# taz.de -- Mindestlohn in der Fleischbranche: Dumpinglöhne durch den Wolf gedreht
       
       > Die großen Fleischkonzerne in Deutschland wollen mit einem Mindestlohn
       > ihren schlechten Ruf abschütteln. Die Tarifverhandlungen beginnen am
       > Dienstag.
       
 (IMG) Bild: Für Schweine ist nicht nur der fehlende Mindestlohn in der Fleischbranche eine echte Schweinerei.
       
       BERLIN afp | Dumpinglöhne, Ausbeutung von Arbeitnehmern aus Osteuropa,
       Missbrauch von Werkverträgen und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen: Die
       Zustände in Schlachthöfen und anderen Betrieben der deutschen
       Fleischindustrie sind stark in Verruf geraten.
       
       Aus Sorge um ihr Image hat die Branche in diesem Sommer in Verhandlungen
       über einen Mindestlohn eingewilligt. Am Dienstag setzen sich Vertreter der
       Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Fleischindustrie zum
       ersten Mal in Hannover an einen Tisch.
       
       Ziel der Verhandlungen sei ein Mindestlohn für alle Beschäftigten in der
       Fleischwirtschaft, sagt Michael Andritzky, Hauptgeschäftsführer des
       Verbands der Ernährungswirtschaft Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt
       (VDEW). Damit solle es den „schwarzen Schafen“ in der Branche „unmöglich“
       gemacht werden, „Dumpinglöhne zu zahlen und das Ansehen der Branche weiter
       zu beschädigen“.
       
       Andritzky verhandelt im Auftrag der Arbeitgebervereinigung Nahrung und
       Genuss (ANG) und ihren regionalen Branchenverbänden. Damit sind die vier
       großen Schlachtkonzerne Tönnies, Vion, Danish Crown und Westfleisch sowie
       die großen Geflügelschlachtereien Wiesenhof und Heidemark alle vertreten –
       genauso wie die überwiegend mittelständischen Verarbeitungsbetriebe.
       
       ## Drei bis sechs Euro pro Stunde
       
       Für die Arbeitnehmerseite verhandelt der stellvertretende NGG-Vorsitzende
       Claus-Harald Güster. Die NGG fordert einen bundesweit einheitlichen
       Mindestlohn von 8,50 Euro für alle Beschäftigten der Branche – und damit
       auch für jene mit Werkverträgen.
       
       Denn derzeit klaffen die Löhne weit auseinander: Während ein deutscher
       Facharbeiter nach Angaben der Gewerkschaft einen Stundenlohn von rund 15
       Euro erhält,bekommen ausländische Werkvertragsleute für das Schlachten,
       Zerlegen und Weiterverarbeiten von Schweinen, Rindern und Geflügel oft nur
       drei bis sechs Euro pro Stunde. In Einzelfällen liegen die Löhne laut NGG
       sogar noch niedriger.
       
       Die Fleischindustrie habe jahrelang auf das lukrative Geschäftsmodell aus
       Werkverträgen und Subunternehmerketten gesetzt und sich vehement gegen
       Änderungen gewehrt, erklärt Güster. Die Spitze bildeten die Schlachthöfe,
       in denen unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 50 und 80 Prozent
       der Beschäftigten Werkvertragsarbeitnehmer sind.
       
       ## Vorbild Bauwirtschaft
       
       Wie viele Menschen genau die Branche über ausländische Subunternehmer
       beschäftigt, ist unklar. Statistisch erfasst sind nur die
       sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten, deren Zahl laut
       NGG im Juni 2012 bei rund 181.000 lag. Sie ging in den vergangenen zehn
       Jahren um 20 Prozent zurück, während gleichzeitig Umsatz und Produktion der
       Branche zulegten. Diese Differenz könne nur über Werkverträge und
       Leiharbeiter aufgefangen werden, vermutet die Gewerkschaft.
       
       Damit der Mindestlohn auch für ausländische Werkvertragsnehmer gelten kann,
       muss die Fleischbranche in das sogenannte Arbeitnehmer-Entsendegesetz
       aufgenommen werden. Dies müssen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite
       beantragen. Andritzky ist zuversichtlich, dass er das dafür notwendige
       Quorum bekommt.
       
       Die amtierende Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat
       bereits angekündigt, sie werde sich bei einer Einigung auf einen
       Mindestlohntarifvertrag für die Fleischwirtschaft dafür einsetzen, dass
       dieser für allgemeinverbindlich erklärt wird. Der Lohn muss dann auch
       gezahlt werden, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz im Ausland hat.
       NGG-Verhandlungsführer Güster nennt als Vorbild die Bauwirtschaft, der es
       gelungen sei, Mindestlöhne zu vereinbaren.
       
       ## Allgemeiner Mindestlohn gefordert
       
       Auch die Unterbringung der Werkvertragsarbeiter, die oft unter
       menschenunwürdigen Bedingungen in Massenunterkünften hausen, will die NGG
       bei den Verhandlungen ansprechen. Hauptsächlich aber geht es um den
       Mindestlohn, wie eine Sprecherin der NGG betont. Ob sich die Arbeitgeber
       auf die geforderten 8,50 Euro einlassen werden, ließ Andritzky mit Verweis
       auf die Lohnsituation in Ostdeutschland und bereits bestehende
       Tarifverträge im Vorfeld der Verhandlungen offen.
       
       NGG-Vize Güster hat derweil das große Ziel der Gewerkschaften weiter im
       Blick: Grundsätzlich enthebe die Vereinbarung von Branchenmindestlöhnen
       eine neue Bundesregierung nicht von der Einführung eines gesetzlichen und
       allgemeinen Mindestlohns, betont er angesichts der bevorstehenden
       Koalitionsverhandlungen.
       
       20 Oct 2013
       
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