# taz.de -- Filmen: „Ich hab keine Ängste entdeckt“
       
       > Der Hamburger Schüler Sina Aaron Moslehi hat einen Dokumentarfilm über
       > Sterbende gedreht. Am schwersten, sagt er, sei das Sterben für die
       > Angehörigen.
       
 (IMG) Bild: Angstfrei: Sina Aaron Moslehi
       
       taz: Herr Moslehi, kann der Tod etwas Schönes haben? 
       
       Sina Aaron Moslehi: Ich weiß nicht, ob man das schön nennen kann. Aber ich
       denke, der Tod kann etwas sehr Friedliches haben, das was man „in Würde
       gehen“ nennt. Vielleicht kann der Tod so etwas Schönes haben. Der Tod ist
       immer eine Trennung, von Freunden und Familie, aber auch von dem, was man
       kennt. Wir wissen nicht, was nach dem Tod kommt, deshalb sehen wir ihn
       immer als etwas Negatives.
       
       In Ihrer Dokumentation über ein Hamburger Hospiz sah man viele todkranke
       Menschen. Hat Ihnen das Angst vor dem Tod gemacht? 
       
       Ich hab mich schon vor Beginn der Dreharbeiten mit dem Thema beschäftigt
       und hab keine Ängste bei mir entdeckt. Eine Krankenschwester sagte bei den
       Dreharbeiten: „Ich habe Angst, dass ich viel zu jung sterbe oder vor der
       Todesart, aber vor dem Tod an sich habe ich keine Angst.“ Meine Nicht-Angst
       wurde durch den Dreh der Doku noch bestärkt. Wenn der Tod friedlich ist,
       gibt es keinen Grund, Angst zu haben. Das Einzige, wovor ich Respekt habe
       ist, dass ich nicht weiß, wohin die Reise geht. Also was nach dem Sterben
       kommt.
       
       Noch während Ihrer Dreharbeiten sind die portraitierten Menschen
       verstorben. Wie geht man damit um? 
       
       Das war eine Situation, die ich zuerst nicht so wahrgenommen habe. Ich
       wusste, dass Personen in ein Hospiz gehen, um in Würde zu versterben. Ich
       war auch ohne Kamera öfter da, einfach zur Recherche. Bei diesen
       Vorbereitungen sagte eine Pflegerin zu mir: „Wir können eigentlich gar
       nicht planen, wen du begleiten und interviewen kannst, weil wenn du in drei
       Monaten wiederkommst, sind die Personen, die du jetzt hier siehst,
       verstorben.“ Da hab ich lernen müssen, damit umzugehen, dass die Gäste, mit
       denen ich später sprechen werde, auch versterben.
       
       Wie stark hat Sie das berührt? 
       
       Es hat mich sehr getroffen, man baut ja auch außerhalb der Dreharbeiten
       eine Beziehung zu den Menschen auf. Aber ich hatte durch die
       Drehvorbereitungen Zeit, mich selber darauf vorzubereiten. Und wenn man
       sieht, wie Menschen in Würde gehen, dann ist es leichter loszulassen.
       
       In der Hospiz-Doku haben Sie gefilmt, wie eine Verstorbene aufgebahrt
       wurde. Haben Sie sich dabei nicht ein wenig voyeuristisch gefühlt? 
       
       Es ist im Allgemeinen bei diesem Thema eine schwierige Frage: Wann kann ich
       etwas drehen, wann werde ich zu persönlich. Ich hab im Vorfeld mit den
       Hospizgästen gesprochen und mir deren Einverständnis eingeholt. Was ich für
       mich selber beschlossen habe ist, dass auch nach dem Versterben des
       Hospizgastes die Würde absolut gewahrt wird. Und die Szenen, die dabei
       entstanden sind, sind zwar immer Detailaufnahmen, aber sie sollen nur Dinge
       andeuten. Die Hospizgäste haben mich bis an eine gewisse Grenze gelassen
       und ich habe mich bemüht, diese Grenze nicht zu überschreiten. Das war mein
       Ziel und auch eine Herausforderung.
       
       Haben Ihre Gedanken ständig um die bald sterbenden Patienten gekreist? 
       
       Natürlich nimmt man die Eindrücke mit nach Hause. Einfach nach Hause gehen
       und mit dem Tag abschließen kann ich nicht. Vor allem, wenn man über eine
       lange Zeit im Hospiz ist, denkt man darüber nach, was man gerade erlebt hat
       und was gerade passiert ist. Aber ich habe immer versucht, das Erlebte
       praktisch abzulegen. Das ist mir nicht immer gelungen, aber es hat ein
       wenig geholfen. Nach und nach wurde es leichter.
       
       Sie stehen kurz vor dem Abitur, eine Zeit, die für viele Menschen eine
       Aufbruchstimmung hat. Sie beschäftigen sich mit dem Tod. 
       
       Ich wollte gerne vor dem Abitur noch einen Film drehen, eine kleine Doku
       hatte ich schon mit 15 Jahren gemacht. Ich wollte es aber auch nicht
       provozieren. Im Radio hab ich dann eine Meldung über Demonstrationen gegen
       einen Hospizbau gehört. Das brachte mich zu dem Thema.
       
       Den Angehörigen fiel der Aufenthalt manchmal genauso schwer wie den Gästen
       … 
       
       Der Ehemann eines Gastes konnte es nicht ertragen, dass seine Frau hier
       stirbt – obwohl sie sich damit abgefunden hatte. Er hatte einfach die
       Hoffnung, dass es irgendwo einen Arzt gibt, der ihr doch noch helfen könne.
       In so einem Fall müssen sich die Pflegerinnen auch um die Angehörigen
       kümmern. Zwar gilt der Grundsatz „Zuerst der Gast“, aber wenn die
       Angehörigen nicht mitziehen, belastet das den Gast, was nicht gut ist.
       Manchmal benötigen die Angehörigen viel mehr Zeit als die Gäste, um zu
       verstehen, was das für eine Situation ist. Und manche brauchen da sehr viel
       Hilfe. Es gibt auch spezielle Seelsorger, mit denen man sprechen kann, aber
       die Schwestern sind immer für die Angehörigen der erste Ansprechpartner.
       
       Sie sind recht jung für einen Dokumentarfilmer. Viele Pressestimmen bezogen
       sich nur auf Ihr Alter. Haben Sie Angst, dass Ihr Film dadurch an Bedeutung
       verliert? 
       
       Ich hab bisher nicht den Eindruck gehabt, dass die Arbeit da untergeht.
       Aber es ist schon richtig zu sagen, dass mein Alter eine bedeutende Rolle
       spielt, bei der Auseinandersetzung mit dem Film, den ich gemacht habe. Aber
       ich glaube nicht, dass ich einen Welpen-Bonus bekommen habe. Von den
       Leuten, mit denen ich persönlich über die Doku gesprochen habe, bekam ich
       ein sehr differenziertes Feedback.
       
       In der Doku wirken alle sehr offen Ihnen gegenüber. Waren sie wirklich so
       willkommen? 
       
       Das erste Treffen mit dem Hospizpersonal war eine Teamsitzung, das war für
       die ganz normal und regulär, die finden regelmäßig statt. Ich hab mich und
       meine Idee kurz vorgestellt. Für mich war es sehr wichtig, dass das
       Personal hinter den Dreharbeiten steht, denn nur dann ist so eine Doku
       möglich. Wenn alle einander vertrauen und offen dem anderen gegenüber sind.
       Und das war so. Alle waren mir gegenüber sehr offen und ich hab mit allen
       sprechen können. Das hat mir bei meinem Film sehr geholfen. Wirkliche
       Ablehnung hab ich nicht erfahren.
       
       Und Vorbehalte? 
       
       Eine Ärztin hat mir gesagt, dass wenn man so jung ist, kann man sowieso
       keinen Film über so ein Thema machen. Ich hab da darüber nachgedacht, ob
       man wirklich mit 18 Jahren so einen Film machen kann und kam zu dem
       Schluss: Ja, kann man.
       
       16 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frida Kammerer
       
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