# taz.de -- Leverkusen gegen Hoffenheim: Phantomtor bereitet Schmerzen
       
       > Schiri Felix Brych pfiff für Leverkusen einen Treffer, der keiner war
       > aber die Bayer-Elf sogar an die Liga-Spitze gebracht hat. Hoffenheim
       > fordert Spielwiederholung.
       
 (IMG) Bild: Schnell geflickt: das Loch des Anstoßes im Tor von Hoffenheim.
       
       SINSHEIM dpa | Das Skandalspiel mit dem Phantomtor von Stefan Kießling hat
       den deutschen Fußball in helle Aufregung versetzt. Die TSG 1899 Hoffenheim
       rechnet nach der kuriosen 1:2 (0:1)-Niederlage gegen Bayer Leverkusen am
       Freitagabend fest damit, dass sie vor dem Sportgericht des Deutschen
       Fußball-Bundes (DFB) ein Wiederholungsspiel zugesprochen bekommt. „Alles
       andere wäre ja ein Witz“, sagte Trainer Markus Gisdol und verwies auf den
       Fall Thomas Helmer von 1994.
       
       Während die Fans landauf-landab sich über den Treffer, der keiner war,
       amüsieren, stehen Torjäger Kießling und vor allem Schiedsrichter Felix
       Brych nach dieser denkwürdigen Bundesliga-Partie ziemlich bedröppelt da.
       Der DFB kündigte noch für den Samstag eine Stellungnahme an.
       
       Bereits zehn Minuten vor dem Abpfiff trafen sich Alexander Rosen, Leiter
       Profifußball bei der TSG, und Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler im
       Kabinengang und sprachen über das weitere Vorgehen. „Wir werden Einspruch
       gegen die Spielwertung einlegen. Das Spielresultat wurde maßgeblich
       beeinflusst“, erklärte Rosen und kündigte an, dass der Verein am Samstag
       ein entsprechendes Schreiben aufsetzen werde. Völler äußerte Verständnis
       dafür: „Für Bayer ist das natürlich auch unangenehm, dass so ein Tor
       gegeben wurde. Wir können nichts dafür, Stefan Kießling kann auch nichts
       dafür.“
       
       Der Stürmer hatte in der 70. Minute auf das Tor geköpft – am Pfosten
       vorbei, doch der Ball war durch ein Loch im Seitennetz in Schulterhöhe ins
       Tor geflutscht. „Im ersten Moment habe ich gedacht, der geht nicht rein.
       Dann kamen alle auf mich zugestürmt, und der Ball zappelte im Netz“,
       erklärte Kießling später. Der 29-Jährige hatte sich unmittelbar nach der
       Aktion verärgert an den Kopf gefasst und abgedreht. Er habe das Ganze
       „nicht genau gesehen“. Er wisse auch nicht mehr genau, was er mit Referee
       Brych danach gesprochen habe.
       
       ## Von den Assistenten kam keine Hilfe
       
       Dass er den Ball nicht ins Tor geköpft hatte, hatte Kießling dem ratlosen
       Unparteiischen jedenfalls nicht gesagt. „Jetzt im Nachhinein ist das eine
       Scheiß-Situation“, meinte der Angreifer. Brych war in dem Moment jedenfalls
       der einsamste Schiedsrichter der Welt: Von seinen Assistenten kam keine
       Hilfe, die Hoffenheimer protestierten auch nicht lautstark, was Gisdol
       damit begründete, dass der Spielleiter aus München sie aufgefordert habe,
       wegzubleiben, sonst gebe es Gelb. 1899-Torwart Koen Casteels sagte: „In so
       einer Situation denkst du nur, du hast einen Stellungsfehler gemacht und
       nicht, dass da ein Loch im Netz ist.“
       
       Brych stand nach dem Abpfiff völlig konsterniert vor den Fernsehkameras:
       „Es hat mir keiner gesagt, dass der Ball nicht im Tor war. Ich hatte
       leichte Zweifel, aber die Reaktionen der Spieler waren eindeutig, es gab
       kein Kontra“, meinte der Olympia-Schiedsrichter, der auf der FIFA-Liste der
       möglichen WM-Referees für Brasilien 2014 steht. „Für mich ist das jetzt
       auch keine tolle Situation, ein Tor zu geben, das keins war.“
       
       Der 38-jährige Jurist aus München konnte am Ende froh sein, dass er mit
       heiler Haut unter die Dusche kam. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff hatte
       die Stadionregie in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena die Szene auf der
       Videowand gezeigt, und Stadionsprecher Mike Diehl brüllte in sein Mikrofon:
       „Der Ball war nicht im Tor.“ Daraufhin prasselten üble Schmährufe auf Brych
       ein. Rosen nannte die Aktion „sicher unnötig“, Völler hingegen erstaunte
       mit der Aussage: „Mir wäre es lieber gewesen, die hätten es direkt danach
       gemacht. Auch wenn es eine Geldstrafe gegeben hätte.“
       
       Kein Wunder, dass Gisdol und sein Leverkusener Kollege Sami Hyypiä bei der
       Pressekonferenz den Videobeweis forderten. Eine Diskussion, die den
       Profifußball schon im Fall Helmer vor fast 20 Jahren beschäftigte. „Ich
       hoffe, dass wir da irgendwann mal eine vernünftige Regel finden. Wir sind
       ja nicht mehr im fünften Jahrhundert“, meinte Gisdol. Der Hoffenheimer
       Trainer darf jetzt hoffen, dass seine Mannschaft eine zweite Chance gegen
       Bayer bekommt.
       
       ## Helmer nimmt Kießling in Schutz
       
       1994 hatte Helmer beim 2:1 des FC Bayern gegen den 1. FC Nürnberg ebenfalls
       ein Phantomtor erzielt. Das Spiel wurde wiederholt, anschließend gewannen
       die Bayern 5:0 und wurden Meister. Helmer nahm Kießling in Schutz. „Es geht
       um Sekunden, und du weißt als Schütze selbst nicht so genau, ob er drin
       war. Und diese Sekunden entscheiden darüber, bist du jetzt der liebe Junge
       oder der böse Bube“, sagte Helmer als Experte des TV-Senders Sport1.
       
       Kießlings irreguläres Tor war nur einer von vielen Aufregern in der
       turbulenten Partie: Sidney Sam hatte die Gäste in Führung gebracht (26.).
       Ein reguläres Tor von Kevin Volland (36.) erkannte Brych wegen angeblicher
       Abseitsstellung nicht an. Roberto Firmino verschoss zudem noch einen
       Foulelfmeter, dann setzten der Brasilianer und auch Bayer-Abwehr-Spieler
       Ömer Toprak den Ball an den Pfosten. Und Sven Schipplock erzielte in der
       88. Minute den Anschlusstreffer.
       
       Das ganze Theater um Kießlings Phantomtor hätten sich die Kraichgauer nach
       Ansicht Völlers ersparen können. „Die haben so viel Geld ausgegeben für das
       Stadion. Kleiner Tipp: Das nächste Mal richtige Netze kaufen“, scherzte er.
       Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp, dessen Vermögen sich nach jüngsten Angaben
       des Manager Magazins auf 6,1 Milliarden belaufen soll, stand in diesem
       Moment kopfschüttelnd vor einem Fernsehschirm in den Katakomben der
       Rhein-Neckar-Arena.
       
       19 Oct 2013
       
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