# taz.de -- Bürgerkrieg im Südsudan: Leichengeruch in der Polizeiwache
       
       > Das Ausmaß der Massaker lässt sich kaum überblicken. Die Situation im
       > Südsudan wird immer unübersichtlicher. Eine britische Reporterin musste
       > fliehen.
       
 (IMG) Bild: Ein südsudanesischer Soldat in Bor.
       
       BERLIN taz | Simon lebt derzeit in der UN-Basis in Südsudans Hauptstadt
       Juba. Die britische Journalistin Hannah McNeish, die für AFP und BBC
       berichtet, fand ihn dort auf einer Matratze, mit vier Schusswunden. „Simon“
       ist ein Pseudonym, die wahre Identität des Mannes bleibt geschützt.
       
       Er sei verhaftet worden, als die Regierung von Präsident Salva Kiir Anfang
       vergangener Woche begann, mutmaßliche Anhänger des ehemaligen
       Vizepräsidenten Riek Machar unter dem Vorwurf des Putschversuchs
       festzunehmen, erzählte Simon der Reporterin. Mit bis zu 250 anderen Männern
       habe man ihn in eine Polizeiwache gepfercht. Dann hätten die
       Regierungstruppen durch die Fenster hindurch das Feuer eröffnet. Nur zwölf
       hätten überlebt, darunter er, Simon.
       
       Nachdem ein zweiter Überlebender diesen Ablauf bestätigte, suchte McNeish
       die fragliche Polizeiwache auf. Sie wurde „von Männern in Uniform und Zivil
       fortgeschickt“, schreibt sie. „Aber der Leichengeruch war überwältigend,
       alles war voller Fliegen, und die Mauern des Gebäudes waren mit Löchern
       übersät.“
       
       Einer der Wachleute notierte sich ihr Autokennzeichen und begann zu
       telefonieren, woraufhin sie lieber wegfuhr. Als ein hoher Militär McNeish
       auch noch der „Aufhetzung zum Völkermord“ bezichtigte, ließ sie sich vom
       US-Militär evakuieren. „Ich wurde als Spionin beschimpft“, erzählt sie der
       taz am Telefon, „und Lügnerin genannt.“
       
       Das mutmaßliche Massaker in Juba ist derzeit nicht verifizierbar. Die
       Überlebenden sagen, sie wurden verhaftet, weil sie zur Nuer-Volksgruppe von
       Exvizepräsident Riek Machar gehörten. Journalisten in Juba sagen, ganze
       Stadtteile, wo vor allem Nuer lebten, seien menschenleer. Hier und da seien
       Tote zu sehen. Und viele Geier.
       
       ## Systematische Tötungen
       
       Rund 500 Menschen, zumeist Nuer, sollen nach UN-Angaben in Juba getötet
       worden sein. Meuternde Nuer-Militärs wiederum haben seitdem mehrere
       Provinzstädte unter ihre Kontrolle gebracht und dort offenbar ebenso
       systematisch Dinka getötet, die der Ethnie des Präsidenten Salva Kiir
       angehören: erst in Bor, dann weiter nördlich in Bentiu und im derzeit
       umkämpften Malakal.
       
       Bor ist mittlerweile wieder an Regierungstruppen gefallen. Ein erstes
       TV-Team von al-Jazeera, das die Provinzhauptstadt am Nil am Mittwoch
       besuchte, filmte mit Leichen übersäte Straßen. Dinka-Opfer der Rebellen?
       Von Regierungssoldaten getötete Nuer? Es bleibt offen.
       
       Der taz liegen Informationen vor, wonach die Nuer-Rebellen in Bor
       verhindert hätten, schutzsuchende Ausländer mit Dinka-Nachnamen – also
       Südsudanesen mit zusätzlicher US-Nationalität – nach Juba zu evakuieren.
       Landesweit soll es zu Hinrichtungen auf ethnischer Grundlage gekommen sein,
       vor den Augen machtloser UN-Mitarbeiter.
       
       Das Ausmaß des Grauens lässt sich schwer überblicken. In Bentiu, eine
       Provinzhauptstadt in Rebellenhand, hätten UN-Mitarbeiter ein Massengrab mit
       75 Toten gefunden, berichtete am Dienstag das Büro des
       UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay – vermutlich Dinka-Soldaten.
       Später wurde die Zahl auf 34 korrigiert.
       
       ## „Aufbauschen“ eines Schusswechsels
       
       Einen Tag später erklärte die UN-Mission im Südsudan (UNMISS), es handele
       sich „möglicherweise“ um das „Aufbauschen“ eines Schusswechsels mit 15
       Toten. Der südsudanesische Rundfunksender Radio Tamazuj wiederum berichtet,
       das lokale Rote Kreuz habe Leichen eingesammelt – 34 in Bentiu und 82 in
       der Nachbarstadt Rubkona.
       
       Die UN-Mission UNMISS kann es sich nicht leisten, an ihren
       Stationierungsorten den jeweiligen Machthabern zu widersprechen. Sie ist
       dafür zu schwach. Ihr ziviles Personal hat sie nach Uganda evakuiert; und
       „in die Viertel, wo Tötungen stattfanden“, erklärt Journalistin Mc Neish,
       „wagt sich keine einzige UN-Patrouille.
       
       Am Dienstag stockte der UN-Sicherheitsrat UNMISS um 5.000 Soldaten auf
       12.500 auf. Die zusätzlichen Truppen, so UNMISS-Vizekommandeur Asit Mistry,
       sollen „hineintröpfeln“.
       
       26 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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