# taz.de -- Naturreservat Masai Mara: Das beschauliche Leben von Scarface
       
       > In Kenias Naturschutzgebiet Masai Mara leben die Löwen ohne natürliche
       > Feinde. Auch die Massai bejagen sie längst nicht mehr.
       
 (IMG) Bild: Friedliches Fotomotive im Naturreservat Masai Mara.
       
       Die mächtigen Büffel stehen im Kreis und scharren aufgeregt mit den Hufen.
       Sie sind sichtlich unruhig. „Im Gras, nicht weit von hier entfernt, lauern
       zwei Löwen“, erklärt Wildhüter Dominik Nkaisunkui Morijoi. „Die Büffel
       bilden einen Kreis, um sich zu verteidigen“.
       
       Normalerweise werden so die Jungtiere verteidigt, doch hier ist weit und
       breit keines zu sehen. „Es handelt sich um alte Büffel, die aus der Herde
       verstoßen wurden. Diese Tiere sind alle über 18 Jahre alt. Sie müssen eine
       Art Ersatzherde bilden, sonst wären sie zum Tode verurteilt“, erklärt
       Dominik.
       
       Die Regeln der Natur sind hart. Männliche Tiere ohne Revier haben es ganz
       besonders schwer. Auch hier in der Masai Mara, Kenias bekanntestem
       Naturreservat und eines der wichtigsten Tierschutzgebiete in ganz Afrika.
       Im Schutze einer schmalen Böschung liegt der „Hippo-Pool“. „Hier schlagen
       40 junge Nilpferdmännchen, die von den dominanten Bullen der Herde verjagt
       wurden, die Tage tot. Erst wenn sie größer und stärker sind, können sie den
       Kampf aufnehmen und ihren Platz in der Herde einfordern“.
       
       Als habe er den Wildhüter verstanden, schaut plötzlich ein Nilpferd aus dem
       Wasser und prustet bekräftigend, auf seinem Kopf bleibt eine dicke Schicht
       Sumpfgras hängen. Ein komischer Anblick.
       
       ## Nie ohne schützende Jeeps
       
       Die jungen Pflanzenfresser tummeln sich unfreiwilligen im Exil, erst abends
       und im Schutz der Dunkelheit trauen sie sich an den Fluss Mara zurück. Ihr
       niedliches Aussehen täuscht, Nilpferde sind die gefährlichsten Tiere
       Afrikas, Begegnungen mit ihnen enden für Menschen oftmals tödlich.
       
       Dieses Jahr haben die so friedfertig anmutenden Dickhäuter allein in Kenia
       schon sechs Menschen totgebissen, hauptsächlich Fischer, deren Boote sie
       attackierten. Dies alles geschah allerdings nicht in Masai Mara, wo die
       Touristen die Camps nie ohne schützende Jeeps verlassen.
       
       Was es bedeutet, ein betagtes Männchen zu werden, mussten auch die beiden
       alten Löwen erfahren, die einst den Marsh Pride, eines der wichtigsten
       Löwenrudel von Masai Mara, anführten. Vor zwei Jahren wurden sie von vier
       jungen Löwen vertrieben, die in Masai Mara nur die „vier Musketiere“
       heißen. Einer der vier, Scarface, hat sich bei den Revierkämpfen eine
       schwere Wunde über dem Auge zugezogen. Daran ist er gut zu erkennen. Er
       leckt sie unermüdlich, damit sich die Fliegen nicht an dem Blut laben
       können. Scarface ist einer der Hauptakteure in der Tiersendung Cat Diary,
       das die BBC hier regelmäßig dreht. Doch inzwischen ist Scarface so etwas
       wie ein Star bei den Touristen.
       
       „Wenn ein Junglöwe den alten vertreibt, tötet er in der Regel alle Jungen
       des Vorgängers, damit die Weibchen wieder schneller paarungsbereit sind“,
       weiß Dominik.
       
       ## Entschädigung für Beuteschafe
       
       Der Marsh Pride bestand einst aus 28 Löwen, inzwischen sind es nur noch 18.
       Die Weibchen übernehmen meistens die Jagd. Scarface liegt den Grossteil des
       Tages dösend in der Savanne. Soeben hat eine der Löwinnen Scarface eine
       junge Antilope vors Maul gelegt. Die Weibchen und ihre Jungen fressen erst,
       wenn die Männchen satt sind, doch heute werden sie wohl leer ausgehen, das
       Beutetier ist zu klein. Ein richtiger Festschmaus findet nur selten statt,
       etwa Ende Juni, zur Zeit der großen Tierwanderung.
       
       Dann machen sich Tausende von Zebras und Gnus aus der tansanischen
       Serengeti nach Masai Mara auf, wo die Weidegründe noch grün und saftig
       sind. Viele fallen beim Überqueren der Mara den Krokodilen zum Opfer, und
       an Land droht ihnen Gefahr von den Raubkatzen.
       
       Die Löwen sind die uneingeschränkten Herren hier, andere Raubkatzen wie die
       Leoparden und die Geparden halten respektvolle Distanz. Auch von den
       Menschen droht dem Löwen keine Gefahr mehr. Bis vor zwanzig Jahren wurden
       sie von den Massai gejagt. Dieser Volksstamm lebt innerhalb der Grenzen von
       Masai Mara, in den meisten anderen Naturparks wie etwa Ambosli dürfen die
       Massai ihre Tiere nur nachts zum Tränken in die Reservate führen und leben
       außerhalb der Parkgrenzen.
       
       „Wenn ein Löwe früher ein Tier unserer Herden riss, dann rückten wir ihm zu
       Leibe und töteten ihn“, sagt Ziegenhirt Alex Kisemoi (23), der in der
       Massai-Siedlung Sadera lebt. „Jetzt zahlt uns die Regierung eine
       Entschädigung für jede Ziege, jedes Schaf oder jede Kuh, die wir auf diese
       Art verloren haben“.
       
       ## Pilotprojekt im Reservat
       
       Das Zusammenspiel zwischen Weidewirtschaft und Wildtieren ist nicht immer
       konfliktfrei, aber hier in Masai Mara funktioniert es. „Wir konnten die
       Massai-Krieger in unsere Naturschutzprojekte mit einbinden“, so Dominic
       Grammaticus, der mit seinem Bruder das traditionsreiche Governor’s Camp
       betreibt. Von hier aus können die Safari-Touristen auch die sogenannten
       Manyattas, die Dörfer der Massai, besuchen.
       
       In Sadera läuft ein Pilotprojekt, das Schule machen könnte. Die Einwohner
       haben sich eine Biogasanlage gebaut, die mit Kuhdung befeuert wird.
       Methangasröhren führen in jedes der 44 Häuser der kreisförmigen Manyatta.
       Jetzt müssen die Frauen kein Feuerholz zum Kochen mehr suchen und tragen so
       zum Landschaftsschutz bei. Das stets offene Feuer in den Hütten führte auch
       zu Augenkrankheiten und ständigem Husten der Bewohner.
       
       „Wir sind das einzige Massai-Dorf mit einer Biogasanlage auf der Welt.
       Unsere neue Aufgabe heißt Umweltschutz“, so Alex stolz. „Dazu gehört auch,
       dass wir die wilden Tiere respektieren und schützen.“
       
       19 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ute Müller
       
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