# taz.de -- Auf 13 Joints mit Helmut Höge: Das Klingeln des Butterfasses
       
       > Wir treffen uns mit Helmut Höge auf 13 Joints – oder so. Er ist
       > taz-Autor, taz-Hausmeister und Tierforscher. Dritter Teil: Essen.
       
 (IMG) Bild: Schmeckt man, ob der Bauer beim Schleudern der Butter gute oder schlechte Laune hatte?
       
       Helmut Höge kommt gerade vom Zahnarzt. „Nichts schlimmes“, sagt er, und das
       ist gut, denn die meisten Dinge gehen besser ohne Zahnschmerzen. Zum
       Beispiel: auf dem taz-Sofa an der Tür zum Dachgarten zu sitzen, gemeinsam
       zu rauchen und über Essen zu sprechen. Das haben wir nämlich jetzt vor.
       
       Im taz-Cafe gab es heute marinierten Broccoli mit Kreuzkümmel und Guacamole
       auf Escariol und draußen ist es noch einmal so richtig kalt geworden. Ein
       Wind zieht das Treppenhaus in den fünfeinhalbten Stock und es ist eine
       schöne Vorstellung jetzt ein Feuer anzumachen.
       
       Helmut dreht, das Feuerzeug klickt, die Jointspitze glüht. Es wird ein
       bisschen warm.
       
       Gerade habe ich noch gesehen, dass die neueste Essensstudie, die im
       Nachrichtenticker zu finden ist, beweist, dass Schimpansen, die ihre
       Nahrung teilen, einen höheren Spiegel des Wohlfühlhormons Oxytocin
       aufweisen als andere Artgenossen.
       
       Das sind so Sachen, die Helmut Höge, taz-Autor und Aushilfshausmeister,
       gefallen könnten.
       
       „Bei uns wurde das früher nicht so zelebriert mit dem Essen“, sagt Helmut.
       Seine Mutter war ja Bildhauerin, gegessen wurde zwischendrin. Helmut selbst
       hat das Kochen dann in den WGs gelernt. Pfannkuchen. Spaghetti mit „wie
       heißt dieses Zeug in den Gläsern drin?“ Pesto.
       
       Das mit dem richtigen Genuss, das kam dann später.
       
       In der Landkommune an der Weser, als ihnen die Bauern zeigten, wie das geht
       mit dem Gemüse und wie man den alten Brotofen wieder ankriegt. Da wurde die
       volle Milchkanne vom Nachbarhof immer auf den Brunnenrand gestellt, im
       Sommer in eine Schüssel mit Wasser. Und wenn Helmut oder einer der anderen
       sie später ins Haus holte, hatte sich oben schon dick der Rahm abgesetzt.
       Das schmeckte dann alles richtig gut, wenn man sogar vielleicht noch diese
       gute Gewächshausluft in der Nase hatte. Dunkle Erde, Pflanzen, Feuchte.
       
       ## Die Tür zur Milchkammer halb offen
       
       Oder später beim Abendbrot bei einem der Bauern, für die er gearbeitet hat.
       Helmut hatte damals diese Hannoveranerstute, mit der er von Hof zu Hof zog,
       „ich wollte ihr die Welt zeigen“, sagt er. Und auf einem dieser Höfe
       jedenfalls saß er abends immer mit allen in der Küche, die Tür zur
       Milchkammer halb offen und dort saß die Bäuerin mit dem Butterfass. Die hat
       gedreht und dabei Lore-Romane gelesen, diese Heftromane, einen nach dem
       anderen. Und immer mal wieder, „nicht bei jeder Umdrehung“, aber immer mal
       wieder, hat die Zentrifuge beim Buttern dann so geklingelt.
       
       Oder noch später, als Hans den ersten Bioladen Berlins am Savignyplatz
       hatte und Helmut manchmal half, „Haferflocken in Tüten füllen und sowas“
       und dann auch mitkam, wenn Hans abends Sachen aus seinem Laden nahm, um
       damit was zu kochen. Hans nahm die kleine verschrumpelte Karotte und hielt
       sie sich lange unter die Nase. „Durch Hans Nase und Hände wurde das
       veredelt“, sagt Helmut.
       
       Dass man das alles mitschmeckt, die Erde, das Butterfassklingeln, Hans'
       Passion, das hat sich Helmut ja nicht ausgedacht. „Man schmeckt mit der
       Nase“, sagt er, die Zunge kann nur die vier Grundgeschmäcker: süß, sauer,
       salzig, bitter. Bei Bienen sind es übrigens dieselben vier, sagt Helmut. Er
       arbeitet nämlich gerade zu Bienen.
       
       Er hat sogar mal dieses Experiment gemacht: Von Italien mit Tomaten,
       Spaghetti, Wein und Kräutern im Kofferraum ist er mit einem Rutsch nach
       Deutschland durchgefahren. Und hat das dann am nächsten Mittag gekocht.
       „Schmeckte überhaupt nicht mehr gut“, sagt Helmut.
       
       ## Es geht um das Verhältnis zu den Dingen
       
       Deshalb braucht man beim Italiener auch diese komische Deko und die
       italienischsprechenden Türken, damit es schmeckt wie in Italien. Das ist
       seine These. Dass es um das Verhältnis zu den Dingen geht. „An Bio heute
       habe ich das Interesse verloren“, sagt Helmut. „Wenn man tausend
       Bio-Salatköpfe hat kann man mir nicht sagen, dass es das noch ein
       besonderes Verhältnis ist, das man zum Salatkopf hat“.
       
       Es ist noch kälter geworden im fünfeinhalbten Stock der taz. Wenn man sich
       tiefer ins Sofa sinken lässt, quillt das graue Polster durch die Risse. Der
       zweite Joint.
       
       Und die Gesundheit, Helmut? Hast du beim Essen schonmal an Gesundheit
       gedacht?
       
       „Einmal vor kurzem“, sagt Helmut. Nach einer Journalistenreise durch Polen,
       „Fresstour“, rumorte der Bauch. Ein paar Tage hat er dann nur Alete
       gegessen, diese Babybreigläser, und Möhrensaft statt Kaffee. Es ging ihm
       besser danach.
       
       Kennen Sie das auch? Das komische Gefühl angesichts von 1.000
       gleichförmigen Bio-Salatköpfen? Den guten Geschmack der selbstangebauten
       Schrumpel-Karotte? Oder ist Ihnen das alles viel zu gefühlig und sie haben
       bessere Vorschläge zur Revolutionierung unseres Genusses? Diskutieren Sie
       mit! 
       
       Die Titelgeschichte „Die Bauchentscheidung“ über die Optimierung unseres
       Essen und die Frage, was das mit dem Genuss macht, lesen Sie in der taz. am
       wochenende vom 25./26. Januar 2014.
       
       25 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Luise Strothmann
       
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