# taz.de -- Ausstellung „Bruderkrieg“ über Manns: Zwei ungleiche Brüder
       
       > Zankapfel 1. Weltkrieg: Den Disput zwischen dem kaisertreuen Thomas und
       > seinem pazifistischen Bruder Heinrich Mann zeigt eine Ausstellung in
       > Lübeck.
       
 (IMG) Bild: Da waren der spätere Demokrat und der Monarchist noch klein: Heinrich (l.) und Thomas Mann.
       
       LÜBECK taz | Ein „großer, grundanständiger feierlicher Volkskrieg“: Das war
       der Erste Weltkrieg für den Schriftsteller Thomas Mann. Dass er das so klar
       an seinen Bruder Heinrich schrieb, im September 1914, zeigt, in welcher
       Gemeinschaft er sich befand: Etliche Künstler meldeten sich freiwillig, als
       Kaiser Wilhelm II. die Mobilmachung anordnete. Lang ist die Reihe der
       Autoren, die den Krieg herbeisehnten und als Reinigung und Befreiung
       deuteten – Brecht, Hesse, Rilke zählen dazu.
       
       Die Ernüchterung kam bald: Der Krieg mit seinen Gas-Attacken eröffnete neue
       Dimensionen der Grausamkeit. Die Soldaten, die das nationale und
       persönliche Heldentum erwartet hatten, wurden Opfer der Kriegsmaschinerie.
       Er war auch eine mentalitätsgeschichtliche Zäsur, denn sein Ende markierte
       für die Deutschen den Übergang zur Demokratie. Und eben dieser Wechsel war
       es, der dem bekennenden Monarchisten Thomas Mann schwerfiel.
       
       Sein zögerliches Umdenken illustriert exemplarisch die aktuelle
       [1][144/ausstellung.html:Ausstellung „Bruderkrieg“ im Buddenbrookhaus] in
       der Lübecker Mengstraße. Sie ist antithetisch angelegt und zeichnet
       chronologisch den Zwist zwischen Thomas Mann und seinem älteren Bruder
       Heinrich. Dieser, ein überzeugter Pazifist und Demokrat, war seiner Zeit
       voraus – und das hatte seinen Preis: Der Vorabdruck seines Romans „Der
       Untertan“, der den kaisertreuen, obrigkeitshörigen Kleinbürger persifliert,
       wurde kurz vor Kriegsbeginn gestoppt und erst nach 1918 hervorgeholt und
       als visionärer Wurf gefeiert.
       
       Thomas Mann dagegen hatte schon 1903 seinen „Buddenbrook“-Erfolg
       eingeheimst, und so verwundert es, wenn er an Heinrich schrieb: „Es ist die
       Begierde nach Wirkung, die dich corrumpiert“. Heinrich konterte, der
       jüngere Bruder tauche „allzu wohlig in die nationale Empfindungsweise
       unter“. Interessant an dem Dialog ist nicht nur das Thema, sondern auch die
       Verlagerung des zunächst in privaten Briefen geführten Zwists in die
       Öffentlichkeit: Da entsteht eine interessante Mischung aus Öffentlichem und
       Privatem.
       
       Ein wichtiger Schritt in die Öffentlichkeit war Thomas’ Aufsatz „Gedanken
       im Kriege“. Darin höhnte er 1914, Deutschland werde durch eine Niederlage
       nicht zu demokratisieren sein. Später hoffte er gar, dass das künftige
       Europa „für ,Demokratie‘ nur noch ein Achselzucken haben möge“.
       
       Heinrich parierte mit dem pazifistischen Essay „Zola“ (1915), in dem er
       erstmals von „geistigen Mitläufern“ schrieb. Thomas nahm das persönlich,
       bezichtigte Heinrich des Bruderhasses – und schrieb drei Jahre lang die
       600-seitigen „Betrachtungen eines Unpolitischen“. Darin spricht er etwa von
       frankophilen „Zivilisationsliteraten“ – und meint Bruder Heinrich, ohne ihn
       namentlich zu nennen. Deutschland habe „Feinde in seinen eigenen Mauern, d.
       h. Verbündete und Förderer der Weltdemokratie“. Dieser
       „Zivilisationsliterat“ wiederum werde „froh sein müssen, wenn Deutschland
       nicht allzu auffällig siegt“.
       
       Mit Deutschlands Niederlage 1918 wendete sich das Blatt. Nun wollte niemand
       mehr Thomas’ „Betrachtungen“ lesen, Heinrich hatte mit seinem
       monarchiekritischen „Untertan“ Recht behalten. Der Streit versiegte, aber
       die Brüder Mann sprachen dennoch lange nicht miteinander. Sie versöhnten
       sich erst 1922 an Heinrichs Krankenbett.
       
       Diese ganze dramatische Geschichte, in der sich Politisches und persönliche
       Verletztheiten mischen, erzählt die Lübecker Ausstellung zunächst auf
       Schautafeln, garniert mit handschriftlichen Briefen und Karten in kleinen
       Vitrinen. Das ist nur die Ouvertüre für das eigentliche, multimediale
       Zentrum: Zwei Sessel stehen sich da gegenüber, in denen man sich die Brüder
       denken kann. Über jedem Sitz hängt in Höhe des imaginären Kopfes ein
       Lautsprecher, und daraus ertönen nochmals die Schautafel-Texte, gelesen von
       den Schauspielern Thomas Schreyer und Will Workman. So entsteht ein kleiner
       theatraler Dialog, ein Streitgespräch, das den Konflikt auf den Punkt
       bringt.
       
       Das ist schlau gemacht und wird noch intensiver dadurch, dass hinter den
       Sesseln Original-Schwarzweißfilme des Kriegsverlaufs laufen, von der
       jubelnden Mobilmachung bis zum Grausen verödeter Schlachtfelder und der
       traurigen Heimkehr verletzter Soldaten. Entstanden sind diese Bilder
       gleichzeitig zu den Mann’schen Texten, es lässt sich also quasi in Echtzeit
       verfolgen, wie die Kriegsrealität aussah, während die Brüder debattierten.
       
       Vordergründig wertet die Ausstellung nicht: Die Synchronizität der
       Ereignisse steht für sich. Aber der Lübecker „Bruderkrieg“, kuratiert von
       Käte Antonia Richter, ist eben doch ein überzeugendes Antikriegs-Statement
       – bewerkstelligt auf wenig Raum und mit wenigen, schlichten Mitteln.
       
       8 May 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://buddenbrookhaus.de/de/46/asid
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Petra Schellen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ausstellung
 (DIR) Thomas Mann
 (DIR) Schwerpunkt Erster Weltkrieg
 (DIR) Nachkriegszeit
 (DIR) Schwerpunkt Erster Weltkrieg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Zeichen und Wunder: Einer, der mit Worten musiziert
       
       Hanns-Josef Ortheil sprach als Kind kein Wort, bis sein Vater verstand, wie
       sein Hirn funktioniert. Heute ist er als Autor erfolgreich.
       
 (DIR) Ausstellung in Berlin: „El Dschihad“ und die Einarm-Fibel
       
       Das Deutsche Historische Museum in Berlin zeigt in „Der Erste Weltkrieg“
       die Gewalt des Kriegs. Sie traf nicht nur Soldaten, sondern auch die
       Bevölkerung.