# taz.de -- Bürgerkrieg in Zentralafrika: Flucht ins Nirgendwo
       
       > 60.000 Menschen sind aus der Zentralafrikanischen Republik in den
       > benachbarten Kongo geflohen. In der Grenzregion explodieren die Preise.
       
 (IMG) Bild: Junge Flüchtlinge aus Bangui im Lager Mole im Kongo. In dem behelfsmäßigen Hangar werden abends Filme oder Fußballspiele gezeigt.
       
       ZONGO taz | Der Wasserstand ist niedrig in der Trockenzeit. Sandbänke ragen
       aus dem Ubangi-Fluss. Hier verläuft die Grenze zwischen der Demokratischen
       Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik. Auf der
       zentralafrikanischen Uferseite ragen die Hochhäuser der Hauptstadt Bangui
       empor, nachts leuchten die Straßenlaternen. Auf Kongos Seite liegt das
       Fischerdorf Zongo mit knapp 3.000 Einwohnern: ohne Strom, fließendes
       Wasser, Straßenanbindung.
       
       Die Hauptstadt Kinshasa ist vier Tagesreisen entfernt – die Märkte von
       Bangui nur fünf Minuten mit dem Boot. In Zongo wird mit
       zentralafrikanischer Währung bezahlt, mit zentralafrikanischem Handynetz
       telefoniert. Zongos Wirtschaft hängt an Bangui.
       
       Vom Ausbruch des Bürgerkrieg in Zentralafrika im Dezember sind auch die
       Kongolesen in Zongo betroffen. Täglich überqueren Hunderte Flüchtlinge den
       Fluss, um Schutz zu suchen. So auch Thomas Kamagoua mit seiner Frau und
       vier Kindern. Seit zwei Tagen haust er auf einer Bastmatte in einem weißen
       Zelt des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) und wartet auf seine
       Registrierung: „In Bangui gibt es kaum mehr etwas zu essen, die Schulen
       sind geschlossen, ich habe keine Arbeit mehr. Um nicht zu verhungern,
       mussten wir fliehen“, berichtet er.
       
       ## In Bangui gibt es fast nichts mehr zu kaufen
       
       Die Lage in Zentralafrika hat sich ein wenig beruhigt, nachdem christliche
       Milizen im Dezember zu den Macheten gegriffen hatten, um die muslimischen
       Rebellen der Séléka (Allianz) zu vertreiben, die im März 2013 die Regierung
       in der Hauptstadt gestürzt hatten. Fast alle Muslime sind aus Bangui
       geflohen. Doch nun macht sich Hunger breit. In Bangui und damit auch in
       Zongo.
       
       Omar Kamana hockt im Schneidersitz in seiner kleinen Holzbude auf einem
       Schemel. Um ihn herum reihen sich Regale, die sonst voll sind mit Keksen,
       Seife, Zucker, Streichhölzern, Tee, Zigaretten, Milchpulver. Jetzt sind sie
       fast leer. „In Bangui gibt es fast nichts mehr zu kaufen, oder es ist
       unerschwinglich“, berichtet er. Der kongolesische Muslim fuhr bislang
       zweimal wöchentlich mit dem Boot nach Bangui, um dort bei seinem
       muslimischen Händlerfreund Waren zu erstehen. Er zeigt auf Kerzen,
       Batterien, Streichhölzer. Nun ist sein Händlerfreund aus Bangui vertrieben
       worden.
       
       ## Viele Flüchtlinge kommen bei Verwandten unter
       
       Die christlichen Milizen der Anti-Balaka (Anti-Macheten) machen Jagd auf
       Muslime, töten sie mit Macheten auf offener Straße. Auch Kamana traut sich
       nicht mehr hin. Damit steht auch sein Geschäft vor dem Aus. In Zongo
       explodieren die Preise. Die letzten Liter Benzin werden für vier Dollar
       angeboten. Ein Huhn kostet dreimal so viel. Der Marktplatz wirkt verwaist.
       Wo Frauen einst Obst und Gemüse anboten, sich Zigaretten- und Seifenkisten
       türmten, herrscht jetzt gähnende Leere. Denn nicht nur der Warenstrom aus
       Bangui versiegt. Auch die Zahl der Konsumenten steigt täglich. Viele
       Flüchtlinge wollen sich nicht im 40 Kilometer entfernten Lager Mole
       ansiedeln. Tausende sind bei Verwandten in Zongo untergekommen.
       
       „Die ganze Familie meiner zentralafrikanischen Frau ist bei uns
       eingezogen“, berichtet Ivon Kobilo. Der Vater von vier Kindern ist selbst
       halb Zentralafrikaner, er hat während der Rebellion im Nordkongo in den
       90er Jahren als Flüchtling in Zentralafrika gelebt. „Ich weiß, wie schwer
       es ist, in einem Lager zu leben, deswegen biete ich ihnen Unterkunft an“,
       sagt Kobilo.
       
       ## Der Kongo ist selbst ein Bürgerkriegsland mit Flüchtlingen
       
       Mittlerweile steigt die Zahl der Flüchtlinge. 250.000 Zentralafrikaner sind
       in den vergangenen zwei Monaten in die Nachbarländer geflohen. Davon fast
       die Hälfte nach Kamerun, rund 60.000 in das bettelarme Land Kongo, in dem
       ebenfalls seit 20 Jahren Bürgerkrieg herrscht und eine Viertel Million
       Menschen in Lagern leben. Zusätzlich besteht das Problem, dass der Norden
       des Kongo auf dem Landweg kaum zugänglich ist. Für 200 Kilometer benötigen
       die Lastwagen des UN-Welternährungsprogramms WFP drei Wochen.
       
       Ein solcher Transport verursache enorme Kosten, so der WFP-Landesdirektor
       für Kongo, Martin Ohlsen: „Wir haben nur ein Budget von 24 Millionen Dollar
       pro Jahr, und jeder Krisenherd verursacht Kosten. Wir sind hin- und
       hergerissen, denn wir haben so viele Krisen im Land.“ Der WFP hat jüngst
       Maismehl nach Zongo geliefert – umsonst. Die Zentralafrikaner essen kein
       Maismehl. „Wir überlegen derzeit, Geld zu verteilen, damit sie sich selbst
       Lebensmittel vor Ort kaufen können“, so Ohlsen.
       
       ## Im Lager Mole langweilen sich die jungen Leute
       
       Das Flüchtlingslager Mole liegt 40 Kilometer im Inland von Zongo entfernt
       in der trockenen Savanne, mitten im Nirgendwo. Es gibt nicht einmal
       Handyempfang. Es ist heiß, die Luft flimmert. 10.000 Zentralafrikaner leben
       hier dicht gedrängt. Die meisten sind Jugendliche aus Bangui. Der UNHCR hat
       in 1.200 Häuser aus Plastikplanen errichtet, in welche die Flüchtlinge
       Löcher hineingeschnitten haben, damit etwas Luft durchweht.
       
       „Wir sind junge Leute aus der Großstadt, jetzt hausen wir hier wie die
       Tiere“, beschwert sich Patrick Damagoua. Der 26-jährige Jurastudent ist
       Sprecher er Jugend im Lager. Er trägt Jeans, Sonnenbrille, modische
       Turnschuhe und stellt an den UNHCR allerlei Forderungen. „Wir wollen nicht
       hierbleiben, man muss uns Exilländer suchen – am besten in Europa –, damit
       wir weiter studieren können“, sagt er selbstbewusst. Er sitzt in einem
       Hangar aus Plastikplanen, wo abends Filme oder Fußballspiele auf einer
       Leinwand gezeigt werden. Um Damagoua drängeln sich Hunderte junge Männer.
       Er konstatiert: „Wir langweilen uns hier im Busch, viele gehen zurück, um
       sich in Bangui den Milizen anzuschließen.“
       
       27 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schlindwein
       
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