# taz.de -- Kunst in China: „Widerstand überm Sofa“
       
       > Der Name Ai Weiwei ist hierzulande Synonym für chinesische
       > Gegenwartskunst. Doch die Szene des Landes ist wesentlich vielfältiger.
       
 (IMG) Bild: Container mit Sammlerwert: Kunst-Installation von Sui Jianguo in Frankfurt.
       
       BERLIN taz | Ai Weiwei ist nicht der einzige Künstler Chinas. Diese
       Tatsache klingt wenig überraschend. Doch nach anderen chinesischen
       Künstlern sucht man in Deutschland oft lange. Meta Marina Beeck,
       Kunstwissenschaftlerin an der Berliner Humboldt Universität, kennt die
       gegenwärtige Kunstszene des Landes gut. Sie hat eineinhalb Jahre in Peking
       gearbeitet und dabei neben Ai Weiwei auch viele junge Künstler
       kennengelernt. Deren Potenzial ist in Deutschland bislang nur Fachkreisen
       ein Begriff.
       
       Die meisten dieser jungen Künstler werden an der Central Academy of Fine
       Arts in Peking ausgebildet. Eine Universität mit großem Namen. Hier
       entsteht vor rund drei Jahrzehnten die moderne Kunstszene des Landes.
       
       Künstler wie Fang Lijun oder der ehemalige Polizist Yang Shaobin setzen
       sich seit den Achtziger Jahren kritisch mit den Folgen der Kulturrevolution
       auseinander. Als „zynische Realisten“ feiern sie große Erfolge, auch
       international. Denn westliche Diplomaten wie der Schweizer Ulli Sigg,
       ehemals Botschafter in Peking, heute einer der größten Sammler für
       chinesische Gegenwartskunst weltweit, bringen ihre Werke nach Europa.
       
       Mit Kunst lässt sich in China plötzlich Geld verdienen. Viel Geld. In den
       Metropolen Shanghai und Peking entstehen regelrechte Luxusateliers, riesige
       Künstlerwerkstätten mit vielen billigen Angestellten. Sie machen vor allem
       eins: Kopieren. Die Masche geht lange Zeit gut.
       
       ## Kopierkunst für Reiche
       
       In den Luxusateliers entsteht Kopierkunst für vermögende Geschäftsleute und
       Diplomaten. Sie wollen Zuhause ein bisschen „chinesischen Widerstand über
       dem Sofa“ hängen haben, so Beeck. Der künstlerische Anspruch zu der Zeit
       ist niedrig, die Preise dafür umso höher.
       
       Erst einige Jahre später, in den Nuller Jahren, wird Ai Weiwei berühmt.
       Sein Vater ist ein bekannter Regimekritiker und Volksdichter. Chinesische
       Schulkinder können seine Verse auswendig. Den Sohn indes kennen in China
       nicht so viele. Einen Namen macht sich Ai Weiwei vor allem im Westen. Den
       kennt er gut. Er hat in New York gelebt, spricht fließend Englisch und
       versteht es, seine europäischen Kontakte beruflich zu nutzen.
       
       Plakativ und medienwirksam prangert Ai Weiwei die gesellschaftliche
       Situation im gegenwärtigen China an. Bei seiner Regierung macht er sich
       unbeliebt. Im Westen ist er damit ein Held. Sein Name ist in Deutschland
       mittlerweile Synonym für chinesische Gegenwartskunst.
       
       Doch Chinas Kunstszene hat mehr zu bieten als Ai Weiwei und teure Kopien,
       sagt Beeck. Dabei will sie Ai Weiwei gar nicht kritisieren. Seine
       Filmpremiere „One Recluse“ während des Berliner Gallery Weekend 2013 hat
       sie selbst mitorganisiert.
       
       ## Ein anderes China
       
       „Es ist großartig, was Ai Weiwei eingeleitet hat“, sagt Beeck. Sein
       Dokumentarfilm über die Aufarbeitung des Erdbebens von Sichuan, die
       Hausfassade aus Rucksäcken in München vor fünf Jahren, „bombastisch“ sei
       das gewesen. „Aber daneben gibt es ein anderes China und viele andere junge
       Künstler.“ Wer ein differenzierteres Bild der chinesischen Gesellschaft
       haben wolle, müsse sich eben auch mit diesen Künstlern auseinandersetzen,
       so die Kunstwissenschaftlerin.
       
       Auseinandersetzen soll sich das deutsche Publikum mit Künstlern wie Ma
       Qiusha. Beeck zeigte eine Arbeit der 32-Jährigen Videokünstlerin 2013 in
       der Kleinen Humboldt Galerie in Berlin - die Deutschlandpremiere von Ma
       Quisha. In dem achtminütigen Video „From No.4 Pingyanli to No.4
       Tianqiaboeili“ erzählt sie von ihrer strengen Erziehung, ehe sie sich eine
       Rasierklinge aus dem Mund nimmt.
       
       Ma Qiusha steht beispielhaft für eine neue Generation chinesischer
       Künstler. Diese arbeiten „nicht so mit dem Hammer“ wie Ai Weiwei, sagt
       Beeck, aber äußerst eindrücklich und auch für das Publikum hier problemlos
       zu verstehen. Das Argument, chinesische Kunst sei für Westler größtenteils
       zu fremd, lässt Beeck daher nicht gelten.
       
       Es ist trotzdem schwer, in Deutschland chinesische Gegenwartskunst neben Ai
       Weiwei zu platzieren. Bei der Organisation von Veranstaltungen und
       Ausstellungen zu dem Thema stecken Beeck und ihre Kollegen regelmäßig in
       einer Zwickmühle. Geld und Sponsoren gibt es meist nur, wenn Ai Weiwei mit
       im Programm steht.
       
       ## Schutz durch Berühmtheit
       
       Umgekehrt wollen viele Wissenschaftler, aber auch chinesische Künstler
       nicht mit dem bekannten Namen in Zusammenhang gebracht werden. Während
       Erstere nicht die „Werbetrommel“ für Ai Weiwei rühren wollen, müssen
       Letztere Repressalien in ihrer Heimat fürchten. Im Gegensatz zu Ai Weiwei
       genießen sie nicht den Schutz durch internationale Berühmtheit.
       
       Für die junge Künstlergeneration in China ist die Figur Ai Weiwei damit ein
       Problem. „Viele wehren sich und wollen sich nicht durch Ai Weiwei
       repräsentiert sehen“, sagt Beeck. Doch besonders in Deutschland gäbe es
       „wenig anderen Input“ zu Chinas Kunstszene. An dem Hype um seine Person
       sind auch die Medien Schuld. Durch den starken Fokus auf Ai Weiwei würde
       jungen Künstlern der „internationale Nährboden“ entzogen, so Beeck. „Sie
       müssen sich mit ihm auseinandersetzen, ob sie wollen oder nicht.“
       
       29 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lukas Meyer-Blankenburg
       
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