# taz.de -- Prozesse gegen türkische Aktivisten: Erdogans Rache
       
       > Nach den Gezi-Protesten in der Türkei werden Ärzte verfolgt, die
       > Demonstranten versorgt haben. Polizisten, die töteten, können mit Milde
       > rechnen.
       
 (IMG) Bild: Staatsfeinde im Schlafsack: Gezipark, 13. Juni 2013
       
       ISTANBUL taz | Der Prozess gegen die Taksim-Bürgerinitiativen ist nicht der
       einzige Angriff des Erdogan-Regimes auf die Gezi-Bewegung. Insgesamt 5.500
       Demonstranten stehen vor Gericht, gegen Tausende weitere laufen noch
       Ermittlungsverfahren.
       
       Dem gegenüber stehen bislang lediglich zwei Prozesse gegen Polizisten, die
       für den Tod von zwei der insgesamt acht getöteten Demonstranten
       verantwortlich sein sollen. In Ankara ist ein Polizist angeklagt, der am
       12. Juni 2013 den 27-jährigen Ethem Sarisüslük mit einem Schuss in den Kopf
       tötete. Obwohl auf Videobildern klar zu erkennen ist, dass der Polizist
       unbedrängt auf Sarisüslük schießt, spricht die Anklage nur von der
       „Anwendung unverhältnismäßiger Mittel“ – Höchststrafe: fünf Jahre.
       
       Im zweiten Prozess wird der Tod von Ali Ismail Korkmaz verhandelt, eines
       19-jährigen Studenten, der am 9. Juli bei einer Demonstration in Eskisehir
       von Polizisten und AKP-Anhängern totgeprügelt wurde. Die AKP hat den
       Prozess von Eskisehir ins tausend Kilometer weit entfernte Kayseri verlegen
       lassen – eine konservative AKP-Hochburg, wo die Totschläger mit Milde
       rechnen können.
       
       Ganz anders auf Seiten der Demonstranten. Die meisten werden angeklagt
       wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, der Teilnahme an verbotenen
       Demonstrationen oder dem Aufruf dazu. Für Letzteres reicht schon ein Tweet,
       in dem Freunde auf eine bevorstehende Demonstration aufmerksam gemacht
       werden. Selbst wenn jemandem keine Gewaltausübung vorgeworfen wird, kann er
       schnell für zehn Jahre oder länger ins Gefängnis müssen.
       
       ## Bis zu 30 Jahre Haft
       
       Berichten von Amnesty International und den beiden größten
       Menschenrechtsorganisationen der Türkei „Insan Hakleri Dernegi“ (IHD) und
       „Insan Haklari Vakfi“ (TIHV) zufolge werden 14 Gezi-Anhänger sogar auf der
       Grundlage von Antiterrorgesetzen angeklagt werden. Das kann Strafen von bis
       zu 30 Jahren Gefängnis nach sich ziehen. Dazu brauchen sie noch nicht mal
       einen Stein geworfen zu haben, es reicht, wenn zu der Demonstration, auf
       der sie festgenommen wurden, neben vielen anderen auch eine verbotene linke
       Organisation wie etwa die DHKP-C aufgerufen hatte. Nähere Verbindungen mit
       dem Linksterrorismus sind nicht notwendig. Mindestens wegen
       Terrorpropaganda kann ein ahnungsloser Demonstrant dann angeklagt werden.
       
       Angeklagt sind auch die Mediziner Sercan Yüksel und Yasemin Dokurdan. Sie
       hatten Opfern von Polizeigewalt Erste Hilfe geleistet, nun wird ihnen zur
       Last gelegt, eine Gebetsstätte entweiht zu haben, als sie Verwundete
       versorgten, die sich in die Dolmabahce-Moschee geflüchtet hatten. Andere
       Ärzte, die im Gezipark eine Erste-Hilfe-Station aufgebaut hatten, wurden
       mit Disziplinarverfahren belegt und verloren teilweise ihre Stellen in
       staatlichen Krankenhäusern. Im Januar dieses Jahres hatte das Parlament
       Strafen für „nicht lizensierten medizinischen Service“ von bis zu drei 3
       Jahren beschlossen.
       
       13 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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