# taz.de -- NSU-Prozess in München: „Mein Kopf ist wie eine Landkarte“
       
       > Der Polizist, der das Attentat von Heilbronn überlebte, sagt im
       > NSU-Prozess aus. An die Tat erinnert er sich kaum. Er leidet aber bis
       > heute an den Folgen.
       
 (IMG) Bild: Spurensicherung am 25. April 2007 in Heilbronn. Fast sieben Jahre später steht der Fall vor Gericht
       
       MÜNCHEN taz | Schnell sprach er, die Stimme klang unsicher, etwas zittrig:
       „Ich dachte, die Tat wird nicht mehr aufgeklärt“, sagte Marttin A. gestern
       im Münchner NSU-Verfahren gestern. Der Polizeibeamte ist der einzige, der
       einen Mordanschlags des mutmaßlichen NSU-Trios überlebt hat. Seine Kollegin
       Michèle Kiesewetter starb noch am Ort des Anschlags.
       
       Martin A. war am 25. April 2007 bei einem Attentat in Heilbronn schwer
       verletzt worden, an den Folgen leidet er noch immer. Bis heute hört er auf
       dem rechten Ohr schlecht und hat Gleichgewichtsprobleme. Den Tag des
       Anschlags schilderte Martin A. detailliert, kurz vor dem Attentat setzt
       seine Erinnerung jedoch aus. "Die zehn Minuten waren schwarz, die kamen
       nicht mehr wieder", sagte der 31-Jährige. Die Attentäter hatten ihm in den
       Kopf geschossen, er erwachte erst einige Wochen später aus dem Koma.
       
       Der Einsatz in Heilbronn am 25. April 2007 sei sein erster überhaupt nach
       der Polizeiausbildung gewesen, erzählte Martin A. - eigentlich hätte er
       eine Woche Urlaub gehabt. "Ich habe mich freiwillig gemeldet, weil ich noch
       keinen Einsatz hatte", sagte er. Inzwischen arbeite er nach einer
       Rehabilitation wieder als Polizeibeamter, allerdings nur noch im
       Innendienst. Er sei noch immer in Therapie.
       
       Auch Kiesewetter, bei ihrem Tod 22 Jahre alt, hatte sich erst wenige Tage
       vor dem Einsatz freiwillig für den Dienst gemeldet. Die Ermittler suchten
       ausführlich nach möglichen Verbindungen zwischen den NSU-Mitgliedern und
       der Polizistin, die ebenfalls aus Thüringen stammte - jedoch ohne Erfolg.
       Die Bundesanwaltschaft hält Kiesewetter und Martin A. für "Zufallsopfer" -
       die Terroristen hätten sie als Vertreter des ihnen verhassten Staates
       angegriffen. Andere bezweifeln diese Auffassung, und suchen nach
       Zusammenhängen.
       
       Für Martin A. war nach dem Angriff nichts mehr wie vorher. Er sei „in
       Tränen ausgebrochen“, als er vom Tod der Kollegin erfuhr, sagte er. „So
       einen Schuss steckt man nicht weg, auch nicht, dass die Kollegin neben
       einem einfach weg ist.“ Seitdem könne er nur schlecht schlafen. A.
       schilderte die schweren Behandlungen und dennoch bestehenden
       Beeinträchtigungen. Mit dem rechten Ohr könne er nur schlecht hören, der
       Gleichgewichtssinn sei gestört. „Mein Kopf sieht aus wie eine Landkarte,
       ein Teil des Projektils steckt noch im Gehirn“, sagte er.
       
       In Saal A 101 sagten zuvor fünf Polizeibeamte zu dem Anschlag aus, für das
       laut Anklage das Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe
       verantwortlich sein soll. An jenem Mittwoch 2007 erreichte um 14 Uhr das
       Polizeirevier der Anruf eines Taxifahrers: Polizeiauto offen, Beamte
       erschossen. Binnen zwei Minuten seien sie am Tatort an der Theresienwiese
       gewesen, sagte die Polizeibeamtin Kerstin K.: „Wir sind gerast.“
       
       Neben einen Trafohaus fand sie A. und Kiesewetter., so Kerstin K. Ihr
       Kollege, Joachim T., mit dem sie als Erste vor Ort war, stellte den Tod von
       Kiesewetter fest. T. habe erste Rettungsmaßnahmen für A. unternommen: „Er
       schlug seine Augen kurz auf.“ Beide stellten schnell fest, das die
       Dienstwaffen von Kiesewetter und A. fehlten.
       
       Jahre später, im November 2011, fanden Ermittler sie in dem Wohnmobile in
       Eisenach von Mundlos und Böhnhardt, wenige Tage später die beiden Tatwaffen
       und weitere Gegenstände von Kiesewetter im Brandschutt der gemeinsamen
       Wohnung in Zwickau. Die Tatbeteiligung scheint offensichtlich, der
       Tathintergrund blieb an diesem Verhandlungstag aber weiter unklar. Martin
       A. sagte gestern, er habe aus Akten und Presse die Tat rekonstruiert: „Ich
       will jetzt nur noch wissen, warum?“.
       
       In Kooperation mit Radio Lora München, [1][www.lora924.de]
       
       16 Jan 2014
       
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