# taz.de -- Kolumne Darum: Merkel in die Mütze spucken
       
       > Bloß nicht zuschlagen. Aber auch den Frust nicht in sich reinfressen. Von
       > Kindern können wir lernen, wie man am besten mit Konflikten umgeht.
       
 (IMG) Bild: Her mit der Mütze! Weihnachtsmerkel bei Madame Tussauds.
       
       Es ist Winter. Das ist gut. Denn da tragen die Menschen – auch die fiesen –
       manchmal eine Kopfbedeckung. Innenminister Hans-Peter Friedrich etwa, der
       ewige Wiedergänger [1][Ebenezer Scrooges (bevor die Gespenster kommen).]
       Oder Jogi Löw, diese hämische Strafe der Badenser an der
       fußballinteressierten Menschheit. Oder die Kollegen, die seit Wochen die
       gesamte Abteilung mit Wichtel-E-Mails belästigen.
       
       „Verlagsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen halten das 'Wichteln' auf der
       Weihnachtsfeier für eine feine, kommunikative, gesellige Sache. Redakteure
       finden es peinlich, zwangswitzig, im Grunde genommen terroristisch“,
       [2][schrieb neulich ein Ex-Kollege] auf Facebook. Dem ist nichts
       hinzuzufügen. Außer, dass der Begriff des Terrorismus immer auch eine ganze
       Reihe an Fragen nach sich zieht, wie mit ihm umzugehen ist.
       
       Auf Gewalt mit Gegengewalt antworten? Möglich, aber schwierig. Appeasement
       und noch ne Friedenskonferenz? Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut
       gemacht. Die Ursachen bekämpfen? Klar, aber welche waren es noch gleich?
       Terrorismus hat viele Gesichter, und manchmal ist ein Wichtelsäckchen
       heimtückischer als eine Kalaschnikow.
       
       Teile der Menschheit haben mühselig gelernt, jemanden mit anderer Meinung
       und anderen Vorlieben nicht einfach [3][niederzukartätschen.] Von diesen
       Teilen wiederum gehen viele nach Konflikten, seien sie politisch,
       arbeitsbedingt oder privat, voller Hass frustriert nach Hause. Das gute
       Motto „Bloß keine Gewalt“ wird nur halb befolgt, denn eine Form von Gewalt
       ist auch das, was man in Frustsituationen sich selbst zufügt. Der Ausweg
       zwischen Gewalt, die man anderen, und Gewalt, die man sich selbst zufügt,
       heißt: reden, reden, reden.
       
       ## „Ich war so wütend!“
       
       Das geht aber nicht immer. Gibt es keine Alternative? Doch. Von Kindern
       können wir lernen, mit solch schwierigen Situationen umzugehen. Der Sohn
       kam neulich wütend aus der Schule heim. Ein Freund hatte sich erst mit ihm
       gestritten und ihn dann gebissen. Empört zeigte er mir die Bissspuren am
       Arm. „Und wie hast du reagiert?“ – „Ich war so wütend! Ich wollte ihn
       hauen. Hab ich aber nicht gemacht.“ – „Sondern?“ – „Ich war so wütend. Und
       ich wusste nicht mehr weiter.“ – „Und dann?“ – „Dann hab ich ihm die Mütze
       vom Kopf gerissen und reingespuckt.“
       
       In die Mütze gespuckt. Da zuckt es in einem. Da streiten Ekel,
       Erziehungsauftrag und simples Gekicher miteinander. Laut loslachen geht
       nicht. Also erstmal die Bissspuren verarzten und dabei vorsichtig fragen,
       ob ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, dass die Reaktion falsch gewesen
       sein könnte. „Ja, ich weiß, dass das falsch war, aber ich war halt so
       wütend!“ Beide Kinder hätten dann eine Lehrerin ins Vertrauen gezogen.
       Beide hätten ihr gesagt, sie wüssten, dass sie etwas falsch gemacht hätten.
       Beide wollten sich aber nicht entschuldigen. Die Sache sei trotzdem aus der
       Welt, morgen werde wieder gemeinsam gespielt.
       
       Abends rief dann die Lehrerin bei uns an (und bei den Eltern des anderen
       Kindes auch). „Da ist heute in der Schule was vorgefallen“, eröffnete sie
       defensiv das Gespräch. „Wir haben schon darüber gesprochen“, erwiderte ich.
       Die Kinder hätten sich ja wieder vertragen, ob es unserem Sohn denn damit
       gutginge? „Ja, kein Problem. Ich war nur überrascht, dass er anderen in die
       Mütze spuckt.“ – „Ich auch.“ Wir schwiegen kurz und lachten lang. Das ist
       unpädagogisch. Doch Konfliktlösung muss nicht pädagogisch, sondern
       erfolgreich sein.
       
       Ganz nebenbei: Gerade bin ich sehr wütend auf Angela Merkel.
       
       9 Dec 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://de.wikipedia.org/wiki/A_Christmas_Carol
 (DIR) [2] http://www.facebook.com/michael.angele.18/posts/10201159410094044
 (DIR) [3] http://www.duden.de/rechtschreibung/kartaetschen
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maik Söhler
       
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