# taz.de -- Juristinnen in der DDR: Modell Rote Hilde
       
       > In der DDR-Justiz arbeiteten viele Frauen. Wie eine Ausstellung in
       > Göttingen zeigt, waren für die meisten die Karrierechancen trotzdem
       > begrenzt.
       
 (IMG) Bild: Strenge Beobachterin: Hilde Benjamin (Mitte) bei den umstrittenen Waldheimer Kriegsverbrecher-Prozessen 1950.
       
       taz | Wer die Revolution will, muss früh aufstehen. Am Morgen des 17. Juni
       1953 standen hunderte Demonstranten vor dem Frauengefängnis in der Berliner
       Barnimstraße. Es war nur ein Nebenschauplatz des Aufstandes vom 17. Juni,
       der die Obrigkeit der Deutschen Demokratischen Republik in arge Bedrängnis
       brachte. In der Barnimstraße skandieren die Aufgebrachten Parolen für die
       Freiheit der politischen Gefangenen. Und es mischte sich eine weitere
       Forderung in die rhythmischen Rufe: Hilde Benjamin solle stattdessen ins
       Gefängnis! Es wäre ein Tausch gewesen, der symbolträchtiger nicht hätte
       sein könnte – der aber natürlich nie passierte.
       
       Hilde Benjamin war damals die Vizepräsidentin des Obersten Gerichts der
       DDR. „Die rote Hilde“, wie sie von Westmedien geschmäht wurde, gilt als
       Sinnbild der DDR-Justiz. Sie brachte als Richterin politisch Unliebsame
       hinter Gitter und sorgte in Schauprozessen auch für Todesurteile. Später
       reformierte sie als Justizministerin das Recht im Sinne der SED. Und: Sie
       war eine Frau und stand damit für den ungewöhnlich hohen Anteil der Frauen
       in den juristischen Berufen der DDR.
       
       Emanzipation total? Diese Frage beschäftigt eine wissenschaftliche
       Wanderausstellung des Deutschen Juristinnenbundes mit dem Titel
       „Juristinnen in der DDR“. Sie ist von der Berliner Juristin und
       Historikerin Marion Röwekamp und Rosemarie Will, Professorin für
       öffentliches Recht an der Berliner Humboldt Universität, konzipiert worden.
       Bis Mitte März wird sie im alten Auditorium in Göttingen gezeigt. Sie
       beleuchtet ein Thema zu dem man ansonsten nicht viel weiß, indem sie zwölf
       Juristinnen porträtiert.
       
       Die Rechtshistorikerin Inge Kroppenberg holte die Ausstellung deswegen nach
       Göttingen. Die Professorin erhofft sich, dass davon Impulse ausgehen, die
       ihre Studierenden zu eigener Forschung ermuntern. Sie sagt, zwar sei die
       juristische Vergangenheit der DDR gut aufgearbeitet worden: „Aber was die
       historische Geschlechterforschung in diesem Bereich angeht, haben wir noch
       ziemlich viele weiße Flecken.“ Außerdem sei der biografische Zugang
       besonders dafür geeignet, dass „weibliche Studierende darüber nachdenken,
       welche Rolle ihr Geschlecht für ihre berufliche Identität spielt“.
       
       In der DDR gehörte Gleichberechtigung zur Vorstellung einer klassenlosen
       Gesellschaft. „Und wir wissen, dass Justitia in der DDR tatsächlich eine
       Frau war“, sagt Röwekamp.
       
       Sie spielt auf das Symbol des Rechtssystems an: Eine Frau, die mit
       verbundenen Augen eine Waage hält. Ihr Geschlecht widersprach allerdings
       lange eklatant der männlich dominierten Realität juristischer Berufe.
       
       Außer eben in der DDR. „Dort gab es im Vergleich mit anderen Staaten die
       meisten Frauen in der Justiz, sagt Will. Sie spricht von einem Frauenanteil
       von etwa 40 Prozent im Jahr 1989. „Im Ergebnis heißt das aber auch, dass
       die Frauen an all dem, was die Justiz zu verantworten hatte, beteiligt
       waren“, räumt sie ein.
       
       Trotz seines hohen Frauenanteils war auch das Justizsystem der DDR von
       einer gläsernen Decke durchzogen. Zwar gab es Ausnahmeerscheinungen wie
       Hilde Benjamin, die knapp einen Monat nach dem Aufstand vom 17. Juni
       Justizministerin wurde, was sie zur weltweit ersten Frau in dieser Position
       machte. Meist arbeiteten Frauen aber eher in den unbeliebten Jobs. So waren
       1989 beispielsweise 62,7 Prozent der Notare weiblich. Der Beruf konnte in
       der DDR anders als in der BRD oft nur nebenberuflich ausgeübt werden, weil
       er so wenig einbrachte. Hingegen waren von den Staatsanwälten nur 28,3
       Prozent weiblich.
       
       Wer wie Hilde Benjamin die gläserne Decke durchbrechen wollte, musste
       politisch sehr flexibel sein. „Meine Vermutung ist, dass jemand, der in der
       Justiz wirklich aufsteigen wollte, extrem loyal sein musste und weniger
       juristische Fähigkeiten mitbringen musste“, sagt Röwekamp.
       
       Die Ausstellung zeigt damit nicht nur, dass auch in der DDR die
       Gleichberechtigung sehr brüchig war, sondern auch, dass Hilde Benjamin wohl
       nicht als Stellvertreterin aller DDR-Juristinnen gelten kann. Die meisten
       wurden nach der Wiedervereinigung für unbedenklich befunden und arbeiteten
       weiter in juristischen Berufen. Auch Rosemarie Will war bereits in der DDR
       Professorin. „Wenn man die Wiedervereinigung will, dann kann man das eben
       auch nur mit den vorhandenen Menschen tun“, sagt sie.
       
       ## „Juristinnen in der DDR“: bis 14. März, Georg-August-Universität
       Göttingen, Altes Auditorium, Weender Landstraße 2
       
       17 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jakob Epler
 (DIR) Jakob Epler
       
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