       Regisseurin Agnès Jaoui verkörpert die Fee; einerseits ganz buchstäblich im
       Kostüm als Theatererzieherin in einem Kindergarten, wo sie – was sonst –
       mit den Kindern Märchen inszeniert. Andererseits ist sie diejenige, die wie
       mit Zauberhand die Stränge und Personen des Films in ihrer Person
       verbindet: Prinzessin Laura ist ihre Nichte, „der Wolf“ ihr Nachbar, bei
       Bacri nimmt sie Fahrstunden, die Töchter von dessen neuer Freundin spielen
       in ihrem Märchenstück mit.
       
       Gibt es im Märchen Exmänner? Eine der schönsten Miniaturen zeigt Jaouis
       Figur und ihren Exmann (Laurent Poitrenaux) als typisches Exemplar eines
       frisch getrennten Paares. Beide wollen gute Freunde bleiben, nicht zuletzt
       wegen des Kindes.
       
       Sie sind dabei ganz konkret: Zwei Menschen, die noch zusammenpassen, die
       sich anschauen, weil sie noch wissen, wie es war, im Guten wie im
       Schlechten, zwischen denen es aber doch vorbei ist. Das märchenhafte Motto
       am Ende aber passt genau auf sie: „Sie lebten glücklich und irrten sich
       häufig …“
       
       17 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schweizerhof
       
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