# taz.de -- Satirischer Brief aus Stadt bei Moskau: Schicken Sie Ihre Truppen zu uns!
       
       > Wenn Putin sogar den Russen auf der Krim hilft, muss doch auch für uns
       > was drin sein. Das denken die Bewohner von Twer – und bitten ihren
       > Präsidenten um Beistand.
       
 (IMG) Bild: Nicht bei allen beliebt: Stalin (l.) und Putin.
       
       Sie wollen auch endlich zu Russland gehören. Die Bürgerinnen und Bürger der
       nahe Moskau gelegenen Region Twer haben sich an Wladimir Putin gewandt.
       Dieser Leserbrief erschien am Montag in der russischen Zeitung Novaja
       Gazeta:
       
       „Sehr geehrter Wladimir Wladimirowitsch. Wir versichern Ihnen unsere tiefe
       Unterstützung für Ihre Haltung, die alles andere als gleichgültig ist und
       besonders für Ihre Entschiedenheit, der Russisch sprechenden Bevölkerung
       außerhalb der Grenzen Russlands zu helfen. Und so haben wir, die wir auf
       dem historischen Territorium Russlands leben, nach Ihren Worten wieder
       Hoffnung geschöpft. Wir wenden uns an Sie als Verteidiger der Russisch
       sprechenden Bevölkerung in der ganzen Welt. Wir bitten Sie dringend:
       Schicken Sie Ihre Truppen auch zu uns! Auch wir wollen eine Vereinigung mit
       Russland, ist doch hier an der oberen Wolga die Situation der Russisch
       sprechenden Bewohner tragischer als auf der Krim.
       
       Fast den gesamten Dezember hindurch hatten wir in hundert Ortschaften
       keinen Strom. Und auch sonst gibt es in unseren Dörfern regelmäßig
       Stromausfälle. Mit der Gasversorgung ist es nicht viel besser. In vielen
       Häusern gelangt kein Gas in die oberen Etagen. Und Brennholz ist teuer.
       Schicken Sie uns doch Truppen, die Soldaten werden unseren Rentnern sicher
       helfen, Brennholz zu sammeln. Bitte holen Sie uns nach Russland!
       
       Mit Interesse haben wir erfahren, dass man in Russland 600 Euro pro Monat
       verdient, in der Ukraine 220. Wie glücklich doch Russen und Ukrainer sein
       müssen. Bei uns verdient man auf dem Dorf gerade einmal 120 bis 160 Euro,
       wenn man überhaupt eine Arbeit hat.
       
       Immer wenn wir Strom haben, sehen wir russisches Fernsehen. Dafür möchten
       wir uns sehr bei Ihnen bedanken. Auch unsere Fäuste ballen sich, wenn wir
       im Fernsehen von den Tausenden von Flüchtlingen aus der Ukraine nach
       Russland hören. Glauben Sie uns, Herr Präsident, auch aus dem Gebiet Twer
       sind in den letzten Jahren alle geflohen, die dazu die Gelegenheit hatten.
       Wer konnte, floh nach St. Petersburg oder Moskau. Russland ist für die
       Flüchtlinge aus Twer und deren Kinder die letzte Hoffnung auf eine bessere
       Zukunft.
       
       Sie wissen sicherlich genauso gut wie wir, dass auch bei uns, genauso wie
       in der Post-Maidan-Ukraine, Plünderungen überhandnehmen. Und wie in der
       Ukraine auch plündern Beamte unseren Haushalt, legen sich Autos der ersten
       Klasse zu.
       
       Auch unsere Straßen sind in einem schlechten Zustand. Die russische Armee
       könnte uns die Straßen in Ordnung bringen, die Brücken reparieren. Seit den
       Zeiten von Leonid Breschnew ist hier nichts mehr instandgehalten worden.
       Die Plünderer, die hier in Twer an der Macht sind, schließen sogar
       Geburtskliniken, die während der deutschen Besatzung offen waren. Sie waren
       gestern bei Ihrer Rede so großherzig und haben den Ukrainern angeboten,
       sich in Russland medizinisch behandeln zu lassen. Wirklich eine große Tat.
       Aber bitte, lassen Sie nicht nur ukrainische Kinder zur Behandlung nach
       Russland, geben Sie diese Möglichkeit doch bitte auch den Kindern aus Twer.
       
       Hier im Gebiet der oberen Wolga gibt es praktisch keine freien Medien.
       Mehrfach haben wir versucht, mit unserem Gouverneur darüber zu sprechen,
       haben ihn eingeladen zu Veranstaltungen und Mahnwachen. Aber er weigert
       sich, mit uns zu sprechen. Was, meinen Sie, könnte es sein, dass unser
       Gouverneur nicht zur russischsprachigen Bevölkerung gehört? Sollte das der
       Fall sein, dann bitten wir Sie, uns nach der Vereinigung mit Russland einen
       russischsprachigen Gouverneur zu senden, so einen wie auf der Krim.
       
       Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass uns Russlands reiche Regionen
       humanitäre Hilfe schicken, wie sie es für die Krim auch gemacht haben. Wir,
       die Russisch sprechende Bevölkerung des Gebietes Twer, sind bereit, Ihre
       Armee zu unterstützen, damit sie hier die verfassungsgemäße Ordnung
       wiederherstellen kann, und wir werden zur Unterstützung Kräfte der
       Selbstverteidigung gründen, die die obere Wolga vor Plünderern,
       inkompetenten Beamten und unehrlichen Polizisten schützen werden.
       
       In der Hoffnung auf eine baldige Befreiung und eine Vereinigung mit
       Russland, die Bewohner des Gebiets Twer.“
       
       Übersetzung: Bernhard Clasen
       
       10 Mar 2014
       
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