# taz.de -- Kommentar zum Holocaust-Mahnmal: Wie aus Pissen Politik wird
       
       > Wer jetzt angesichts der Pinkler vom Holocaust-Mahnmal von Schändung
       > redet, hat den Sinn dieses wohl wichtigsten deutschen Erinnerungsortes
       > nicht kapiert.
       
 (IMG) Bild: Vorbildliche Mahnmal-Besucher.
       
       Ein Mann pinkelt in aller Öffentlichkeit gegen eine Wand. Das kommt in
       Berlin andauernd vor – leider, muss man sagen –, und es sind nicht nur
       Betrunkene, die sich „erleichtern“. Ein politischer Akt ist das freilich
       nicht, sondern entweder eine Zeichen für fehlende öffentliche Toiletten
       oder für ein mangelhaftes Maß an Zivilisiertheit. Berlin eben.
       
       Mitten in dieser Stadt steht das Holocaust-Mahnmal mit seinen 2.711 Stelen,
       von seinem Architekten Peter Eisenman vor knapp zehn Jahren mit absoluter
       Absicht offen und unverstellt neben das Brandenburger Tor platziert. Quasi
       ins Herz der Republik, wo regiert, gedacht, an vielen Tagen im Jahr auch
       alles Mögliche gefeiert wird.
       
       Wird, wenn nun Berliner oder – wie im aktuellen Fall – sogar Touristen in
       der Silvesternacht gegen die Stelen urinieren, aus dem Pissen Politik?
       Nicht direkt. Es braucht dafür erst einige Aufgeregte, die es mit noch
       aufgeregteren Forderungen dazu machen.
       
       Wer jetzt angesichts der Pinkler vom Holocaust-Mahnmal von Schändung redet
       oder Sicherheitsvorkehrungen fordert, die an Grenzanlagen zwischen Staaten
       erinnern, muss sich fragen, ob er den Sinn dieses wohl wichtigsten
       deutschen Erinnerungsortes noch kapiert. Das Mahnmal steht dafür, dass der
       Holocaust Teil der Deutschen, ihrer Geschichte und sogar ihres Alltags ist.
       Zäune und Armeen von Sicherheitsleuten würden genau diese Untrennbarkeit ad
       absurdum führen. Und zu diesem Alltag wiederum gehören in dieser Stadt eben
       auch die öffentlichen, bisweilen besoffenen Pinkler.
       
       Das heißt nicht, dass Letzteres nicht verurteilt werden soll. Aber es
       krampfhaft verhindern zu wollen hieße zu verkrampfen. Das will im Umgang
       mit der Vergangenheit niemand. Vielleicht gelingt es ja in Zukunft, an
       etwas Anstoß zu nehmen, ohne gleich ins Martialische zu verfallen. Dafür
       muss man auch über unsere Debattenkultur nachdenken: Braucht denn jede
       Kritik unmittelbar einen vermeintlich kreativen Lösungsvorschlag? Kann
       nicht eine Aktion wie das Pinkeln auch schlicht und einfach falsch sein?
       
       Es wurden in den vergangenen Jahren bereits Hakenkreuze und andere
       Schmierereien auf den Stelen des Holocaust-Mahnmals entdeckt. Und wieder
       entfernt. Ohne aufgeregte Debatte.
       
       Anmerkung: Dieser Text nannte zuerst eine falsche Stelenzahl. Dies wurde
       korrigiert.
       
       9 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bert Schulz
       
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