# taz.de -- Erschwerte Aufarbeitung: Bewahrt vor dem Blitzlichtgewitter
       
       > Im Fall der toten Yagmur verweigern Hamburger Jugendamts-Mitarbeiter die
       > Aussage vor dem Untersuchungsausschuss. Nach Ansicht der oppositionellen
       > CDU hätten sie öffentlich auftreten sollen – das aber erlaubten die
       > Vorgesetzten nicht.
       
 (IMG) Bild: Kollektives Versagen verantwortlicher Stellen? Mit dem Tod der dreijährigen Yagmur befasst sich ein Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft.
       
       HAMBURG taz | Wie weit darf öffentliche politische Aufklärung über den Tod
       eines Kindes gehen? Diese Frage berührt den Parlamentarischen
       Untersuchungsausschuss „Yagmur – Kinderschutz in Hamburg“ (PUA), der die
       Umstände beleuchten soll, die im Dezember 2013 zum Tod der kleinen Yagmur
       führten. Vorgeladen waren am gestrigen Donnerstagabend fünf
       Mitarbeiterinnen der Jugendämter – in Hamburg Allgemeine Soziale Dienste
       (ASD) genannt. Nur eine der fünf wollte aussagen, die anderen kündigten an,
       die Aussage zu verweigern. Das dürfen sie, denn parallel ermittelt auch die
       Staatsanwaltschaft, und so hätten die Frauen sich belasten könnten.
       
       Die Staatsanwaltschaft nennt keine Details, bestätigt aber, dass sie wegen
       Verletzung der Fürsorgepflicht gegen Personen ermittelt, die beruflich mit
       dem Kind betraut waren. Einer Kita-Mitarbeiterin, die nicht aussagen
       wollte, war deshalb eine Vorladung für die PUA-Sitzung in der vergangenen
       Woche erspart worden. Diesmal dagegen waren die Zeuginnen in der Einladung
       an die Presse namentlich benannt. Bei einer normalen Sitzung hätte ihnen
       gedroht, was etwa eine dort auftretende Familienrichterin erlebte:
       Blitzlichtgewitter am Zeugentisch. Auch wer die Aussage verweigert, könnte
       da gut und gerne sein Gesicht in der Zeitung wiederfinden.
       
       Das verhinderten nun die Chefs der Bezirksämter Hamburg-Eimsbüttel und
       Hamburg-Mitte, mithin die Vorgesetzten der Jugendamts-Frauen: Sie erteilten
       eine Aussagegenehmigung nur in nichtöffentlicher Sitzung. „Es geht um den
       Schutz der Mitarbeiter“, sagt eine Sprecherin.
       
       Erwartungsgemäß teilt der PUA-Vorsitzende André Trepoll (CDU) diese
       Einschätzung nicht. Er hat einen Brief an Hamburgs Bürgermeister Olaf
       Scholz (SPD) geschrieben: Es gebe den Sozialdatenschutz, aber nun mal auch
       ein „großes öffentliches Interesse“ an dem Fall – schließlich sei ein Kind
       gestorben. Eine Vielzahl von Fragen könne „durchaus öffentlich gestellt
       werden“, findet Trepoll.
       
       Man hätte als Parlament auch rechtlich gegen die Einschränkung vorgehen
       können, sagt er der taz – aber das würde dauern. Nur bis Jahresende hat der
       PUA Zeit. In der nächsten Sitzung werden die Chefs der Jugendämter geladen,
       um etwa etwas zur Arbeitsbelastung ihres Personals zu sagen. Trepoll
       erwartet, dass „dass der Senat sie aussagen lässt“.
       
       Was die Rolle der Hamburger Jugendämter im Fall Yagmur betrifft, ist in der
       Presse schon manches berichtet worden, nachdem im Januar bereits die
       städtische Jugendhilfeinspektion ihre Erkenntnisse vorlegte. Demnach gab es
       nicht den einen Fehler, der den gewaltsamen Tod des Mädchens ermöglichte,
       sondern viele Fehler unterschiedlicher Institutionen. Das bei einer
       Pflegemutter aufgewachsene Kind war im Januar 2013 mit einem Organ-Riss und
       schweren Hirnverletzungen ins Krankenhaus gekommen, leibliche Eltern wie
       auch die Pflegemutter galten als verdächtig. Letztere bezichtigte sich kurz
       darauf selbst, das Kind geschüttelt zu haben – die Eltern gerieten als
       Verdächtige aus dem Blick und durften Yagmur im August zu sich holen.
       
       Als im Herbst ein Gutachten die Täterschaft der Pflegemutter in Frage
       stellte, führte dies nicht zu Konsequenzen: Eine Familienrichterin sagte
       vor dem PUA aus, sie habe das entsprechende Schriftstück erst nach Yagmurs
       Tod erhalten.
       
       „Es arbeiten viele Stellen nebeneinander her“, sagt der Linken-Abgeordnete
       Mehmet Yildiz. Ihn störe der ganze Ansatz des PUA: „Es geht nicht um
       Strukturen, sondern nur um die Suche nach einzelnen Schuldigen.“ Das sei
       Aufgabe der Justiz. So aber würden ASD-Mitarbeiter vorverurteilt, einige
       sogar als „Kindermörder“ beschimpft.
       
       Zu Begin der Sitzung am Donnerstag wollten Jugendamtsmitarbeiter gestern
       eine Erklärung im Namen aller KollegInnen überreichen. Darin kritisieren
       sie, dass schon der Inspektions-Bericht vom Januar sich wie eine
       „Anklageschrift“ lese. In den Ämtern gebe es zu viel Bürokratie und
       Kontrolle und zu wenig Personal. Kinderschutz sei eine Gratwanderung und
       dürfe kein Wahlkampfthema sein.
       
       15 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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