# taz.de -- Die Wahrheit: Endlich Nichttänzer
       
       > Irgendwann im Leben jedes Mannes kommt der Moment, in dem er erkennen
       > muss: Männer können sich nicht bewegen, jedenfalls nicht so gut wie
       > Frauen.
       
 (IMG) Bild: Beim Auftritt: Angus Young spielt Musik und Hörnchen.
       
       Ich erinnere mich an eine Jahrgangsparty in einer umgebauten Garage, wo mir
       auf einmal alles klar wurde. Nicht alles, aber zumindest die Sache mit dem
       Tanzen. Die Musik hatte sich langsam, aber stetig in den Bereich der
       Anhörbarkeit bewegt, weil der Plattenteller von uns usurpiert worden war.
       
       Aus den großen Buchenfurnierboxen knallte P.I.L.s „This Is Not A Love
       Song“, und die Mädchen hatten ihren Widerstand gegen diesen „Krach“ endlich
       aufgegeben. Bei der letzten AC/DC-Runde Minuten zuvor waren ein paar von
       ihnen aufgestanden, um in der Mitte des Raumes den Beweis anzutreten, dass
       sie sich bewegen konnten. Im Gegensatz zu uns.
       
       Ich suchte eine Musik heraus, die man danach auflegen konnte, befand mich
       also in der glücklichen Beobachterposition, und jetzt wurde es mir
       schmerzlich bewusst. Der Kontrast tat beinahe weh, so offensichtlich zeigte
       er sich hier. Mein Geschlecht quälte sich, mal leichtathletisch-abgehackt,
       mal tollpatschig, meistens nur doof. Es war die Verbissenheit des neuen
       Rekruten, der beim Gleichschritt immer aus dem Takt kommt.
       
       „Act naturally!“, empfehlen US-Benimmbücher gern. Erst mal können, wenn man
       einen Besen im Arsch hat! Die besten Ergebnisse erzielten noch diejenigen,
       die sich an der handelsüblichen Luftgitarre versuchten. Da mussten
       möglichst synchron zum Gehörten Akkorde gebraten, Soli runtergenudelt
       werden, das war zwar auch nicht schön, hatte aber zumindest eine gewisse
       handwerkliche Solidität.
       
       Die Mädchen aber – tanzten. Rund, organisch, fließend. Das hatte Hand und
       Fuß. Sie brachten es fertig, den gesamten Körper in Bewegung zu versetzen,
       ohne dass da eine Extremität übrig blieb. Und sie beherrschten die Kunst
       der Variation. Ihre Handrotationen, Armschlängeleien, Hüftwippchen und
       Beckenschwünge wiederholten sich auch schon mal, aber immer wieder anders.
       Das wirkte nie wie auswendig gelernt, sondern stets unangestrengt, locker
       improvisiert.
       
       Woran lag das?, fragte ich mich damals. Vielleicht übten sie das einfach
       häufiger. Zu Hause vorm Spiegel. Einige der Mädchen machten dabei sogar die
       Augen zu, so entspannend wirkte es auf sie, so wenig Konzentration kostete
       es. Meine Leute indessen behielten sie auf, wachsam, angespannt, vielleicht
       um gleich reagieren zu können, wenn jemand lachte oder sich abfällig
       äußerte.
       
       Vielleicht dachte ich noch ein paar Wochen länger, ich könnte das besser.
       Aber die Saat des Zweifels war gesät. Und irgendwann wurde mir klar, ich
       war auch nur Fleisch von ihrem Fleisch. Ungelenk, ohne Anmut und Grandezza.
       Seitdem beschied ich mich, wenn die Musik tatsächlich einmal gesteigerten
       Bewegungsdrang auslöste, mit einer fundierten Luftgitarre, und andere
       körperliche Exaltationen überließ ich denen, die es konnten – den Mädchen.
       
       Ich glaube, solch ein Pfingsterlebnis hatte, auf die eine oder andere Art,
       fast jeder Mann. Deshalb ziert er sich, wenn es ums Gliederschütteln in
       größeren Gesellschaften geht. Jacques Cousteau hat schließlich auch keine
       Bergsteigerfilme gedreht.
       
       14 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Schäfer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Männer
 (DIR) Frauen
 (DIR) Tanzen
 (DIR) AC/DC
 (DIR) Spargel
 (DIR) Familie
 (DIR) Familie
 (DIR) Zirkus
 (DIR) Männer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) AC/DC-Konzert in Hannover: Grandioser Blödsinn
       
       Wer AC/DC stumpf nennt, hat gar nichts verstanden. In Hannover
       katapultieren sie sich zielsicher in einen Zustand gesteigerter
       Derangiertheit.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Wenn der A-Train kommt
       
       Ist die Frau am Steuer auch noch die eigene Mutter, kann es in der Kindheit
       zu belastenden Erlebnissen kommen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Hauptsache, kaputt
       
       Auch wenn der Nachwuchs im Auto sonst kaum vom Daddeln aufschaut, zeigt er
       sich bei Unfällen plötzlich geistesgegenwärtig.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Chefchens Rache
       
       Der Generationenkonflikt schreckt vor nichts zurück. Nicht einmal vor dem
       wohl behüteten Anekdotenschatz einer Familie.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Lange Haare, kurzes Metall
       
       Immer Ärger mit der Frisur: Die Metal-Szene ist auch nicht mehr das, was
       sie mal war.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Fred und der Troll
       
       Was passiert, wenn ein nicht gerade überbelichteter junger Mann am
       hellichten Tag auf einen hungrigen Zwerg trifft?
       
 (DIR) Die Wahrheit: Schnappt Shorty!
       
       Männer werden nie erwachsen. Sie spielen einfach zu gern. Und am liebsten
       spielen sie mit kleinen Männern.