# taz.de -- Streit um den Görlitzer Park: „Der Aufruf der Initiative ärgert uns“
       
       > Anwohner wollten eine Initiative gründen, um über die Probleme in dem
       > Park zu sprechen. Sie müssten zunächst über die Ursachen dafür
       > nachdenken, so ein Kritiker.
       
 (IMG) Bild: Polizei bei einer Kontrolle im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg.
       
       taz: Herr Müller, am Dienstagabend wollte sich eine Anwohnerinitiative für
       den Görlitzer Park gründen. Sie haben mit anderen die Veranstaltung, zu der
       rund 60 Menschen gekommen waren, eskaliert. Warum? 
       
       Rafael Müller*: Ich habe die Veranstaltung nicht gesprengt. Viele, die da
       waren, hat der Aufruf der Initiative geärgert. Auch, wenn sich die Gruppe
       von Rassismus distanziert, reproduziert sie alle üblichen Ressentiments.
       Nämlich: Die Schwarzen verkaufen unseren Kindern Drogen. Die sind laut, die
       sind dreckig. Sie fassen unsere Frauen an. Das wird dann grün-alternativ
       „Sexismus“ genannt. Auf die Ursachen, warum gerade Geflüchtete aus Afrika
       im Park Drogen verkaufen, wird dabei gar nicht geguckt. Sie dürfen
       schließlich nicht arbeiten und haben keine andere Möglichkeit, als Flaschen
       zu sammeln oder Gras zu verkaufen.
       
       Auf der Homepage der Initiative steht ausdrücklich, dass sie niemanden
       vertreiben, sondern neben dem Drogenhandel auch Flohmärkte und Feste
       organisieren wollen. Was ist daran schlecht? 
       
       An Flohmärkten ist nichts auszusetzen. Auf ihrer Internetseite sagen sie
       aber auch, dass sie die Initiative des Bezirks begrüßen. Die zeigt sich in
       erster Linie in einer Zunahme der Polizei- und Ordnungsamtskontrollen. Das
       schafft Stress, Angst und Aggression. Die Zunahme der Aggression will die
       Initiative ja gerade bekämpfen, insofern ist es widersinnig, den Bezirk für
       die Kontrollen zu loben.
       
       Die Initiative konnte ihre Pläne gar nicht vorstellen, sondern wurde sofort
       niedergeschrien. Sollte man nicht miteinander sprechen statt sich mundtot
       zu machen? 
       
       Die Frage ist, wer hier wen mundtot macht. Wenn man wirklich Veränderung
       schaffen möchte, sollte man sich zu den Ursachen des Handels wie dem
       Arbeitsverbot zumindest positionieren.
       
       Sie meinen, die Anwohner hätten zunächst ihre Solidarität mit dem Protest
       der Flüchtlinge zum Ausdruck bringen sollen? 
       
       Ja. Das wäre eine ganz andere Gesprächsgrundlage gewesen. Ich vermisse bei
       denen Solidarität und Empathie.
       
       Es ist nun aber so, dass Leute zunehmend genervt sind von den Spalieren an
       den Parkeingängen und dem Handel. Wenn man sich anschreit, statt
       miteinander zu reden, dann verfestigen sich die Fronten doch nur. 
       
       Sicher. Ich selbst habe niemanden niedergeschrien. Bei anderen drückt sich
       da der Frust aus, weil sie von systematischer Diskriminierung betroffen
       sind, weil sie nicht genug Kohle verdienen, um sich abends was zu essen zu
       leisten.
       
       Sie sprechen von Flüchtlingen aus der Schule, die auch bei der
       Veranstaltung waren? 
       
       Die werde ich jetzt sicher nicht kritisieren. Viele, die im Park Drogen
       verkaufen, würden sofort jeden anderen Job nehmen. Die machen das nicht
       gerne, es ist teilweise nicht mit ihrer Religion zu vereinbaren. Sie würden
       sich einen anderen Kontakt zu den Anwohnern wünschen. Den gibt es auch,
       etwa wenn Nachbarn und Geflüchtete wie für diesen Samstag gemeinsam eine
       Demo organisieren.
       
       Wie könnte man mehr Empathie schaffen? 
       
       Man muss sich in die Leute reinversetzen: Was macht es mit Menschen, wenn
       sie ohne Perspektive, ohne Versicherung, ohne Versorgung leben, mit 15
       Leuten in einem Raum schlafen, von denen ein Teil traumatisiert ist? Dann
       gehen sie raus und sehen andere, die frisch geduscht aus ihren Häusern
       kommen und zu ihrem Job radeln. Da baut sich Frust auf. Deshalb ist ein
       Dialog wichtig. Und dafür braucht man Empathie. Die erwarte ich in erster
       Linie von der Mehrheitsgesellschaft. Und nicht von denen, die von den
       Privilegien ausgeschlossen sind.
       
       Zu einem Dialog gehört aber, dass man die Interessen beider Seiten ernst
       nimmt – also auch die der genervten Anwohner. 
       
       Sicher muss man auch die Interessen der Anwohner ernst nehmen. Die
       Flüchtlinge sind aber auch Anwohner. Und gemessen daran, dass sie nicht
       arbeiten und nicht reisen dürfen, jederzeit damit rechnen müssen, von der
       Polizei mitgenommen zu werden – da hat das Bedürfnis der anderen Anwohner,
       nicht durch Spaliere laufen zu wollen, einfach weniger Gewicht.
       
       INTERVIEW ANTJE LANG-LENDORFF 
       
       ## ■ Website der Initiative unter
       
       13 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Antje Lang-Lendorff
       
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