# taz.de -- 50 Jahre Ronald McDonald: Ansicht eines Clowns
       
       > Vom Glücksoffizier zur Horrorfigur: Die Geschichte des berühmtesten
       > Hamburger-Verkäufers der Welt ist auch die Geschichte des Clowns in
       > heutigen Zeiten.
       
 (IMG) Bild: Auch ein Clown. Heath Ledger gab 2008 als Joker den größten Schurken aller Zeiten.
       
       Der Dialog im Werbespot klingt wie aus einem Kinderbuch, das böse ausgehen
       wird. Ein kleiner Junge beginnt: „Meine Mutter sagt, ich soll niemals mit
       Fremden sprechen.“ Der Mann neben ihm antwortet: „Deine Mama hat wie immer
       recht. Aber ich bin Ronald McDonald. Und jetzt gib mir was von deinem
       Shake.“ Es sind die ersten Worte, die der berühmteste Clown der Welt
       sprach.
       
       Warum musste es gerade so ein August sein, fragt man sich heute: eine
       Gestalt, die nicht immer ein Sympathieträger ist, die vielen Menschen Angst
       einflößt, über die wir lachen, selten mit ihr. Wie kam eine kleine
       Fastfood-Kette dazu, ihre Hamburger ausgerechnet von so einem Hanswurst
       verkaufen zu lassen? Und das seit fünfzig Jahren.
       
       Der Geburtstag des Clowns ist ein recht wenig beachtetes Jubiläum. Zu
       Unrecht – bei einer solchen Biografie: Die allseits bekannte Pappnase ist
       in den vergangenen fünf Jahrzehnten zur Hassfigur eines aggressiven,
       weltumspannenden Konzerns geworden. Doch das liegt nicht nur an McDonald’s.
       Ronalds Geschichte ist auch die des Clowns in heutigen Zeiten.
       
       Als Ronald im Herbst 1963 das erste Mal auf einigen TV-Kanälen im Raum
       Washington zu sehen war, auf vielen Geräten noch in Schwarz-Weiß, machte
       sich McDonald’s gerade daran, den amerikanischen Markt zu erobern. [1][Ray
       Kroc], der erste Franchise-Nehmer, hatte den Brüdern McDonald das
       Unternehmen abgekauft und perfektionierte das System, Filialen nicht selbst
       aufzubauen, sondern Lizenzen an Restaurantgründer auszugeben.
       
       Ein Jahr zuvor waren das erste Mal US-weit Anzeigen in überregionalen
       Magazinen geschaltet worden. Dass McDonald’s am Ende des Jahrzehnts ein
       börsennotiertes Unternehmen sein würde, mit den ersten Filialen in Europa,
       zeichnete sich noch lange nicht ab. Aber Ray Kroc hatte bereits eine neue
       Zielgruppe identifiziert, die ihm helfen sollte, sein Hamburger-Imperium
       aufzubauen: Kinder.
       
       Der Clown sollte sein engster Verbündeter werden. Selten wurde das so klar
       wie in dem ersten TV-Spot mit dem eingangs zitierten Dialog. [2][Noch sah
       der Clown nicht so aus, wie wir ihn heute kennen.] Es fehlten die
       übergroßen Schuhe und die rote Perücke. Der erste Ronald McDonald, übrigens
       gespielt von dem damals sehr bekannten TV-Meteorologen Scott Willard, ein
       US-Kachelmann der 60er Jahre, sah eher aus wie die Vogelscheuche aus dem
       „Zauberer von Oz“, mit einem Pappbecher auf der Nase und einem Tablett als
       Hut, darauf Hamburger und Pommes.
       
       ## Clownerie betrieb er nie
       
       Vier Jahre später wurde Ronald McDonald als Warenzeichen eingetragen.
       Geschützt waren fortan der rot-gelbe Overall, die rot gestreiften Strümpfe,
       die übergroßen roten Schuhe und ein weiß geschminktes Gesicht mit roter
       Perücke. Ein Lebensmittelkonzern reklamierte auf einmal das Recht auf eine
       Figur, die seit Jahrhunderten der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten
       hatte, die tolpatschig durch Zirkusarenen lief, in Sketchen Neid, Liebe,
       Wut und Eifersucht freien Lauf gab. Und die einen zu einem Lachen brachte,
       das immer auch nah am Weinen war.
       
       Der Clown ist keine so positive Gestalt, er war es nie. Ob Hanswurst,
       Kasper oder Pierrot, in sämtlichen Kulturen gibt es diese Figur, ob in der
       Antike, bei den alten Chinesen oder in nordamerikanischen
       Indianergesellschaften: karnevaleske Persönlichkeiten, eigentlich
       gesellschaftliche Outsider, mit unstillbarem Appetit auf all das, was die
       Gesellschaft tabuisierte. Ein Triebtäter, über den man lachte, solange er
       nur spielte.
       
       Ronald McDonald übernahm von diesem Charakter zunächst nur das Kostüm.
       Clownerie betrieb er nie. „Chief Happiness Officer“ nannte ihn der Konzern.
       [3][Sein Erfinder, Scott Willard, hatte sich das von Bozo abgeschaut],
       Moderator einer damals bei Kindern beliebten TV-Show. Bozo trat in blauem
       Kostüm, mit riesiger Halskrause, weißem Gesicht und einem
       überdimensionalen, feuerroten Haarkranz auf, war aber nicht mehr als ein
       gut meinender Sympathikus, der Kinder beschenkte, ihnen Geschichten vorlas
       und ziemlich vernünftig war. Eigentlich eine Figur wie der Weihnachtsmann.
       Ronald McDonald verkörperte noch eine kleine Spur mehr Anarchie.
       
       ## Der bekannteste Kindergärtner der Welt
       
       Mit ihm wurden die Kinder zu Botschaftern des Fastfood. Kleinkäsehoch wurde
       bei McDonald’s König. Die übergroße Plastikfigur am Eingang, bunt
       dekorierte Räume, in denen man Freunde zum Geburtstag einladen konnte und
       denen der Clown Tabletts mit Pommes und Hamburgern servierte. Noch bevor
       Kindergärten so lustig und bis zur Höhe der Pissoirs kindgerecht gestaltet
       waren, hatte McDonald’s das vorweggenommen. Und Ronald war zum nettesten
       und bekanntesten Kindergärtner der Welt geworden. Er hatte eine Autorität
       bekommen, die Eltern nur selten angreifen wollten. Schließlich handelte es
       sich um eine Witzfigur.
       
       In den USA war der Clown in den 70er Jahren bei Kindern bekannter als Micky
       Maus. Vielleicht hätte es ewig so weitergehen können, wenn nicht zur selben
       Zeit das Böse am Clown wiederentdeckt worden wäre. 1980 war in den USA das
       Jahr einer aufsehenerregenden Mordserie. John Wayne Gacy, ein ehemaliger
       Koch in einem Restaurant von Kentucky Fried Chicken, hatte jahrelang Kinder
       als „Pogo der Clown“ auf Straßenparaden unterhalten. Immer wieder hatte er
       mithilfe des Kostüms bei Jungen Vertrauen erweckt, sie aber dann
       eingekerkert, vergewaltigt und anschließend umgebracht. Unter seinem Haus
       wurden 28 Leichen ausgegraben. Der Killer-Clown, wie ihn die Medien
       nannten, wurde zwölfmal zum Tode verurteilt und 1994 hingerichtet.
       
       Von da an sollte der nette Perückenträger zu einer sinistren Persönlichkeit
       werden. Das färbte auch auf das Fastfood-Maskottchen ab. Die Düsseldorfer
       Punkband „Der Plan“ sang von „gefährlichen Clowns“, die als gelbrote Ronald
       McDonalds Deutschland in ein Junkland verwandeln wollten.
       
       ## Das Böse im Clown
       
       Und in der Popkultur [4][wurde der Clown zu einer Horrorgestalt]: In
       „Poltergeist“, 1982 produziert von Stephen Spielberg, erwacht eine
       Clownspuppe zum Leben und versucht den kleinen Jungen einer Vorstadtfamilie
       unters Bett zu ziehen. Vier Jahre später erschuf Stephen King die Figur des
       Pennywise für seinen Roman „Es“.
       
       Das Dunkle im Clown wandelte sich zur Chiffre für das Abgründige: In den
       grotesken [5][Clownsbildern von Cindy Sherman], in unzähligen Filmszenen,
       in denen Bankräuber Clownsmasken tragen, als übellauniger, kraftmeiernder
       Krusty in der TV-Serie „Die Simpsons“. Mit weißem Gesicht und rot
       verschmiertem Mund mutierte der Joker, zuletzt 2008 verkörpert von Heath
       Ledger in der Batman-Verfilmung „The Dark Knight“, zum größten Kinoschurken
       aller Zeiten.
       
       ## Rentner Ronald
       
       Unterdessen ist aus Ronald McDonald der Hauptangeklagte für Übergewicht und
       Fehlernährung von Kindern weltweit geworden. Er wurde als Galionsfigur
       einer Globalisierung mit falschem Lächeln identifiziert. Immer öfter werden
       Ronald-Statuen vor Schnellrestaurants umgeworfen. [6][2004 entwarf der
       Street-Art-Künstler Banksy ein Graffito], auf dem Ronald McDonald und Micky
       Maus gemeinsam ein traumatisiertes, nacktes vietnamesisches Mädchen an den
       Händen halten.
       
       Der Clown ist zu einem der beliebtesten Ziele der Adbusters-Bewegung
       geworden, der Kommunikationsguerilla, die Werbung verfremdet, einem
       Vorläufer von Occupy Wallstreet. Nach dem US-Einmarsch in den Irak
       kursierte eine Postkarte mit einem rotmundigen George W. Bush, darunter
       stand „Ronald McMurderer“.
       
       Eigentlich ist das Maskottchen nun verbrannt. Um Kinder zu locken, hat
       McDonald’s mit dem „Happy Meal“ schon längst eine andere Strategie
       entwickelt. Obwohl US-Elterninitiativen schon seit Langem fordern, den
       Clown in Rente zu schicken, kann sich der Konzern nicht offiziell von ihm
       trennen. Faktisch aber ist der „Botschafter für einen aktiven,
       ausgeglichenen Lebensstil“, wie er inzwischen heißt, in Altersteilzeit.
       Zwar geistert er noch in Ronald-McDonald-Häusern und in
       Eltern-Kind-Einrichtungen herum, aus den Restaurants jedoch ist er
       weitgehend verschwunden.
       
       2 Nov 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://de.wikipedia.org/wiki/Ray_Kroc
 (DIR) [2] http://www.dailymail.co.uk/news/article-2001089/Meet-Ronald-McDonald-1963-TV-debut.html
 (DIR) [3] http://www.youtube.com/watch?v=IRLPW8RlUvE
 (DIR) [4] /!113525/
 (DIR) [5] /1/archiv/archiv/
 (DIR) [6] http://netzfeuilleton.de/wordpress2/wp-content/uploads/2009/03/mickdonald.jpg
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörn Kabisch
       
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