# taz.de -- Gedenkmarsch für Opfer des Kolonialismus: Wegweisende Beleidigung
       
       > Rund 200 Menschen erinnern an die Opfer des Kolonialismus – und fordern
       > eine Umbenennung der Mohren- in Nelson-Mandela-Straße.
       
 (IMG) Bild: Auf ihn können sich alle einigen: Nelson Mandela, gestorben im Dezember.
       
       Kaum ertönen die ersten Noten der afrikanischen Antiapartheidshymne „Nkosi
       Sikelel’ iAfrika“, recken die Menschen ihre Fäuste in die Höhe. Es ist ein
       vielstimmiger Chor, mit dem der achte Gedenkmarsch für die afrikanischen
       Opfer von Sklavenhandel, Sklaverei, Kolonialismus und rassistischer Gewalt
       beginnt. Und der dessen Anliegen weit über den kleinen Vorplatz des
       U-Bahnhofs Mohrenstraße hinwegträgt.
       
       Moctar Kamara, Vorstandsmitglied im Afrika-Rat und einer der Organisatoren,
       steht am Lautsprecherwagen und lächelt zufrieden in die Runde. Um ihn herum
       tummeln sich Schwarze und Weiße, Aktivisten und Unterstützer. Rund 200
       Menschen sind an diesem Samstagvormittag zusammengekommen. Man kennt sich,
       plauscht und raucht Selbstgedrehtes. Irgendjemand hat eine Trommel
       mitgebracht, Kinder spielen zwischen den Beinen ihrer Eltern.
       
       „Wir demonstrieren an diesem Tag, weil heute vor knapp 130 Jahren das
       Schicksal Afrikas auf der Berliner Kongokonferenz besiegelt wurde“, erklärt
       Kamara und erzählt von der Konferenz, auf der sich die europäischen
       Großmächte Afrika untereinander aufteilten. Mit dem Gedenkmarsch wolle man
       an die 30 Millionen Opfer der Kolonialpolitik erinnern, sagt Kamara. Und
       sich dafür einsetzen, dass diese Menschen endlich ein eigenes Mahnmal
       bekämen.
       
       Eine Gruppe Aktivisten versammelt sich am Ausgang des U-Bahnhofs
       Mohrenstraße. Die Straße wurde vor rund 300 Jahren nach den ersten
       schwarzen Sklavenkindern benannt, die in Berlin als „Hof- und Kammermohren“
       arbeiten mussten. Mit ein paar Handgriffen und etwas Klebeband verwandelt
       sich das blaue U-Bahn-Schild in Sekundenschnelle in ein Aushängeschild des
       Protests: die Nelson-Mandela-Straße. Der Gedenkmarsch sei in diesem Jahr
       dem im Dezember verstorbenen südafrikanischen Friedensnobelpreisträger
       gewidmet, sagt Kamara, „in Erinnerung an seinen Kampf gegen Apartheid,
       Rassismus und Kolonialismus, für ein friedliches Miteinander“.
       
       Neben ihm steht ein junger Mann, auf dessen Pappschild „Neger, Neger,
       Schornsteinfeger“ gepinselt ist. Es ist der Titel des autobiografischen
       Buchs von Hans-Jürgen Massaquoi, der in Hamburg aufwuchs und wegen seiner
       Hautfarbe diskriminiert wurde. Der Spruch solle daran erinnern, dass nicht
       alles, was Tradition habe, auch richtig sei, erklärt der Träger des
       Schilds. „’Mohr‘ ist ein kolonialer, rassistischer Begriff, von dem ich
       mich beleidigt fühle.“ Es sei endlich an der Zeit, dass der Bezirk auf die
       Forderungen der afrikanischen Initiativen reagiere und die Mohrenstraße in
       Nelson-Mandela-Straße umbenenne.
       
       In einiger Entfernung beobachtet eine Gruppe Anwohner das Geschehen. Ob man
       die Forderung nach einer Umbenennung verstehe? Großes Kopfschütteln und ein
       paar kleine Lacher. Mohr, dass sei kein rassistischer Begriff, findet eine
       ältere Dame, das sei eine Hommage an die Sarotti-Mohren, die Markenfigur
       der Schokoladenfirma, und dürfe nicht falsch verstanden werden. Ihr Nachbar
       nickt zustimmend. Man könne ja eine Tafel aufstellen und erklären, woher
       der Name komme, meint er. Aber deswegen gleich die ganze Straße
       umzubenennen, das ginge dann doch zu weit.
       
       Unter lautem Trommeln setzt sich der Zug langsam in Richtung Wilhelmstraße
       in Bewegung. Dort wolle man einen Kranz an der Nummer 92 niederlegen,
       erklärt Kamara. Genau an dem Ort, an dem die Kongokonferenz stattfand. Dort
       angekommen, hält der Protestzug vor einem grauen Wohnblock. Normalerweise
       gäbe es hier eine Gedenktafel, erzählt Moctar Kamara. Da diese aber gerade
       in Reparatur sei, müsse man eben improvisieren.
       
       Zwei Kinder legen einen bunten Kranz auf den Bürgersteig. Die Organisatoren
       erinnern in Redebeiträgen an Völkermord und Zwangsarbeit. Am nahen Imbiss
       haben sich ein paar Nachbarn versammelt und schauen mit regungsloser Miene
       zu. Kurz darauf setzen sich die Teilnehmer des Gedenkmarschs erneut in
       Bewegung. Sie wollen noch weiter, zur Abschlusskundgebung am Potsdamer
       Platz.
       
       23 Feb 2014
       
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