# taz.de -- Kommentar Freilassung Chodorkowskis: Die Scheinöffnung
       
       > Die Begnadigung des Ex-Ölmagnaten ist eine gute Nachricht, aber kein
       > Grund für Euphorie. Putins Geste hat handfeste Gründe.
       
 (IMG) Bild: Wohl bald frei nach zehn Jahren: Michail Chodorkowski.
       
       Wer hätte das gedacht? Russlands prominentester politischer Gefangener,
       Michail Chodorkowski, könnte bald ein freier Mann sein. Und auch für die
       beiden inhaftierten Mitglieder der Frauenpunkband Pussy Riot dürften sich
       demnächst die Gefängnistore öffnen. Das sind wirklich einmal gute
       Nachrichten, und davon gibt es im Reich Wladimir Putins nicht viele.
       
       Doch jetzt in Euphorie zu verfallen, ginge total an der russischen Realität
       vorbei. Denn die Freilassung des früheren Ölmagnaten, der immerhin zehn
       Jahre abgesessen hat, ist eine Freilassung von Putins Gnaden. Dabei muss es
       für den Kremlchef schon ein erhebendes Gefühl gewesen sein, seinen
       Erzrivalen erst zu Kreuze kriechen zu sehen und jetzt publikumswirksam
       Milde walten zu lassen.
       
       Nein: Putins Gnadenbrot für einige seiner politischen Gegner hat weder
       etwas mit einem plötzlichen Sinneswandel des Kremlherrschers zu tun, noch
       sollte es den Blick für den wahren Charakter des Regimes trüben.
       
       Von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung von Menschenrechten
       kann keine Rede sein. Im Gegenteil: All diejenigen, die die Regierung
       kritisieren und dies auch noch öffentlich kundtun, oder diejenigen, die es
       satthaben, sich gängeln zu lassen, versucht der Staat aus dem Verkehr zu
       ziehen – ergo mundtot zu machen.
       
       ## Schauprozesse und Arbeitslager
       
       Dabei kann er sich auf eine willfährige Justiz als Erfüllungsgehilfin
       verlassen, die auch weiter Anweisungen von oben erhalten, die „Schuldigen“
       in Schauprozessen aburteilen und dann auf Jahre in Knästen und
       Arbeitslagern verschwinden lassen wird – wie eben beispielsweise Michail
       Chodorkowski.
       
       Dass ausgerechnet er jetzt in den Genuss Putin’scher Wohltaten kommt,
       dürfte vor allem auch mit den bevorstehenden Olympischen Winterspielen im
       kommenden Februar in Sotschi zu tun haben. Dort, vor der Kulisse
       potemkinscher Dörfer, möchte Putin sich und Russland feiern lassen. Dafür
       werden dann auch ein paar Schwule und Lesben in Kauf genommen, die sonst
       täglich im Land diskriminiert, gejagt und gelegentlich auch umgebracht
       werden. Und auch gelenkte Proteste, die in eigens dafür abgesteckten
       Sonderzonen stattfinden dürfen.
       
       Ob diese Begnadigung des einstigen Gegenspielers jedoch das Ende der Causa
       Chodorkowski bedeutet, bleibt weiter fraglich. Gegen ihn wird bereits
       erneut ermittelt.
       
       19 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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