# taz.de -- Ausstellung in der Kunsthalle Aarhus: Die Welt soll auseinanderfallen
       
       > Mit Science-Fiction und Marx auf dem Kassenbon richtet sich eine
       > Ausstellung im dänischen Aarhus gegen die Idee des Wachstums.
       
 (IMG) Bild: Jacob Kolding: How to Build a Universe that Falls Apart two Days Later, 2014.
       
       Überall sind junge Menschen unterwegs, auf dem Weg ins Fitnessstudio, zum
       Shoppen oder in die Bibliothek. Nicht nur weil Aarhus, die zweitgrößte
       Stadt Dänemarks, so geplant ist, dass man gut zu Fuß von A nach B kommt.
       
       Die Universität zählt genauso viele Studenten wie die Uni Köln, obwohl die
       Einwohnerzahl nicht mal ein Drittel der Kölner Bevölkerung ausmacht. Die
       Folge ist eine beeindruckende Demografie: die BewohnerInnen von Aarhus sind
       weitaus jünger und besser ausgebildet als der dänische Durchschnitt.
       
       Dass im Aros, dem großen Kunstmuseum der Stadt, derzeit eine Ausstellung
       mit biederen Malereien der 74-jährigen dänischen Königin Margarete II.
       läuft, mutet da wie eine Farce an. Mit seinem traditionsorientierten
       Angebot wirkt das Museum eher wie ein Fremdkörper inmitten des progressiven
       Orts.
       
       Das junge, anspruchsvolle Publikum zieht es deshalb in einen anderen,
       deutlich kleineren Kunstraum, der sich unweit des Aros-Museums in einer
       Gasse versteckt.
       
       ## Wissbergierig, aufgeregt
       
       Besonders in den letzten eineinhalb Jahren hat die Kunsthal Aarhus stetig
       steigende Besucherzahlen verzeichnet. Zur Eröffnung der Ausstellung der
       Konzeptkunst-Reihe Systemics wird das Haus förmlich überlaufen von
       aufgeregten, wissbegierigen Menschen. Die Reihe ist das Projekt, mit dem
       Joasia Krysa im Mai 2012 den Posten der Künstlerischen Leiterin angetreten
       hat. Die gebürtige Polin kam direkt von der Documenta 13 nach Aarhus, um
       der Kunsthal ein neues Profil zu verleihen.
       
       Zuvor hatte Krysa unter anderem die Medienkunst-Biennale in Breslau
       kuratiert und viele Jahre in England unterrichtet. Ihre Forschung
       konzentriert sich auf die Schnittstelle von Kunst, Technologie und
       Philosophie.
       
       In der Praxis aber fand Krysa wenig Transdisziplinarität vor, weshalb sie
       aus der Kunsthal einen Ort der Begegnung schaffen wollte. Gemeinsam mit der
       Universität Aarhus veranstaltet sie regelmäßig Seminare, lädt Informatiker
       und Ökonomen zum Diskurs ein. Ausstellungen lässt sie auch von lokalen
       Künstlern kuratieren, und sie nimmt sich viel Zeit für Presse wie Social
       Media.
       
       „Alles Wissen ist miteinander verbunden“, sagt Joasia Krysa am Tag nach der
       Vernissage. „Unsere Welt ist so komplex, weil das menschliche Denken so
       komplex ist. Und um die Welt ein Stück weit verstehen zu können, muss man
       alle Wissensressourcen zusammenbringen.“ Dass das Angebot der Konzept- und
       Medienkunst in Aarhus so gut funktioniert, überrascht Krysa nicht. „Was Sie
       hier sehen, ist alles mit dem Alltag des modernen Menschen, mit unserem
       Leben verlinkt. Das interessiert doch jeden.“
       
       ## Ressourcen verbinden
       
       „Against the idea of growth, towards poetry (or, how to build a universe
       that doesn’t fall apart two days later)“ lautet der sperrige Titel der
       Ausstellung, der sich auf die Schriften zweier Denker bezieht. Der erste
       Teil beruft sich auf den marxistischen Theoretiker Franco „Bifo“ Berardi
       und sein Manifest gegen den Teufelskreis von kontinuierlichem Wachstum und
       der damit einhergehenden Verschuldung.
       
       Der zweite Teil ist der Titel eines Essays des amerikanischen
       Science-Fiction-Autors Philip K. Dick. Darin spricht sich Dick tatsächlich
       für das Erschaffen einer Welt aus, die anschließend wieder
       auseinanderfällt, weil eine solche Welt keinen autoritären Blick auf das
       Leben, also keine dominierende Wahrheit zuließe.
       
       In direkter Anlehnung an diese Idee hat der visuelle Künstler Jakob Kolding
       eigens für die Kunsthal eine gleichnamige Posterreihe angefertigt. In
       Dreiecksform arrangiert Kolding Schnipsel aus Fotografien und Kunstdrucken
       mit Bezügen zu Wirtschaft, Technologie, Natur und Fiktion als
       gleichwertigem Nebeneinander.
       
       Jedes der acht Postermotive, das den Besuchern zum Mitnehmen angeboten
       wird, unterscheidet sich vom anderen und folgt doch derselben
       Kompositionslogik. An einer Wand am Ende des Raums wird vorgeführt, wie
       sich die Poster nebeneinander durch unzählige Variationen zu einem großen,
       unbegrenzten Muster zusammensetzen und wieder auseinanderlegen lassen.
       
       ## Nicht wegschmeißen
       
       Um das Dekonstruieren geht es auch Mogens Jacobsen, einem dänischen Pionier
       der Netzkunst. In seiner Arbeit „360“ lässt Jacobsen mithilfe eines
       Algorithmus die beiden ökonomischen Basistexte „Das Kapital“ von Karl Marx
       und „Der Wohlstand der Nationen“ von Adam Smith zu einem einzigen, nicht
       endenden Text verschmelzen.
       
       Angezeigt wird dieser auf dem winzigen Bildschirm des maßstabsgetreu
       gebauten Modells des IBM System/360 – des 1,80 Meter hohen Großrechners von
       1964. Auf Knopfdruck lässt sich der neu generierte Text entweder auf einem
       Kassenbon ausdrucken oder über Twitter in die unendliche Informationshalde
       des Internets schicken.
       
       In starkem Kontrast zu diesen sehr sterilen Arbeiten steht die raumfüllende
       Installation „Waste Not“ des chinesischen Künstlers Song Dong. Mehr als
       zehntausend Alltagsobjekte – von kaputten Kleiderhaken bis hin zu Töpfen
       und Plastiktüten – sind hier zu einer Art muffiger Landschaft ausgelegt.
       Unter den Nöten der Kulturrevolution Mao Zedongs in den 60er- und
       70er-Jahren galt das Credo, jede Ressource müsse ausgewrungen werden.
       
       So hat Songs Mutter im Laufe von fünf Dekaden all den Kram angesammelt, den
       ihr Sohn nunmehr seit Jahren um die Welt verfrachten lässt, um ihn
       auszustellen. Selten hat man die Idee von dem unbedingten Wachstumsdrang so
       eindrücklich vor Augen gehabt.
       
       23 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fatma Aydemir
       
       ## TAGS
       
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 (DIR) Medienkunst
 (DIR) Poesie
       
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