# taz.de -- Legendäres Stones-Konzert in Berlin: Beat und Schläge
       
       > Die Randale nach dem Konzert 1965 in der Waldbühne hatte auch Folgen für
       > DDR-Beatbands. Das Regime ging danach hart gegen sie vor.
       
 (IMG) Bild: Die Stones in der Berliner Waldbühne - allerdings nicht 1965, sondern 1998.
       
       „Die traurigen Reste der Westberliner Waldbühne nach dem Auftreten der
       Rolling Stones sollten Warnsteine für alle Verantwortlichen sein, die an
       der Erziehung unserer Jugend beteiligt sind. Das sind die Lehrer,
       FDJ-Sekretäre, Meister, Brigadiere, Gastwirte, Jugendklubleiter, die
       Angehörigen der Volkspolizei und nicht zuletzt die Familienangehörigen.“
       Diese mahnenden Worte schrieb nicht ein DDR-Politkommissar nach dem aus dem
       Ruder gelaufenen Stones-Gig am 15. September 1965, sondern die Ostberliner
       Beatgruppe Sputniks für das SED-Zentralorgan Neues Deutschland. Man kann
       davon ausgehen: auf ausdrückliche Bestellung.
       
       Das Konzert der Rolling Stones in der Waldbühne, das nur 25 Minuten dauerte
       und in zünftiger Randale endete, hatte auch in Ostberlin schwer Eindruck
       hinterlassen. Negativen und positiven, je nachdem. Geschockt waren vor
       allem die Erziehungsberechtigten aus Partei, Staat und Familien. Die
       Jugendlichen zeigten sich durchaus fasziniert von dem, was da im
       unerreichbaren Westen abging.
       
       ## „Yeah, Yeah, Yeah“
       
       Doch dass die Genossen ihre Bemühungen bei der Schaffung „allseits
       entwickelter sozialistischer Persönlichkeiten“ konterkariert sahen, verhieß
       nichts Gutes. Papa Ulbricht gab die staatliche Richtung vor, dass ja nun
       mal gut sei mit dem „Yeah, Yeah, Yeah“. Das galt auch für den jungen Achim
       Mentzel aus Prenzlauer Berg, heute ein stadtfestbekannter Schunkelbarde,
       Mitte der Sechziger ein schon legendärer Repräsentant des rockigen Sturm
       und Drang. Mit seiner Band Diana Show Quartett hätten sie „ordentlich auf
       Beatles und Stones“ gemacht, berichtet Mentzel heute. „Richtig wild,
       deswegen hießen wir ja Diana, nach der Göttin der Jagd. Wenn ich unsere
       selbst gebastelten Boxen mit den Zähnen hielt, haben die Leute getobt.“
       
       Der Stammklub der Band war der Saalbau Friedrichshain. Bis zum Herbst 1965,
       als die SED nach dem Stones-Auftritt in Westberlin die Leine für die
       DDR-Beatgruppen wieder anzog. „Wir hatten das erst gar nicht mitbekommen,
       sondern uns noch gefreut, dass unsere Band auf der Titelseite des
       Satiremagazins Eulenspiegel war.“ Sie hätten sich wie die Helden gefühlt,
       dabei war das eine Story über die Langhaarigen, die immer rumlungerten und
       die Musik der Band hörten. „Kurze Zeit später wurden die wilden Bands mit
       Auftrittsverbot belegt“, so Mentzel. Das habe die Butlers in Leipzig
       getroffen, die Klosterbrüder in Magdeburg und eben das Diana Show Quartett
       in Berlin. „Wir sind sehr plötzlich zur Armee eingezogen worden.“
       
       Damit endete eine kurze Phase erstaunlicher Freizügigkeit in der
       DDR-Jugendkultur. Die Beatlemania war auch über die Mauer geschwappt.
       Allein in Ostberlin schrammelten rund 300 Gitarrencombos mehr oder weniger
       stilsicher auf den Bühnen der Klubs und Kulturhäuser – oft mit dem Segen
       des staatlichen Jugendverbandes.
       
       Denn nach dem Mauerbau hatte bei der FDJ und auch unter Künstlern eine
       gewisse Euphorie geherrscht, den Aufbau des Sozialismus als ungestüme
       Angelegenheit zu betrachten, bei der man ruhig mal Spaß haben dürfe. Oder
       im damaligen Funktionärsdeutsch gesagt, alles, „was schöne und saubere
       Gefühle entwickelt und zu gutem Geschmack erzieht“, war förderungswürdig,
       einschließlich der heiteren Muse. Im Februar 1965 erschien die erste
       Beat-LP der DDR, und die FDJ rief sogar einen
       Die-DDR-sucht-die-Super-Beatband-Wettbewerb ins Leben, der den
       unrock’n’rolligen Titel trug: „Zentraler Leistungsvergleich der
       Gitarrengruppen“. Die Konzerte selbst hatten schon mehr Pep, wie ein
       Berliner FDJ-Spitzenfunktionär bei einem Ausscheid in Karl-Marx-Stadt
       erlebte, wo begeisterte Fans auf den Bänken tobten und vereinzelt leere
       Bierflaschen auf Bands und Zuschauer flogen.
       
       Die Berliner Krösusse der „heißen Musik“ waren Kapellen wie The Lunics,
       Sputniks und das Diana Show Quartett, das als Ersatz-Stones zur
       Lieblingsband der Ostberliner „Gammler“ wurde. Die waren den DDR-Oberen und
       vielen anderen Erwachsenen, die sich eine gepflegte Tanzmusik und
       wohlerzogene Jugend wünschten, mit der größte Dorn im Auge. Alles
       unbelehrbare Gesellen, arbeitsscheues Pack – hier gab es die deutsche
       Einheit des gesundes Volksempfindens.
       
       Im Herbst 1965 hatte sich dann bei den ideologiegestählten Erziehern
       einiges an Unzufriedenheit über den Zustand der Jugend aufgestaut. Die
       Rolling Stones gaben mit ihrem Auftritt in Westberlin den Anlass, dass der
       renitente Nachwuchs im Osten wieder an die Kandare genommen wurde.
       
       Nach dem Waldbühnen-Konzert berichteten die DDR-Medien – oft in ähnlich
       abschätzigem Duktus wie die Westmedien – über die Stones und ihre Fans. Mit
       einem großen Unterschied: Die Waldbühnenschlacht wurde als vermeintliche
       Vorbereitung der Jugend auf andere lebensgefährliche Schlachten, sprich:
       Kriegsvorbereitung, entlarvt. „Es geht um das gekonnte Marschieren, ,bis
       alles in Scherben fällt‘. Vernebelte Köpfe und nackte Gewalt waren schon
       immer die besten Bundesgenossen derer, die Deutschlands Jugend in zwei
       Weltkriege trieben“, so das Neue Deutschland. Hammerdialektik.
       
       ## Absurde Auftrittsverbote
       
       Der Betonweg führte direkt zu einem SED-Plenum über „Probleme der
       Jugendarbeit“, bei dem sich Jugendverbandschef Erich Honecker an die Spitze
       des Kampfes gegen das DDR-Rowdytum setzte. Zwecks besserer Kontrolle der
       Tanzmusiker wurde im Oktober 1965 ein Berufsausweis – die legendäre „Pappe“
       – eingeführt und die FDJ zur Zurücknahme ihrer Förderung von Gitarrenbands
       gezwungen. Und es hagelte willkürliche Auftrittsverbote. „Wir bekamen nur
       einen Brief vom Magistrat, ohne Begründung“, erzählt Achim Mentzel. „Wir
       sind auch nicht wegen unserer Musik verboten worden, sondern wegen
       Steuerhinterziehung. Wir hatten ja gut verdient.“
       
       Die Repressionen gegenüber den Bands waren nur ein Vorspiel für
       weitreichende Repressionen gegen alle Künstler. Auf dem berüchtigten 11.
       SED-Plenum im Dezember 1965, dem sogenannten Kahlschlagplenum, wurden auch
       die liberalen Ansätze in Film, Fernsehen, Theater und Literatur
       niedergemäht.
       
       Die Beatmusikszene versuchte man derweil umzupolen, weg von
       angloamerikanischen Vorbildern à la Stones hin zu einer gepflegten und
       pflegeleichten Singebewegung unter dem Banner der FDJ. Ein Gräuel für
       Mentzel. „Richtigen Bock hatte ich nicht mehr, weil man immer die Liedtexte
       vorlegen sollte. Dies ginge nicht und das nicht.“ Nach der Armeezeit ist er
       deshalb zunächst ausgestiegen und „ein ordentlicher Werktätiger“ geworden
       als gelernter Polsterer.
       
       Das ging ein Vierteljahr gut. Dann wurde er vom Chef des Lindenberg
       Sextetts als Sänger angeworben. „Damit mein Spielverbot aufgehoben wurde,
       übernahm er eine Bürgschaft, dass ich keine wilde Bühnenshow mehr machen
       würde.“ Sie seien dann oft im Saalbau Friedrichshain vor
       Tanzkapellenpublikum aufgetreten mit Liedern etwa von Peter Maffay. „Und
       wir spielten oft bei Betriebsfesten, wo ich merkte, dass ich da mit
       Stimmungsliedern besser rüberkomme als mit Rockmusik. Außerdem hatte ich
       wirklich die Schnauze voll, wie sich das mit der Beatmusik in der DDR
       entwickelte.“ Als Stimmungskanone hingegen konnte er wenigstens seine
       Narrenfreiheit genießen.
       
       Das tat Mentzel in den frühen Siebzigern unter anderem in Fritzens
       Dampferband, in der er sich mit Nina Hagen theatralisch austobte. „Die
       hatte genauso eine Macke wie ich. Wir wollten auf keinen Fall harte
       Rockmusik machen, sondern deutsche Songs mit eigenen Texten.“ Nina Hagen
       ging 1976 in den Westen und wurde ein Punkstar, Achim Mentzels
       Karrierewende führte ihn aufs Gebiet der Schunkel- und Mitklatschmusik.
       
       ## „Die Stones – Wahnsinn“
       
       Mick Jagger, den er vor einem halben Jahrhundert als Frontmann des Diana
       Show Quartetts so wild kopierte, dass er Fans und Funktionäre in Rage
       trieb, hat Mentzel erstmals 2006 live gesehen. „Mein Sohn hatte mir zum 60.
       Geburtstag Karten fürs Stones-Konzert im Olympiastadion geschenkt. Es war
       der blanke Wahnsinn.“
       
       10 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gunnar Leue
       
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