# taz.de -- Irokesen-Ausstellung in Berlin: Mehr als Pop und Punk
       
       > Krieger, Bauern, Künstler: Die Ausstellung „Auf den Spuren der Irokesen“
       > in Berlin zeigt das differenzierte Bild eines Volkes mit lebendinger
       > Kultur.
       
 (IMG) Bild: Verziertes Schuhwerk in der Irokesen-Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau.
       
       „Immer fällt mir, wenn ich an den Indianer denke, der Türke ein“, begann
       Karl May sein Werk „Winnetou I“ im Jahre 1893. Während man den Türken als
       den kranken Mann bezeichne, erklärt er weiter, sei der Indianer der
       sterbende Mann: „Ja, die rote Nation liegt im Sterben.“ Nicht um „den“
       Indianer, sondern um die irokesische Kultur geht es nun in einer großen
       Ausstellung, die nach Bonn im Berliner Martin-Gropius-Bau gezeigt wird.
       
       Irokesen kamen beim 1912 verstorbenen Schriftsteller Karl May nicht in
       prominenter Rolle vor. Doch unter den indigenen Völkern Nordamerikas zählen
       sie bis heute zu den bekanntesten. Die Ausstellung „Auf den Spuren der
       Irokesen“ zeigt einen umfassenden Überblick über Geschichte, kulturellen
       Reichtum und politische Bedeutung der irokesischen Völker. Wer in seiner
       Jugend durch Winnetou- und Lederstrumpf-Lektüre mit einem allzu
       romantisierten „Indianer“-Bild infiziert wurde, kann sich über die
       Gelegenheit freuen, sein Weltbild hier faktengestützt zu überprüfen.
       
       Ein Punkt, in dem die irokesische Kultur die Entwicklung der
       nordamerikanischen Gesellschaft durchaus beeinflusst hat, ist die Stellung
       der Frau in der Gemeinschaft. Frauen hatten traditionell eine starke
       Position bei den irokesischen Völkern, angefangen beim Ursprungsmythos, der
       von der Abstammung der Menschen von „Sky Woman“, der Himmelsfrau, erzählt.
       Familienzugehörigkeit vererbte sich matrilinear und bestimmte auch darüber,
       wer miteinander im Langhaus wohnte, dem jeweils eine rangälteste Frau
       vorstand.
       
       Die Irokesen waren sesshaft und betrieben Ackerbau. Die Aufsicht über den
       Anbau der „drei Schwestern“ Mais, Bohnen und Kürbis oblag den Frauen. Es
       herrschte strenge Arbeitsteilung. Die Männer bauten die Langhäuser, gingen
       jagen und Krieg führen. Sie nahmen durch diese nach außen gerichteten
       Aktivitäten natürlich eine ungleich größere politische Rolle ein.
       
       ## Einflussreiche irokesische Frauen
       
       Im Inneren der Gemeinschaften aber hatten die Frauen vergleichbare Rechte,
       besaßen eigenes Land und bestimmten über Nominierung oder Absetzung der
       Häuptlinge. Die gesellschaftlich einflussreiche Stellung der irokesischen
       Frauen sollte zu einer wichtigen Inspiration für die nordamerikanische
       Suffragettenbewegung werden.
       
       Das Irokesenbild, das man gemeinhin hat, ist nicht in erster Linie das der
       friedlichen, Kürbisse erntenden Langhausbewohnerin, sondern das des
       Kriegers. Das Haarstyling der kriegführenden Männer wurde im Zweiten
       Weltkrieg von US-Bomberpiloten zur Stärkung der Kampfmoral übernommen. „Der
       Irokese“ ist schon lange Pop und Punk.
       
       Auf der anderen Seite der kriegerischen Medaille steht die
       friedensstiftende Macht der „Irokesenliga“. Es war ein beispielhaftes
       Bündnis, das einen dauerhaften Frieden unter benachbarten Völkern schuf.
       Die Irokesenliga war ein politisches Bündnis, das auch außenpolitisch bei
       Verhandlungen mit den eingewanderten Europäern eine bedeutende Rolle
       spielte (und das aber auch jene Völker, die sich der Liga nicht anschließen
       wollten, in folgenden Stammeskriegen unbarmherzig niederschlug).
       
       Als ikonenhaftes Symbol dieses Ereignisses und des irokesischen
       Selbstverständnisses gilt bis heute der Friedensbaum, unter dessen Wurzeln
       eine Streitaxt vergraben liegt. Auf die Gründung der Irokesenliga geht auch
       die Wendung „das Kriegsbeil begraben“ zurück.
       
       Nun ist eine Ausstellung eine multidimensionale Angelegenheit, bei der man
       leicht auch in den zahlreichen visuellen Verlockungen versinkt. In diesem
       Fall sind dies nicht zuletzt die vielen bezaubernden Beispiele irokesischen
       Kunsthandwerks. Dabei lohnt es sich, neben den Raumtexten auch das
       Kleingedruckte neben den Exponaten zu lesen. Noch bis ins 18. Jahrhundert
       wurden kleine Täschchen aus Pflanzenfasern gewebt und mit Elchhaar und
       Stachelschweinborsten bunt und kunstvoll bestickt.
       
       Noch bunter und kunstvoller aber wurden die Alltagsobjekte, als europäische
       Handelswaren ihren Weg auf den nordamerikanischen Kontinent gefunden
       hatten. Die Kreativität der Stickerinnen scheint geradezu explodiert zu
       sein, als sie bunte Garne und vor allem Perlen zur Verfügung hatten; und so
       ahnt man auf einmal, wie es passieren konnte, dass die Insel Manhattan für
       Glasperlen im Wert von 60 Gulden verkauft wurde. Aufseiten der Europäer
       wiederum gab es offenbar schon immer eine große Faszination für das
       indigene Kunsthandwerk.
       
       ## Zeitgenössische Kunst und aktuelle politische Lage
       
       Bereits im frühen 18. Jahrhundert betrieben irokesische Frauen an den
       Niagarafällen ein florierendes Geschäft mit Souvenirs, von denen etliche in
       der Ausstellung zu bewundern sind: filigran bestickte Nadelkissen und
       kunstvoll geflochtene Körbe.
       
       Zahlreiche Exponate der Ausstellung stammen übrigens aus der Privatsammlung
       der Ausstellungskuratorin Sylvia Kasprycki selbst, die sich seit 15 Jahren
       intensiv mit irokesischer Kultur und Geschichte beschäftigt und deren
       zahlreiche persönliche Kontakte diese umfassende Schau überhaupt erst
       ermöglicht haben.
       
       Die Ausstellung schließt mit einem Ausblick auf heutige irokesische Kunst
       sowie die politische Lage der Irokesen, die sich als Nation empfinden, doch
       auf den Territorien zweier Staaten leben.
       
       Wie politisch es sein kann, kulturelle Traditionen tatsächlich zu leben,
       lässt sich hier ebenso studieren wie die fruchtbare Symbiose überlieferter
       kultureller Muster mit zeitgenössischen künstlerischen Positionen. Fast
       könnte man Lust bekommen, das Körbeflechten selbst zu erlernen.
       
       20 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Granzin
       
       ## TAGS
       
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