# taz.de -- EU-Wahlkampf und Ukraine-Konflikt: Grüne kriegen die Krimkrise
       
       > Maulkorb-Antrag für Schröder und ein Plakatentwurf gegen Sahra
       > Wagenknecht brachten den Grünen Shitstorms ein. Nun fordern viele
       > Mitglieder mehr Besonnenheit.
       
 (IMG) Bild: Momentan stricken sich die Grünen ihre eigenen Stolperfallen
       
       BERLIN taz | Es hätte ein guter Start in die Woche werden können. Zum
       Vorstandstreffen in der Parteizentrale lagen Brezn auf weiß-blauen
       Servietten aus – schließlich galt es, die Ergebnisse der Grünen bei der
       Kommunalwahl in Bayern zu würdigen. Doch vielen in der Partei ist gerade
       nicht nach Feiern zumute. Seit sich die Lage in der Ukraine zuspitzt,
       zoffen sich die Grünen um eine angemessene Haltung zu dem Konflikt.
       
       Inzwischen brodelt es an der Basis. Am Sonntagabend veröffentlichte Robert
       Zion, einer der Wortführer der Parteilinken aus Nordrhein-Westfalen, einen
       Appell zu mehr „Besonnenheit und Klugheit“ in der Ukraine-Debatte – mit der
       Bitte um Unterstützung. Binnen kurzer Zeit schlossen sich auf Facebook mehr
       als 120 Grüne an, darunter die Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic und die
       Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann aus Berlin-Kreuzberg. In der
       Erklärung heißt es: „Auch aktuelle Wahlkämpfe sollten jetzt niemanden dazu
       verleiten, auf diesem Krisenherd parteipolitische Suppen aufzuwärmen.“
       
       Dazu sei die Lage viel zu ernst. Die Europagrünen sollten sich genau wie
       die Partei- und Fraktionsspitzen dem „allgemeinen Geschrei“ verweigern und
       stattdessen „nach unserer eigenen, gemeinsamen Stimme“ suchen. Der Appell
       traf einen Nerv. Denn binnen wenigen Tagen hatten Grünen-Promis mit
       Aktionen zur Ukraine heftige Kritik provoziert. Zuerst forderte die
       Spitzenkandidatin für die Europawahl, Rebecca Harms, im EU-Parlament einen
       Maulkorb für Exkanzler Gerhard Schröder.
       
       Am Wochenende dann ging ein Shitstorm über Fraktionschefin Katrin
       Göring-Eckardt nieder, die mit dem Chef der Europagrünen, Reinhard
       Bütikofer, und Parteichef Cem Özdemir ein provokantes Wahlkampfmotiv in
       Umlauf gebracht hatte. Die auf Twitter und Facebook verbreitete Fotomontage
       zeigt die Linkspartei-Abgeordnete Sahra Wagenknecht vor Soldaten mit
       Kalaschnikows. Slogan: „Jetzt neu: Linkspartei erstmals für
       Auslandseinsätze!“ Spätestens da verging vielen Parteifreunden der Spaß.
       
       Der bayerische Bundestagsrealo Dieter Janecek ist einer der wenigen, die
       das umstrittene Plakat weiter öffentlich gutheißen. „Man muss auch mal
       zuspitzen dürfen“, sagte er der taz. Schließlich habe die Linkspartei bei
       diesem Thema scharfe Attacken gegen die Grünen gefahren – „da müssen wir
       uns nicht alles bieten lassen“. Dafür stehe das Motiv. „Wagenknecht kann so
       was aushalten, sie ist schließlich selbst niemand, die mit dem Florett
       fechtet.“ Vor allem Parteilinke aus der Fraktion sehen die Performance der
       Grünen bei dem Thema aber skeptisch und erwarten eine Aussprache bei der
       Fraktionssitzung.
       
       ## Parteivorstand versucht mit Inhalten gegenzusteuern
       
       „Auch wenn die Äußerungen einiger Abgeordneter der Linkspartei unterirdisch
       waren, eignet sich die Krise in der Ukraine nicht für parteipolitisches
       Klein-Klein“, mahnte die verteidigungspolitische Sprecherin Agnieszka
       Brugger. Das Anti-Wagenknecht-Plakat nennt sie „daneben“. Auch ihre
       Fraktionskollegin Mihalic forderte angesichts der Komplexität der
       politischen Lage in der Ukraine von ihrer Partei „Respekt für andere
       Positionen“. Es sei falsch, diese Krise „auf solche Weise in den Wahlkampf
       zu ziehen“, sagte sie der taz. „Wir sollten unsere Kraft lieber darauf
       verwenden, dafür zu sorgen, dass die Lage in der Ukraine nicht weiter
       eskaliert.“
       
       Eine Bitte, für die der Grünen-Vorstand ein offenes Ohr hat. Parteichefin
       Simone Peter versicherte nach dessen Sitzung am Montag, es gehe gerade
       nicht darum, „sich mit der zweiten Oppositionspartei zu überwerfen“.
       Stattdessen sollten die Grünen mit Sachargumenten in den Dialog gehen. Der
       Parteivorstand machte am Montag gleich einen Aufschlag. In einem
       Sechs-Punkte-Positionspapier verteidigt er unter anderem die Pläne der EU,
       mit Reisebeschränkungen für Regierungsmitglieder oder Kontensperrungen auf
       die Lage in der Ukraine zu reagieren, und fordert den Stopp von
       Waffenexporten nach Russland.
       
       17 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Astrid Geisler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Katrin Göring-Eckardt
 (DIR) Sahra Wagenknecht
 (DIR) Shitstorm
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Schwerpunkt Europawahl
 (DIR) Russland
 (DIR) Russland
 (DIR) Gregor Gysi
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Russland
 (DIR) Die Linke
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Krim
 (DIR) Reinhard Bütikofer
 (DIR) Rebecca Harms
 (DIR) Jürgen Trittin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Schwedische Partei will ins EU-Parlament: „Rein mit Feminismus“
       
       Die Partei „F!“ rechnet sich für die Wahl zum EU-Parlament gute Chancen
       aus. Mit einem Anti-Rassismus-Slogan hat sie in Schweden offenbar einen
       Nerv getroffen.
       
 (DIR) Exportgenehmigungen in Deutschland: Keine Rüstungsgüter nach Russland
       
       Die Bundesregierung stoppt alle Rüstungsexporte nach Russland. Auch bereits
       erteilte Genehmigungen werden überprüft. Betroffen sind 69 Aufträge.
       
 (DIR) Zoff in der Opposition: Kriegstreiber und Russenfeinde
       
       Gregor Gysi und Jan von Aken von der Linken kritisieren die Grünen mit
       scharfen Worten. Dabei ist sich ihre eigene Partei aktuell über ihren
       außenpolitischen Kurs uneins.
       
 (DIR) SPD und Linke streiten über Krim: Genervt und ausgeladen
       
       Das SPD-Netzwerk lädt Gregor Gysi von einem lang geplanten Diskussionsabend
       aus – wegen der Haltung der Linken zur Ukraine. Gysi giftet zurück.
       
 (DIR) Kosten des Krim-Konflikts für Russland: Der Rubel schmollt
       
       Schwache Konjunktur, Kapitalflucht und die Angst vor weniger Investitionen:
       Russlands ökonomische Lage wird durch den Krim-Konflikt verschärft.
       
 (DIR) Nach dem Krim-Referendum: Putin billigt Gesetz zum Anschluss
       
       Russlands Präsident treibt die Eingliederung der Krim voran. Japan verhängt
       Sanktionen, und EU-Kommissar Füle stellt den EU-Beitritt der Ukraine in
       Aussicht.
       
 (DIR) Linkspartei, Grüne und die Krim: Die Politik wird dümmer
       
       Die Krimkrise hinterlässt Kollateralschäden: Linkspartei und Grüne bewerfen
       sich mit Sandkastenförmchen. Sollten sie nicht die Regierung kritisieren?
       
 (DIR) Kommentar „Faschismus“ im Krim-Konflikt: Machtpolitik im sowjetischen Stil
       
       Russland nennt die ukrainischen Machthaber „Faschisten“ – und macht damit
       Verhandlungen obsolet. Rassismus im eigenen Land wird verschwiegen.
       
 (DIR) Nach dem Krim-Referendum: Des einen Walzer ist des anderen Tod
       
       Die Befürworter des Anschlusses an Russland feiern ausgelassen. Zugleich
       werden Journalisten und Gegner des Referendums immer offener bedroht.
       
 (DIR) Schmähplakat im Europawahlkampf: Drei Promi-Grüne attackieren Linke
       
       Ein Bild, darauf: Sahra Wagenknecht vor Soldaten mit Kalaschnikows. Danach:
       Ärger im Netz. Dazu: Kritik aus den eigenen Reihen.
       
 (DIR) Die Maulkorb-für-Schröder-Initiative: Doch kein Sprechverbot
       
       Rebecca Harms forderte einen Maulkorb für Gerhard Schröder. Nun sagt die
       Grüne, einen „kühlen Kopf“ zu bewahren, wäre besser gewesen.
       
 (DIR) Jürgen Trittin über den Krim-Konflikt: „Kurzfristig helfen Sanktionen nicht“
       
       Sanktionen gegen Russland? Nein, sagt Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Sie
       träfen die Falschen, nämlich die aufstrebende Mittelschicht.