# taz.de -- Joachim Gauck in Birma: Zu Gast in der Retortenstadt
       
       > Beim Besuch des Bundespräsidenten werden die Probleme der Vergangenheit
       > ausgespart. Der Blick wird in die Zukunft gerichtet
       
 (IMG) Bild: Gauck besuchte auch Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Ky.
       
       NAYPYIDAW taz | 31 Gebäude mit breiten Auffahrten, hallenden Gängen,
       enormen Kronleuchtern und teils goldfarbenen Möbeln sowie einer
       Zufahrtsstraße, die so breit ist, dass auf ihr Flugzeuge landen könnten:
       Das Parlament von Birma kann sich sehen lassen.
       
       Doch die zehnspurige Betonpiste ist leer, so wie das ganze Gelände – obwohl
       die Volksversammlung gerade tagt, wie Offizielle in Birma an diesem Tag
       versichern. Am Tor wachen Soldaten mit Stahlhelm, bis auf ein paar
       Bedienstete ist kein Mensch zu sehen. In gleißender Mittagssonne windet
       sich am Montag wie ein schmaler Wurm eine Autokolonne in seine Richtung:
       Bundespräsident Joachim Gauck besucht Birmas Retorten-Hauptstadt Naypyidaw,
       die seit 2006 Regierungssitz des Landes ist.
       
       Und spätestens in dieser Kunstmetropole mit ihrem vom Volk abgeschotteten
       Parlamentskomplex muss ihm aufgefallen sein, welchen schweren Weg die
       Birmesen noch vor sich haben, wenn sie den Militärs die Macht entwinden
       wollen. Seit 1962 kontrollieren Generäle und Obristen das Land, auch heute
       noch hat die Armee sich ein Viertel der Sitze im Parlament gesichert.
       
       Parlamentspräsident und Exgeneral Thura Shwe Mann erläutert die Pläne für
       eine Verfassungsreform. Auch einige Abgeordnete sind da, darunter
       überraschend die Chefin der größten Oppositionspartei National League for
       Democracy (NLD), Aung San Suu Kyi. Mit gelben Rosen im Haar sitzt sie
       aufrecht auf ihrem Stuhl und sagt kein einziges Wort.
       
       ## Geste des guten Willens
       
       Zuvor sprach Gauck mit Staatschef Thein Sein im Präsidentenpalast. Beide
       Länder hätten seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen vor 60
       Jahren immer ein gutes Verhältnis gepflegt, sagt Gauck. Er übergeht
       diplomatisch, dass sich die Bundesrepublik den Sanktionen gegen die Junta,
       die bis 2011 herrschte, angeschlossen hatte und sich sogar damit schwer
       tat, Entwicklungshilfe-Projekte zu bewilligen.
       
       Auch sein Gastgeber bügelt die Vergangenheit glatt: Deutschland habe immer
       zu Birma gehalten, sogar „als in den letzten 20 Jahren bestimmte westliche
       Länder erheblichen Druck auf uns ausgeübt haben“.
       
       Er sei gekommen, um zu „würdigen, was gegenwärtig hier geschieht“, erklärt
       Gauck. „Sie können in Zukunft auf Deutschland zählen, wenn sie den
       begonnenen Weg fortsetzen.“ Als Geste des guten Willens streicht die
       Bundesregierung Birma über 500 Millionen Euro Schulden. „Wir wollen, dass
       das Land bald wieder kreditwürdig wird“, sagt ein deutscher Diplomat.
       
       Doch noch ist Birma ein Sorgenland: Seine Bevölkerung gehört zu der ärmsten
       der Welt, die Justiz ist korrupt, in manchen Regionen kämpfen ethnische
       Rebellen gegen die Armee. Politisch ist nicht klar, ob das Militär
       irgendwann bereit sein wird, seine Sperrminorität im Parlament aufzugeben -
       und ob Aung San Su Kyi bei den Wahlen 2015 im Fall eines Sieges ihrer
       Partei Präsidentin werden kann. Noch blockiert dies ein Verfassungsartikel,
       weil ihre Söhne britische Staatsbürger sind.
       
       Am Nachmittag trifft sich Gauck schließlich mit ihr. Sie gehöre zu jenen
       Persönlichkeiten, die ein Vorbild für ihn seien: „weil sie ein sicheres
       Urteil hat, begründet auf Werten“, sagt er „und weil sie die Fähigkeit zum
       Kompromiss besitzt. Nach dem Gespräch sieht Gauck Anlass zur Hoffnung: Er
       habe nicht den Eindruck, dass das Land auf einem falschen Weg sei. Und Aung
       San Suu Kyi verkündet: Politische Reformen könnten, wenn sie „im Geist der
       Versöhnung“ erfolgen, nicht schnell genug gehen.
       
       10 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jutta Lietsch
       
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