# taz.de -- Völkerverständigung dank Vögeln: Munitionskisten zu Nistkästen
       
       > Der Nahe Osten ist Knotenpunkt für Zugvögel – ein Problem für die
       > Luftfahrt. Ein Ornithologe hilft den Airlines und trägt zur
       > Völkerverständigung bei.
       
 (IMG) Bild: Eine wenige Wochen alte Schleiereule.
       
       CHULA-TAL afp | Der israelischen Luftfahrt ersparte er Kosten von 660
       Millionen Euro, indem er die Zugvogelrouten erforschte. Zoologie-Professor
       Jossi Leschem hat zudem palästinensische, jordanische und israelische
       Schulklassen motiviert, jahrelang den Durchzug von Weißstörchen gemeinsam
       zu verfolgen. Geld zur Umsetzung seiner vielen Ideen erhält er immer wieder
       auch aus Deutschland, von wo seine Eltern vor den Nazis geflüchtet waren.
       
       Im Chula-Tal, dem nördlichsten Zipfel Israels, ist der bekannteste
       Ornithologe des Landes ganz in seinem Element: Der 66-Jährige begeistert
       sich über die jetzt seltenen Brandgänse auf einem See, zeigt auf einen
       Eisvogel im Baum, und schon hat er hoch in der Luft einen Schreiadler
       entdeckt. Das Feuchtgebiet am Oberlauf des Jordan ist ein Naturschutzgebiet
       und ein Mekka der Vogelbeobachter.
       
       Israel und seine Nachbarn bilden eine Engstelle der großen Vogelzuglinien
       im Schnittpunkt dreier Erdteile. 500 Millionen Zugvögel überfliegen sie im
       Herbst Richtung Afrika und im Frühjahr zurück Richtung Europa. 32.000
       Kraniche überwintern hier. „Für Vogelfreunde ist es das Paradies. 540
       Vogelarten treffen wir in Israel und dem Westjordanland an; im 13-mal
       größeren Deutschland sind nur 460 Arten zu beobachten“, erklärt der
       Professor von der Universität Tel Aviv. „Der Luftfahrt bereitet der
       Vogelzug dagegen eher Kopfzerbrechen.“
       
       Deshalb begleitete der frühere Luftwaffenpilot mit einem Motorsegler 272
       Tage lang Zugvögel, um ihre Flugrouten zu kartographieren. Zusätzlich
       mobilisierte er hunderte Beobachter am Boden, gründete nahe dem
       internationalen Flughafen von Tel Aviv ein Forschungszentrum und kaufte
       alte sowjetische Radaranlagen. Noch bis 2002 kollidierten in Israel fast
       viertausendmal im Jahr Vögel mit Flugzeugen. Dank Leschems Studien liegt
       diese Zahl heute 76 Prozent niedriger.
       
       ## Vögel statt Pestizide
       
       Auch brachte der Ornithologe die israelische Armee dazu, ihre Umweltbilanz
       aufzubessern, indem sie dreitausend Munitionskisten zu Nistkästen für
       Schleiereulen und Rötelfalken umrüstete. Im nordisraelischen Galiläa
       ersetzen die Vögel nun als Schädlingsbekämpfer Pestizide. Landwirte,
       bedrohte Vogelarten und die Umwelt profitieren.
       
       Trotz des Klimas von Gewalt und Misstrauen in Nahost gelang es Leschem,
       Umweltverbände und Bauern in Jordanien und in den Palästinensergebieten zu
       gewinnen, die das Erfolgsmodell kopierten. Sie betreuen heute jeweils
       zweihundert Nistkästen für Eulen und Falken. „Wir wollten die Vogelliebe
       als Plattform benutzen um zu zeigen, dass wir in der gleichen Umwelt leben;
       vor allem junge Leute in unseren drei Nationen können wir so erreichen“,
       sagt Leschem.
       
       Schon 1996 erhielt Leschem von der damaligen Bundesumweltministerin Angela
       Merkel umgerechnet 1,3 Millionen Euro, um mit über 300 Schulklassen in
       Jordanien, dem Westjordanland und Israel mittels Peilsendern den
       Storchenzug von Deutschland in die afrikanischen Winterquartiere zu
       verfolgen. Eine enge Kooperation gibt es auch zwischen den von Leschem
       initiierten Stationen zur Vogelberingung an der Knesset in Jerusalem, im
       palästinensischen Jericho und im jordanischen Wadi Mudschib.
       
       ## „Vögel kennen keine Grenzen“
       
       ## 
       
       Seinen aus Frankfurt und Berlin geflohenen Eltern Klara und Samuel Emil
       Löffelholz verdankt der in Haifa geborene Leschem seine Naturliebe. Sie
       gingen mit ihm häufig wandern. „Das ist hier sehr ungewöhnlich, egal ob
       Jude oder Palästinenser. Und so lernte ich Wildvögel kennen und lieben“,
       erzählt er. Als er aber seiner Mutter berichtete, er wolle die
       Vogelforschung zum Beruf machen, „war sie entsetzt, weil davon doch niemand
       leben könne – das habe ich inzwischen wohl widerlegt“, bilanziert Leschem.
       
       „Die Lufthansa konnte ich wegen ihres Kranich-Emblems dazu bewegen, 200.000
       Euro für den Umweltklub der deutsch-palästinensischen Schule bei Bethlehem
       zu spenden.“ „Vögel kennen keine Grenzen“ ist der Wahlspruch, mit dem
       Leschem seit zwanzig Jahren Geld für seine Friedensprojekte einwirbt.
       
       2 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Clemens Wortmann
       
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