# taz.de -- Belgien und die Sterbehilfe: Leiden kennt kein Alter
       
       > In Belgien ist jetzt auch Sterbehilfe für Kinder erlaubt. Was macht so
       > eine Haltung mit der Gesellschaft? Ein Arzt, ein Priester und ein
       > Politiker erzählen.
       
 (IMG) Bild: Hier beginnen neue Zeiten: Blick auf die Intensivstation der Königin-Fabiola-Kinderklinik in Brüssel.
       
       BRÜSSEL/ROOSENDAAL taz | Es ist ein Sonntagmorgen im April 2008. Der junge
       Kinderarzt Joris Verlooy steigt in sein Auto. Die Sonne scheint, man könnte
       mit den Vögeln zwitschern, doch Dr. Verlooy nimmt den Frühling kaum wahr.
       Sein Kopf ist voll, eine Last drückt ihn tief in den Sitz. 30 Kilometer
       sind es bis ins Städtchen Terneuzen. Raus aus Gent, über die Grenze in die
       Niederlande, dann weiter bis an die Westerschelde.
       
       Er hat die Strecke oft zurückgelegt, nun ist es das letzte Mal. Janine wird
       heute sterben. Das ist das Einzige, was man noch für sie tun kann.
       
       Sieben Jahre lang war Janine seine Patientin, beinahe ihr halbes Leben,
       abgesehen von den paar Jahren, bevor die Leukämie zurückkam. Sie ist 17,
       Joris Verlooy ist 38. Am Universitätskrankenhaus von Gent leitet er das
       Kinder-Palliativ-Team.
       
       Er denkt an die Chemotherapie, die nicht ganz anschlug. Er erinnert sich an
       die Entscheidung, es mit einer Stammzellentransplantation zu versuchen,
       darauf ist das Krankenhaus spezialisiert. Selten hat der Arzt erlebt, dass
       jemand diese Therapie so gut übersteht wie Janine. Nach ein paar Wochen
       schon konnte sie nach Hause.
       
       Doch dann gab es Komplikationen: Janines Immunsystem war angegriffen, die
       Lungen funktionierten nicht mehr richtig. Das Cortison schwächte sie
       zusätzlich, sie bekam immer weniger Luft, trotz des Sauerstoffapparats.
       Meistens, wenn Verlooy zu Besuch kam, hatte sich ihr Zustand wieder
       verschlechtert.
       
       ## Heute wird sie die zwei Spritzen bekommen
       
       Eines Tages konnte Janine nicht mehr. Zuerst sagte sie es ihren Eltern. Die
       Eltern weihten den Hausarzt ein. Er stimmte zu. Ein unabhängiger zweiter
       Arzt wurde konsultiert. Auch er hat zugestimmt, vor zwei Tagen. Gestern
       nahmen Freunde und Familie Abschied von Janine. Heute wird sie die zwei
       Spritzen bekommen. Vom Hausarzt, nicht von Verlooy, er praktiziert in den
       Niederlanden nicht. Weil Janine ihn gebeten hat, zu kommen, biegt er jetzt
       in ihre Straße ein.
       
       Das Haus. Noch mehr Blei in den Schuhen. Aber es geht nicht anders, denkt
       er. Janine ist zu schwach, um wach zu bleiben, doch selbst zum Schlafen
       reicht ihr der Sauerstoff nicht mehr. Was bleibt dann noch?
       
       Die Tür öffnet sich. Der Hausarzt, die Eltern, die Geschwister, noch ein
       paar Menschen, die er nicht kennt, stehen in Janines Zimmer. Inzwischen ist
       es ein Zimmer wie in einer Klinik. Zusammen mit den Eltern tritt Dr.
       Verlooy nun an Janines Bett. Noch einmal fragen sie, ist es wirklich das,
       was du willst? Janine, sagt Ja. Klar und deutlich.
       
       Brüssel, knapp fünf Jahre später: Im belgischen Senat liegt Spannung in der
       Luft. Eben ist die Leiterin der Intensivstation des Kinderkrankenhauses in
       Antwerpen deutlich geworden. „Es ist offenkundig, dass Minderjährige heute
       schon Sterbehilfe empfangen. Wir alle wissen das.“ Der Senat hält an diesem
       Tag im Februar 2013 eine Anhörung ab. Die erste Parlamentskammer ist in
       Belgien der Ort, um große ethisch-politischen Fragen zu diskutieren: Ärzte
       und Experten sind geladen. Denn es liegt ein heikler Gesetzentwurf vor: Das
       „Euthanasiegesetz“, das seit 2002 die aktive Sterbehilfe erlaubt, soll
       künftig auch für Minderjährige gelten.
       
       Joris Verlooy tritt ans Rednerpult. Aus den schweren Sesseln mit
       dunkelrotem Polster beugen sich die Abgeordneten nach vorn. Er sagt, wie
       gefährlich es sei, über diese Fälle zu sprechen. Aber er tut es doch, weil
       Janine damals zwar in Gent behandelt wurde, aber in den Niederlanden
       wohnte. Dort ist Sterbehilfe schon seit 2001 für Kinder ab 12 legal. Dann
       erzählt er die Geschichte des Mädchens, das eigentlich nicht Janine heißt.
       Aus Rücksicht auf die Eltern behält der Arzt ihren Namen für sich.
       
       Die Politiker lauschen gebannt. Besonders ein junger Senator. Er hat eine
       auffällige Erscheinung, schlaksig, mit halblangem blonden Haar und
       akkuratem Dreitagebart.
       
       ## Der Vater des Gesetzes
       
       Jean-Jacques De Gucht ist ein Popstar der belgischen Politik, seit er mit
       23 in den Senat gewählt wurde. Doch er ist viel mehr: Er gilt als Vater
       dieses Gesetzes, 2008 hatte er den ersten Entwurf eingereicht. Erst wehrten
       sich die Christdemokraten, ihn auf die Agenda zu setzen. Danach fielen die
       belgischen Regierungen in immer schnellerer Folge, sofern überhaupt eine im
       Amt und voll funktionsfähig war. Erst 2013 wendet sich der Senat dem Thema
       zu.
       
       Was kümmert einen politischen Newcomer mit Mitte 20 der Todeswunsch
       unheilbar Kranker? Wer bei De Gucht eine biografische Nähe vermutet, liegt
       falsch. Die Eltern leben noch, von Schicksalsschlägen in der Familie blieb
       er verschont. Sein Grund ist simpel und hat sieben Buchstaben: liberal. Das
       ist seine innerste Überzeugung. „Mit liberalen Grüßen, Jean- Jacques“,
       unterschreibt er den Willkommensgruß auf seiner Website. Wer ihn treffen
       will, wird ins Hauptquartier der Liberaldemokraten im Zentrum von Brüssel
       eingeladen.
       
       Drei Sätze. Mehr braucht De Gucht nicht, um sein Engagement für die
       Sterbehilfe auf den Punkt zu bringen: „Die Grundidee ist
       Entscheidungsfreiheit. Und das Wichtigste, über das man entscheiden kann,
       ist das eigene Leben. Meine Aufgabe als Politiker ist es, Menschen die
       Möglichkeit dazu zu geben.“ Ob er selbst Sterbehilfe in Anspruch nehmen
       würde, weiß der Senator nicht. Er hat Angst vor dem Tod. Erst recht, seit
       vor einem halben Jahr sein Sohn Jack geboren wurde. Ihn nicht aufwachsen
       sehen zu können – eine qualvolle Vorstellung.
       
       Sicher ist er sich aber einer Sache: Er will, im Falle eines Falles, selbst
       entscheiden können. „Ich finde es beunruhigend, dass Menschen anderen diese
       Freiheit nehmen wollen.“
       
       Als Belgien in 2002 die Sterbehilfe für Erwachsene legalisierte, studierte
       De Gucht noch Sozialwissenschaften. In der Zeitung des liberalen
       Studentenverbands schrieb er damals erste Artikel für eine Ausweitung
       dieses Gesetzes. Seitdem hat ihn das Thema nicht mehr losgelassen. 2013
       veröffentlicht er ein Plädoyer in der Tageszeitung De Tijd. 
       
       ## Mehr Reife als Gleichaltrige
       
       Von einer „diskriminierenden Lücke im Gesetz“ ist dort die Rede, die
       Minderjährigen das Recht auf Selbstbestimmung nehme. Es ihnen zu geben, sei
       ein „Akt der Menschlichkeit“. De Gucht sagt, schwerkranke Minderjährige
       hätten durch ihr Schicksal oft mehr Reife als Gleichaltrige. Kinderärzte
       bestätigen das. „Emotionales Alter statt Kalenderalter“ soll deswegen
       Kriterium für Sterbehilfe sein.
       
       Auch die meisten Kollegen im Senat geben De Gucht recht. Im November 2013
       nimmt das belgische Oberhaus mit 50 zu 17 Stimmen seine Novelle an. Jetzt
       muss nur noch die zweite Kammer des Parlaments zustimmen. Jean-Jacques De
       Gucht rückt an diesem Tag in die Scheinwerfer der Weltöffentlichkeit.
       
       CNN fragt ein Live-Interview mit Christiane Amanpour an. Die
       Starjournalistin ist außer sich. „Finden Sie das nicht furchtbar?“,
       herrscht sie ihn an, fällt ihm immer wieder ins Wort. Später sagt De Gucht,
       er habe sich seine CNN-Premiere romantischer vorgestellt. „Eigentlich waren
       ihre Fragen immer gleich: Wie fühlt man sich als Kindermörder?“
       
       ## Die Verhältnisse haben sich verändert
       
       Unbekannt ist ihm dieses Terrain nicht. De Gucht bekommt bis heute
       entrüstete E-Mails. Man wirft ihm vor, er wolle Eltern ein legales Mittel
       in die Hand geben, um sich von der Last ihrer todkranken Kinder schneller
       zu befreien. Ihn gruselt bei der Vorstellung. Aber er weiß auch, die
       Verhältnisse haben sich verändert. Die meisten Belgier begrüßen die
       Sterbehilfe, auch für Minderjährige. 2007 schieden 500 Menschen so aus dem
       Leben, 2009 waren es 800, 1.050 in 2011. Jährlich unterzeichnen mehr als
       10.000 Belgier eine Patientenverfügung – für den Fall, dass sie
       unwiderruflich im Koma landen.
       
       Die Zustimmung spiegelte sich auch am Donnerstag im Parlament. „Ein
       17-Jähriger kann genauso leiden wie ein Erwachsener“, sagt De Gucht noch
       einmal in der Debatte. „Aber er hat nicht die gleichen Rechte.“ Bei der
       endgültigen Abstimmung votieren 86 Abgeordnete mit Ja und 44 Abgeordnete
       mit Nein, 12 enthalten sich.
       
       Um die Jahrtausendwende sah es noch ganz anders aus: Bevor Belgien als
       zweites Land weltweit die Sterbehilfe legalisierte, gab es heftige
       Auseinandersetzungen zwischen liberalen und katholischen Kreisen. Heute,
       sagt der Senator, drehe sich die Debatte nicht mehr um Glauben, sondern um
       Menschen. „Viele Menschen haben einfach ihre Erfahrungen mit Leiden
       gemacht.“
       
       ## Mahnwachen in Basiliken
       
       Trotzdem: Die religiösen Kräfte wehrten sich bis zuletzt gegen die
       Ausweitung der Sterbehilfe. Anfang Februar riefen die katholischen Bischöfe
       dazu auf, zu beten und zu fasten. Auch Mahnwachen in mehreren Basiliken
       sollten helfen, das Gesetz in letzter Minute zu verhindern. Schon im
       November hatten jüdische, muslimische und christliche Repräsentanten
       gemeinsam einen offenen Brief verfasst und den wachsenden Individualismus
       angeklagt. Drastisch warnten sie: „Dem Leben ein Ende bereiten ist eine
       Tat, die nicht nur ein Individuum tötet, sondern das soziale Gewebe der
       Gesellschaft.“
       
       Was meinen die Verfasser damit? Die Antwort findet man hinter den Mauern
       des Maison Saint Michel. Hier, in einem Jesuitenklosters im Brüsseler
       Norden, wohnt Tommy Scholtes, Sprecher der belgischen Bischofskonferenz. 60
       Jahre ist er, trägt dichtes, weißes Haar, eine randlose Brille und eine
       dunkle Jacke über dem Priesterhemd.
       
       Er hat alle Hände voll zu tun, jetzt, da die Abstimmung im Parlament näher
       rückt. Statements geben, Kommuniqués veröffentlichen, die Medienanfragen
       kommen aus der ganzen Welt: „Weil das, was Belgien tut, für viele Länder
       sehr speziell ist, um es mal so auszudrücken.“
       
       In seinem Arbeitszimmer liegt der Geruch von Tabak in der Luft. Das Gewebe
       des Lebens, sagt Tommy Scholtes, ist Solidarität. „Sich helfen, gegenseitig
       stützen. Einander begleiten, bis zum Tod. Die Menschheit besteht durch
       Zusammensein. Da können wir nicht beschließen, bestimmte Kinder zu Tode zu
       bringen. Und abgesehen davon: Ein Kind kann nichts entscheiden, ohne eine
       Unterschrift von Erwachsenen. Sollen Kinder also künftig andere fragen
       können, ihr Leben zu beenden?“ Er macht eine Pause. „Heftig. Sehr heftig.“
       
       ## „Es ist nicht nötig“
       
       Natürlich beeinflusst ihn die christliche Ethik. Doch Scholtes’ vornehmster
       Einwand gegen Sterbehilfe ist sie nicht: „Es ist nicht nötig, medizinisch
       gesehen. Experten und Ärzten haben mir das bestätigt.“ Seine Alternative:
       Palliativmedizin gegen die körperlichen Schmerzen, emotionale Zuwendung
       gegen die seelischen. Beide Begriffe sind für Scholtes nicht nur Theorie.
       
       Dreimal in der Woche kommt er mit seiner Seelsorgergruppe in ein Brüsseler
       Krankenhaus. Ein paar sind Priester wie er, die anderen Laien. Jeder
       kümmert sich um feste Abteilungen, Scholtes ist für Kardiologie und
       Intensivstation zuständig. Regelmäßig hat er mit Sterbenden zu tun – ab und
       an auch mit solchen, die dazu Hilfe in Anspruch nehmen.
       
       Tommy Scholtes mag das nicht gut finden, doch er ist kein Dogmatiker. Er
       muss den Kranken nicht mitteilen, was er für richtig oder falsch hält. Das
       letzte Gebet kurz vor der Injektion – das macht er. Beim Akt selbst aber
       will er nicht zugegen sein. Eine Frage drängt sich auf: Gab es dort im
       Krankenhaus jemals einen Fall, eine Situation, die ihn zum Zweifeln
       brachte? In der Sterbehilfe nicht doch …? Bedächtig wiegt der Pfarrer den
       Kopf hin und her, dann sagt er entschieden: „Nein!“
       
       ## Verlockende Idee
       
       Tommy Scholtes sucht zwischen den Papieren, die auf seinem Schreibtisch
       verstreut sind, nach seiner Pfeife. Als er sie findet, liegt daneben ein
       Foto des Papstes. Sorgfältig stopft er die Pfeife. Natürlich weiß er, dass
       seine Position in der Minderheit ist. Dass es immer einsamer wird im Feld
       der Sterbehilfegegner, weil die Idee des mort douce, so nennt er das,
       natürlich verlockend ist. Wer, räumt er ein, möchte nicht sanft sterben?
       
       Doch es bereitet ihm Sorgen, nicht nur aus ethischen Gründen.
       Palliativmedizin, sagt er, kostet die Gesellschaft Geld. Sterbehilfe ist
       billiger. Wie also wird das sein, in der Zukunft? Wer wird die Kriterien,
       die Grenzen festlegen? Tommy Scholtes entwirft ein finsteres Szenario.
       „Wird man in zehn Jahren sagen: ’Opa, denkst du nicht, dass es reicht?‘ “
       Und er möchte nicht daran denken, wie „enorm beeinflussbar“ Kinder sind.
       
       Der Pfarrer greift zu einem Foto auf einer Kommode hinter dem Schreibtisch.
       Ein kahler Fünfjähriger winkt darauf in die Kamera. Er heißt Maxime, die
       Karte ist seine Todesanzeige. Scholtes ist mit Maximes Eltern befreundet.
       Er hat sie getraut und den Jungen getauft. Vor ein paar Jahren war er
       dabei, als Maxime starb. Ganz natürlich, nie hätte die Familie an
       Sterbehilfe gedacht.
       
       Er liest vor, was in der Karte steht, ein Zitat von Maxime, wenige Wochen
       vor seinem Tod: „Mach dir keine Sorgen, Papa. Mach dir keine Sorgen, Mama.
       Es wird schon wieder gut.“
       
       Bienen und Schmetterlinge kleben an den Glaswänden des Wartezimmers. Die
       Sprechstunde ist vorbei, Joris Verlooy hat Zeit für ein Gespräch. Seit ein
       paar Monaten arbeitet er hier im Franciscus-Krankenhaus Rosendaal im Süden
       der Niederlande. Es ist Anfang Februar und noch zwei Wochen bis zur
       entscheidenden Abstimmung.
       
       ## Es wird still im Sprechzimmer
       
       Verlooy hofft, dass diese furchtbaren Situationen dann endlich der
       Vergangenheit angehören: Eltern, die, nachdem er die niederschmetternde
       Diagnose überbrachte, fragten: Sie werden uns doch helfen, wenn es so weit
       ist? Auch der 17-jährige Patient fällt ihm ein, der einst bat: „Lass mich
       sterben.“ Sein Zimmernachbar, schon volljährig, durfte gehen. Er nicht.
       
       Joris Verlooy legt Wert darauf, dass Ärzte „nicht einfach so“ Sterbehilfe
       leisten. Dass die Palliativmedizin keine Konkurrenz sei, nur eben manchmal
       nicht ausreiche. „Aber“ – er schaut aus dem Fenster seines kleinen
       Arbeitszimmers, raus auf den dunklen Parkplatz – „es bleibt Totmachen.“
       „Doodmaken“ ist das niederländische Wort, das er benutzt. Es hat nicht die
       Konsequenz wie „töten“ im Deutschen. Trotzdem stockt seine Stimme, bevor er
       es ausspricht. Und doch bleibt er dabei, was er einst in einem Interview
       sagte: dass Sterbehilfe ein Akt der Barmherzigkeit sei.
       
       So wie damals bei Janine. Vier Wochen, vielleicht ein paar Monate, hätte
       ihr Körper noch durchgehalten, genau weiß Verlooy es nicht. Nachdem sie
       ihre Entscheidung ein letztes Mal bekräftigt hatte, gab der Hausarzt ihr
       die erste Spritze. Ein starkes Anästhetikum, das ins Koma führt. Die
       Durchblutung sinkt, der Puls wird schwach, die Atmung langsam und
       oberflächlich. Der Arzt wartete, um sicher zu sein, dass die Wirkung
       eingetreten war. Dann injizierte er eine Muskelrelaxans, die in wenigen
       Minuten alle Muskeln entspannt und die Atmung zum Stillstand kommen lässt.
       Das Blut wird sauer. Dann hört der Herzschlag auf.
       
       Alle Geräusche im Sprechzimmer sind verstummt. Klack. Der Minutenzeiger der
       Wanduhr wird zum Tiefenmesser der Stille. Als Verlooy die Sprache
       wiederfindet, erzählt er von dem Schmerz und der Erleichterung, als es
       vorbei war. Wenn Ärzte diese Gefühle nicht mehr hätten, meint er, seien sie
       fehl am Platze. Die Stimme ist nicht fest. Seine Hände sind eingeklemmt
       zwischen Oberschenkel und Stuhl.
       
       16 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Müller
       
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