# taz.de -- Linker Abgeordneter über Fußball-WM: „Ich sehe Schwachstellen“
       
       > Der Bundestagsabgeordnete Frank Tempel von den Linken erklärt nach seiner
       > Brasilienreise, warum ihn das Sicherheitskonzept der Polizei nicht
       > überzeugt.
       
 (IMG) Bild: „Die Eintrittspreise kann sich kein durchschnittlich verdienender Brasilianer leisten“: Castelao-Stadion in Fortaleza
       
       taz: Herr Tempel, Sie haben sich gerade mit einer Bundestagsdelegation in
       Brasilien über die Sicherheitslage im Land vor der WM informiert. Mit
       welchen Vorstellungen haben Sie die Reise angetreten, und wie ist nun ihr
       Eindruck? 
       
       Frank Tempel: Ich hatte zuvor kein festes Bild. Ich war irritiert, dass es
       in einem so fußballverrückten Land wie Brasilien Proteste gegen eine
       Fußballweltmeisterschaft geben kann. Natürlich habe ich dann auch im
       vergangenen Jahr die erheblichen Unruhen beim Confederations Cup verfolgt
       und das sehr unsichere Verhalten der Polizei. Ich bin mit vielen Fragen
       nach Brasilien gereist und nun hat sich einiges für mich aufgeklärt.
       
       Erzählen Sie! 
       
       Brasilien hat in den letzten Jahren große Anstrengungen im Kampf gegen die
       Armut unternommen. Die Löhne sind gestiegen. Das muss man auch würdigen.
       Aber die Entwicklungen im Gesundheitssystem und im Bildungs- und
       Infrastrukturbereich können damit nicht Schritt halten. Gerade bei den
       jungen Leuten sind Erwartungen geweckt worden, die nicht eingelöst wurden.
       
       Aber warum führte dies zu den größten Proteste seit Ende der
       Militärdiktatur 1988? 
       
       Es fehlt einfach das Verständnis für diese immensen Ausgaben für diese WM –
       zumal die Leute im Land außen vor sind. Die Eintrittspreise kann sich kein
       durchschnittlich verdienender Brasilianer leisten. Die Korruption in den
       staatlichen Behörden und das selbst für uns sehr harte Vorgehen der Polizei
       sorgen zusätzlich für großen Unmut.
       
       Hat man aus den viel kritisierten Polizeieinsätzen etwas gelernt? 
       
       Man hat uns versichert, dass man die bisherigen Einsätze gründlich
       analysiert hat und künftig sich anders verhalten wird.
       
       Hat man das konkretisiert? 
       
       Nein, uns hat man tatsächlich immer nur erzählt: „Wir haben daraus
       gelernt.“
       
       Das hört sich vage an. 
       
       Ja, da darf man auch seine Bedenken haben. Ich bin zuversichtlich, dass man
       die Sicherheit für die Fans und Mannschaften im Land gewährleisten kann. Ob
       das auch für die Meinungsfreiheit gilt, wird man sehen.
       
       Würde die brasilianische Polizei künftig auf Deeskalation setzen, käme das
       fast einer Kulturrevolution gleich. Kann man solch einen Strategiewechsel
       so schnell etablieren? 
       
       Als ausgebildeter Polizeibeamter ist das für mich nur schwer vorstellbar.
       Priorität wird vermutlich leider haben, Demonstrationen möglichst zu
       unterdrücken.
       
       Das dürfte wohl kaum gelingen? 
       
       Ich sehe da einige Schwachstellen. Insbesondere die Infrastruktur wird ein
       Problem werden. Es gibt teilweise nur eine Zufahrtsstraße zu den Stadien.
       Blockiert man diese, kann man mächtig Chaos stiften.
       
       Ist die brasilianische Polizei überfordert? 
       
       Man kann nicht alles über die Polizei lösen, wenn man in der Sozialstruktur
       zu viele Baustellen auf einmal hat. In der Region von São Paulo gibt es gut
       100.000 Obdachlose, und dort hat man für mehr als 200 Millionen Euro ein
       Stadion hingestellt. Das ist wirklich sehr schwer zu kommunizieren.
       
       Diese immensen Kosten sind auch ein Ergebnis des Forderungskatalogs des
       Weltfußballverbands. 
       
       Deshalb richtet sich der Protest in Brasilien auch gegen die Auflagen der
       Fifa.
       
       Muss die Fifa ihr Konzept überdenken? 
       
       Wenn man in so einer fußballbegeisterten Nation wie Brasilien eine WM
       austrägt, müsste der Verband es sich zur Auflage machen, die Bevölkerung in
       so ein Ereignis mehr einzubinden.
       
       Wie ist denn ihrer Einschätzung nach die Stimmung im Lande? Haben sie so
       etwas wie Vorfreude ausgemacht? 
       
       Bis auf Straßenverkäufer in Rio, die brasilianische Flaggen verkaufen neben
       vielen anderen Sachen, habe ich keine Fußballvorfreude gesehen. Das hat uns
       auch ein bisschen überrascht. Aber die Brasilienkenner sagen, wenn die WM
       mal läuft und die Brasilianer gut spielen, dann wird das vielleicht die
       größte Fußballparty aller Zeiten.
       
       Andere sagen für die WM die größten Proteste voraus. Die Prognosen könnten
       nicht gegensätzlicher sein. 
       
       Viel hängt eben vom Abschneiden der brasilianischen Nationalmannschaft ab.
       
       7 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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