# taz.de -- Kolumne Macht: Von Mensch zu Mensch
       
       > Früher nahmen sich Politiker am Rande großer Trauerfeiern Zeit für
       > Gespräche. Kein gutes Zeichen, dass es heute anders ist.
       
 (IMG) Bild: Und ab zum Flieger. US-Präsident Obama mit Ehefrau (oben) und Ex-Präsident Bush mit Ehefrau kehren Südafrika nach Mandelas Trauerfeier den Rücken.
       
       Für 16 Uhr, gleich im Anschluss an die Trauerfeierlichkeiten, war ein
       Gespräch mit dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle geplant, um 19
       Uhr eine Begegnung mit dem britischen Premier Harold Wilson. Am nächsten
       Morgen stand ein Treffen mit US-Präsident Lyndon B. Johnson im
       Terminkalender. Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger hatte nach dem
       Staatsbegräbnis für Konrad Adenauer am 25. April 1967 viel zu tun.
       
       Auch Politiker können beim Abschied von einem der ihren trauern oder
       zumindest Wehmut empfinden, wie die Rede von US-Präsident Barack Obama auf
       der Trauerfeier für Nelson Mandela zeigt. Aber das ist bei Staatsakten
       nicht die Regel. Im Gegenteil: Für derlei Gelegenheiten gab es früher die
       viel sagenden Begriffe „Arbeitsbegräbnis“ und „Trauerdiplomatie“.
       
       „Es gilt, die Gunst des Arrangements zu nutzen“, schrieb der kürzlich
       verstorbene Reporter Jürgen Leinemann im Mai 1980 über die Stimmung im
       Umfeld der Beerdigung des jugoslawischen Präsidenten Josip Broz Tito. „So
       nahe, so unkonventionell, so ungestört von Behörden-Schwerfälligkeit trifft
       das Welt-Management sonst nicht zusammen.“
       
       Das sorgte für gelöste Stimmung: „Die Beerdigung, wenn erwähnt, nennen die
       Angereisten ’das Ereignis‘. Der Name Tito fällt kaum, höchstens vom ’großen
       Staatsmann‘ sprechen die Gäste. Daß aus den Lautsprechern dezente
       Trauermusik in die Halle rieselt, wer bemerkt es schon?“
       
       Gelegentlich kam ein derartiges Ereignis einer Regierung gerade recht. Als
       im Februar 1989 der japanische Tenno Hirohito zu Grabe getragen wurde, da
       schrieb Die Zeit: „Tokio als zeitweiliger Nabel der Welt: willkommene
       Gelegenheit für eine Regierung, sich als Gastgeber zu profilieren, die sich
       wegen neuer Korruptionsskandale in großen innenpolitischen Schwierigkeiten
       befindet.“
       
       Bundeskanzler Helmut Kohl und der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker
       begegneten sich zum ersten Mal am Vorabend der Beisetzung des sowjetischen
       Staatsoberhauptes Juri Andropow im Februar 1984 persönlich. „Richtig
       unkonventionell“ sei es zugegangen, soll Kohl laut Spiegel hinterher
       geschwärmt haben.
       
       ## Architekten der Einheit
       
       Nur gut ein Jahr später starb Andropows Nachfolger Konstantin Tschernenko,
       und bei dessen Beerdigung fand Michail Gorbatschow, der neue und letzte
       sowjetische Kremlchef, Gelegenheit zum Meinungsaustausch mit dem damaligen
       US-Außenminister George Bush, dem französischen Präsidenten François
       Mitterrand und mit Helmut Kohl. Sie alle sollten wenige Jahre später zu
       Architekten der deutschen Einheit werden.
       
       Natürlich ging es bei den meisten informellen Begegnungen am Rande von
       Staatsbegräbnissen auch um Dönekes, um Zwischenmenschliches – aber eben
       nicht nur. Sehr ernsthaft wurde meist die Gelegenheit genutzt, über so
       wichtige Themen wie Abrüstung und Entspannung zu sprechen. Ohne den mit
       offiziellen Treffen verbundenen Erwartungsdruck.
       
       Die Zeiten sind vorbei. Vom Staatsakt für Nelson Mandela wird der
       Händedruck zwischen US-Präsident Obama und dem kubanischen Präsidenten Raúl
       Castro im Gedächtnis bleiben. Eine wichtige symbolische Geste – aber eben
       auch nicht mehr. Kein Gespräch.
       
       ## Das Ende der bipolaren Welt
       
       Die Zeit ist schnelllebiger geworden, offizielle Trauergäste reisen heute
       meist so schnell wie möglich wieder ab. Daran allein liegt es jedoch nicht,
       dass die informelle Bedeutung von Staatsbegräbnissen schwindet. Es liegt an
       einem veränderten Klima seit dem Ende der bipolaren Welt.
       
       So lange es keine größere Angst gab, als die vor einem nuklearen Krieg der
       Supermächte, solange wurden freundliche Signale weltweit erleichtert
       begrüßt. Inzwischen ist vielerorts – nicht nur in Diktaturen – die Furcht
       größer, dass Versöhnungsbereitschaft als Schwäche gilt und zu
       innenpolitischen Problemen führt. Manche Spitzenpolitiker sind deshalb gar
       nicht erst zur Ehrung von Mandela angereist. Kein gutes Zeichen.
       
       13 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
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