# taz.de -- Vor dem DFB-Pokal-Finale: Der mit der schlechten Laune
       
       > Matthias Sammer war Dortmunder Cheftrainer, heute ist er Manager von
       > Bayern München. Aber was er eigentlich macht, das fragen sich viele.
       
 (IMG) Bild: Hat die Lizenz zur schlechten Laune: Matthias Sammer
       
       BERLIN taz | Seit ein paar Tagen ist es still um ihn. Doch das kann sich
       stündlich ändern. Man weiß ja nie, wann er ausbricht, wann die Gäule mit
       ihm durchgehen. Dabei wäre es doch gerade jetzt an der Zeit, mal klare
       Kante zu zeigen, nachdem der Rekordmeister es mit der Souveränität, die er
       bis zur Meisterschaft zeigte, nicht mehr allzu sehr hat.
       
       Nach dem 0:3 gegen Dortmund spottete er noch über die Rote Karte für
       Rafinha. Nach dem 0:4 gegen Real stammelte er nur noch. Die relative
       Sprachlosigkeit des sächsischen Lautsprechers ist ein Indiz dafür, dass
       beim FC Bayern nicht alles zum Besten steht.
       
       Früher war Uli Hoeneß für die kostenlose Bayern-Reklame in Funk und
       Fernsehen zuständig. Nun macht es Matthias Sammer. Nicht ganz so
       krachledern, eher brachial, aber trotzdem öffentlichkeitswirksam. Auch
       stellt er sich manchmal selber ein Bein, wie vor ein paar Wochen, als er
       böse auflief: Es gebe, so hob Matthias Sammer an, eine auf „den FC Bayern
       bezogene Neiddebatte, die ich angesichts des Leistungsprinzips im Fußball
       nicht verstehen kann“.
       
       Seine Worte hatten einen scheppernden Unterton. Es sei kein Zufall, dass
       die Bayern Titel um Titel gewönnen. Doch „anstatt darüber zu diskutieren,
       wie so eine Leistung möglich ist, wird Neid geschürt und werden Feindbilder
       aufgebaut“. Das schwache Abschneiden der Bundesligisten in Champions und
       Europa League hatte er aufs Korn genommen – und den anderen Faulheit
       unterstellt: „Wird denn woanders auch jeden Tag akribisch trainiert, als
       würde es kein Morgen geben?“
       
       Natürlich fällt ihm so ein Satz jetzt auf die Füße. Doch schon die
       unmittelbaren Reaktionen waren schlimm genug für Sammer: Jürgen Klopp,
       Dortmunds Coach, erklärte mit süffisantem Unterton: „Ich an Matthias
       Sammers Stelle würde jeden Morgen, bevor ich aufs Bayern-Trainingsgelände
       gehe, Gott danken, dass irgendjemand auf die Idee gekommen ist, mich
       dazuzunehmen.“ Er glaube, so Klopp, nicht, dass Bayern „auch nur einen
       Punkt weniger hätte, wenn Matthias Sammer nicht dabei wäre“.
       
       ## „Der Mann ohne Aufgabe“
       
       Klopp hatte einen Volltreffer gelandet. Sammer ist seit Juli 2012 Sportchef
       des FC Bayern. Er war dabei, als der Klub das erfolgreichste Jahr seiner
       Geschichte feierte. Er durfte den Champions-League-Pokal in die Höhe
       stemmen, doch welchen Anteil Sammer an diesem Triumph hat, ist ungewiss.
       Schon vor einen Jahr wunderte sich Zeit Online, was Sammer eigentlich tue.
       Das Fazit fiel trübe aus: „Der Mann ohne Aufgabe.“
       
       Dabei ist Matthias Sammer eigentlich ein Mann mit großem Einfluss. Ein
       besonderes Auge soll er auf den Nachwuchs haben. Uli Hoeneß konnte ihn für
       die Bayern gewinnen, nachdem Christian Nerlinger in der Funktion des
       Managers gescheitert war. Wahrscheinlich hatte Hoeneß die besten Absichten,
       als er den gebürtigen Dresdner in den Klub holte.
       
       Dass er, der Präsident, nicht mehr bis in alle Ewigkeit die Geschicke
       steuern und die Medien beschäftigen können wird, das schien Hoeneß schon
       vor seiner Steueraffäre klar gewesen zu sein. Folglich statteten ihn die
       Bayern mit einem Sitz im Vorstand und anderen Kompetenzen aus. Doch Klopps
       Bemerkung illustriert gut, dass die Branche nicht bloß hinter vorgehaltener
       Hand die Frage nach Sammers Aufgabe stellt.
       
       Sammer ist ein ehrgeiziger Mann. Sein Arbeitgeber hat ihm die Lizenz zur
       schlechten Laune erteilt. Wenn Sammer vor die Kameras tritt und im Stile
       eines Tugendpredigers den Verfall der Sitten geißelt, dann wirkt sein
       Gesicht wie zur Faust geballt. Es hat den Anschein, als komme er in seinem
       Arbeitsleben mit dieser einen Gemütslage aus. Fußball, so Sammers Credo,
       ist eben keine Komfortzone.
       
       ## Taktischer Streit
       
       Vielleicht ist es ja eine Rolle, die er spielt, eine Rolle, die ihm
       zugedacht wurde und die er nun ausfüllt. Und vielleicht handelt Sammer
       taktisch, wenn er einen Streit vom Zaun bricht, um von anderen Dingen
       abzulenken. Das würde bedeuten, dass ihn seine Kritiker in seiner Rolle
       beim FC Bayern unterschätzen würden.
       
       Für Matthias Sammer wäre dies eine ganz neue Erfahrung. Als Fußballer war
       er ein großer Stratege, die EM 1996 trug den Stempel des Antreibers und
       Liberos. Und auch als Trainer hinterließ er Spuren: Mit Borussia Dortmund
       gewann er in seiner zweiten Saison die Meisterschaft, 2002. Es gibt
       Menschen, die sagen, man habe ihn damals ausgelassen gesehen.
       
       Mit einem Tänzchen, wenn seine Bayern den DFB-Pokal holen sollten, ist am
       Samstag nicht zu rechnen.
       
       17 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Osterhaus
       
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