# taz.de -- Gefährliche Wege der Migration: Kabul-Bremen-Kopenhagen
       
       > Ein 47-Jähriger wird vom Amtsgericht Bremen wegen Schleuserei verurteilt.
       > Im Prozess werden die Fluchtwege und -hintergründe sichtbar.
       
 (IMG) Bild: Ob in Booten oder auf Transporter-Ladeflächen, wie hier 2012 in Rosenheim: Die EU-Politik der Abschottung macht für Flüchtlinge die Wege ins Asyl lebensgefährlich.
       
       Bremen taz | Zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilte
       das Amtsgericht Bremen einen 47-Jährigen. Das Gericht sah es als erwiesen
       an, dass er Ausländer nach Deutschland eingeschleust hatte und dabei wegen
       des unsicheren Transportes in einem Lieferwagen ihr Leben gefährdet hatte.
       Zudem war der aus Pakistan stammende Waseem T. selbst ausreisepflichtig,
       nachdem er 2012 schon einmal wegen desselben Delikts zu einer zweijährigen
       Bewährungsstrafe verurteilt worden war.
       
       Ungewöhnlich an dem Verfahren waren die detaillierten Zeugenaussagen von
       denjenigen, die mit Hilfe des Verurteilten nach Deutschland eingereist
       waren. Drei Afghanen befanden sich in dem alten Ford Transit, den
       Polizisten am 17. November 2013 bei Arsten auf der Autobahn Richtung
       Hamburg gestoppt hatten. Auf dem Beifahrersitz habe ein junger Mann
       gesessen, sagte vor Gericht einer der beiden Polizisten, „der war so
       13,14,15“. Hinten auf der Ladefläche auf einer nachträglich eingebauten
       Sitzbank ohne Anschnallgurte hätten sie zwei weitere Männer gefunden. Einer
       von ihnen gab später bei der Zeugenbefragung an, 17 Jahre alt zu sein, der
       andere stellte sich als 47-jähriger Lehrer vor, auf dem Weg zu seinem Sohn
       nach Schweden.
       
       Obwohl einem der drei also deutlich anzusehen war, dass er noch
       minderjährig war und er selbst später sagte, er sei 14, fuhren die
       Polizisten sie in den Polizeigewahrsam in die Vahr, wo sie in Zellen auf
       ihre Vernehmung warteten. Erst danach wurden sie in die Zentrale
       Aufnahmestelle für Asylbewerber gebracht. Das sei bei Jugendlichen zwar
       nicht ideal, sagt dazu die Sprecherin des Innensenators, „ist aber
       grundsätzlich nicht verboten“.
       
       Angemessenheit spielt vor Gericht keine Rolle 
       
       Vor Gericht spielte die Frage, ob es angemessen ist, einen 14-Jährigen in
       eine Zelle zu stecken, anstatt ihn als unbegleiteten minderjährigen
       Flüchtling sofort vom Jugendamt in Obhut nehmen zu lassen, keine Rolle.
       
       Stattdessen wurde der 14-Jährige, der mittlerweile in Bremen in einem Heim
       lebt, vor Gericht erneut mithilfe eines Dolmetschers als Zeuge vernommen.
       Er identifizierte Waseem T. als denjenigen, der ihn die letzte Wegstrecke
       gefahren hatte. Wo er eingestiegen war, konnte er nicht sagen, auch nicht,
       auf welcher Route er aus Afghanistan gekommen war. „Ich bin vorher kaum aus
       meinem Dorf heraus gekommen“, sagte der Junge, der weder lesen noch
       schreiben kann, „ich glaube, dass es über den Iran ging.“ An manchen Tagen
       habe er zwei bis drei Mal den Wagen gewechselt. Im letzten, von Waseem T.
       gefahrenen Wagen hätten anfangs zusätzlich zu ihm und den anderen beiden
       Afghanen zwei Pakistaner gesessen und zwei Araber. „Wir haben uns mit dem
       Schlafen auf dem Boden abgewechselt.“
       
       Der Junge erzählte auch, warum er aus Afghanistan geflohen war. „Mein
       Bruder war Polizist und wurde getötet“, übersetzte der Dolmetscher. „Wir
       haben nachts Briefe bekommen, dass wir verschwinden sollen.“ Weil mit dem
       Tod des Bruders niemand mehr da gewesen sei, um ihn zu beschützen, habe der
       Bruder seiner Mutter die Flucht für ihn organisiert. Ob er dem Onkel denn
       schon habe mitteilen können, wo er jetzt stecke, wollte Richter Bernd
       Teuchert wissen. „Nein, ich habe seine Handynummer nicht.“
       
       Wahrscheinlich sollte er nach Schweden gebracht werden wie der erwachsene
       Flüchtling, der einem Polizisten im Polizeigewahrsam ausführlich die
       Fluchtroute geschildert hatte.
       
       14.000 US-Dollar für die Flucht 
       
       „Das war so der Gebildetste von den dreien“, gab der Polizist vor Gericht
       zu Protokoll. 14.000 US-Dollar habe der 47-Jährige nach seinen Angaben in
       Kabul für seine Flucht über den Iran, Griechenland, die Türkei und Italien
       bezahlt. In Mailand sei er dann mit den anderen in das Fahrzeug von Waseem
       T. gestiegen, mit dem sie während der Fahrt nicht gesprochen hätten. In
       Paris seien zwei Männer ausgestiegen und noch einmal zwei in Hamburg. Diese
       Aussage sorgte im Gericht für Verwirrung, war T. doch auf der Autobahn in
       Richtung Hamburg fest genommen worden. Nicht plausibel erschien die
       Erklärung des Lehrers aus Afghanistan, ihr Fahrer habe sich verfahren.
       Schließlich gab es ein Navigationsgerät mit Zielort Kopenhagen im Wagen.
       
       Waseem T. machte selbst keine Angaben zu den Tatvorwürfen. Da der
       Staatsanwalt eine Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten gefordert
       hatte und der Verteidiger des Angeklagten auf Freispruch plädiert hatte,
       ist es wahrscheinlich, dass mindestens einer von beiden das Urteil
       angreifen wird.
       
       3 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Ausstellung
       
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