# taz.de -- Kommentar BGH-Urteil Pflegekosten: Freibrief für Elternversagen
       
       > Das Urteil zum Elternunterhalt ist skandalös, weil es rein biologistisch
       > argumentiert. Die heute gelebte familiäre Vielfalt lässt es
       > unberücksichtigt.
       
 (IMG) Bild: Das BGH glaubt an Blutsbande. Und vermutlich auch an den Storch.
       
       Emma Thompsons Mutter muss sich nicht fürchten. Jeden Abend wird die
       81-Jährige im Wohnzimmer ihrer Tochter willkommen geheißen und kann damit
       rechnen, von der britischen Schauspielerin umsorgt zu werden, falls sie
       betreut werden müsste – vor allem finanziell.
       
       Genau so wünscht sich das offensichtlich auch der Bundesgerichtshof laut
       seinem jüngsten Urteil: Kinder müssen in jedem Fall für die Pflege ihrer
       Eltern aufkommen. Selbst dann, wenn Mutter und Vater den Kontakt zum Kind
       abgebrochen haben.
       
       Eine fatale, rein biologistische Argumentation: Demnach ist Familie gleich
       Blutsbande und hat füreinander da zu sein – Zusammenhalt hin oder her.
       
       Was folgt daraus? Eltern dürfen machen, was sie wollen, selbst auf ganzer
       Linie versagen. Später, wenn die Kinder erwachsen sind, dürfen sich Mutter
       und Vater den Sorgen und Nöten ihrer Kinder entziehen. Kein Problem, denn
       wenn es hart auf hart kommt, im eigenen Pflegefall zum Beispiel, haben sie
       ja das Recht, ihre sonst vergessenen Kinder herbeizuzitieren – und für sich
       zahlen zu lassen.
       
       Das Urteil lässt auch die heute gelebte familiäre Vielfalt
       unberücksichtigt: Patchworkfamilien, Mehrfachehen, unverheiratete Paare mit
       Kindern. Demnächst dürfte es nicht wenige Kinder geben, die qua Gesetz für
       ihre biologischen Eltern aufkommen müssen. Und zusätzlich für soziale (und
       freiwillig gewählte) Angehörige. Sieht so der oft und gern bemühte
       Generationenvertrag aus?
       
       Politisch ist das Urteil erst recht skandalös. Pflege ist seit Jahrzehnten
       das Stiefkind der Politik, wichtigstes Stichwort: chronische
       Unterfinanzierung. Jetzt wird hier also verfahren wie bei der
       Bankenrettung: Politische Fehlentscheidungen trägt die Gemeinschaft. Mit
       dem großen Unterschied, dass bei der Pflege die Gemeinschaft mitunter sehr
       klein ist.
       
       12 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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