# taz.de -- Islamistische Kämpfer im Irak: Wie die Isis Mossul regiert
       
       > Im Isis-„Staat“ in Mossul werden Schiiten hingerichtet, Alkohol ist
       > verboten und Beten Pflicht. Trotzdem freuen sich viele über den
       > Einmarsch.
       
 (IMG) Bild: Die neuen Herrscher: Isis-Kämpfer in Mossul
       
       ISTANBUL taz | Es sind Szenen, wie man sie im vergangenen Jahr in Syrien
       sah: Menschen feiern auf den Straßen den Einmarsch des Islamischen Staats
       im Irak und in Syrien (Isis). Jubelnd fahren sie in Autokorsos durch die
       Straßen der nordirakischen Millionenstadt und verteilen Süßigkeiten. Sehen
       kann man das in Videos, die im Internet zirkulieren. Dabei wissen auch die
       Bürger von Mossul, was auf sie zukommen dürfte.
       
       Die Extremisten selbst machen aus ihrer Brutalität kein Geheimnis. Über
       Twitter haben sie in den letzten Tagen Fotos von angeblichen
       Massenhinrichtungen verbreitet. Eine dieser Aufnahmen zeigt Dutzende von
       vornehmlich jungen Männern in einem Graben, vor ihnen sind bärtige Kämpfer
       mit gezogenen Gewehren aufgereiht. Sie hätten 1.700 schiitische Soldaten
       umgebracht, behaupten die Extremisten. Ob das stimmt oder nur Propaganda
       ist, um den konfessionellen Konflikt mit den Schiiten zu schüren, ist
       bisher nicht klar.
       
       Schlimm nennt ein Techniker in Mossul die Machtübernahme des Isis. „Aber
       viele sind glücklich, weil die Armee und Polizei verschwunden ist“, sagt er
       am Telefon. „Sie haben die Leute an den Checkpoints gedemütigt und
       attackiert. Das ist jetzt vorbei.“ Die Mudschaheddin, wie er sie nennt,
       seien sogar ausgesprochen freundlich. Andere Gesprächspartner äußern sich
       ähnlich. Das sagt natürlich mehr über die schiitisch dominierten
       Sicherheitskräfte aus als über die Gotteskrieger.
       
       Kaum hatten die Kämpfer Mossul und die umliegenden Gebiete eingenommen,
       erließen sie ein Edikt, in dem sie erklärten, wie die Regierung in ihrem
       „Staat“ aussehen soll. Drogen, Alkohol und Zigaretten seien verboten, heißt
       es in dem 16-Punkte-Katalog. Das fünfmalige Gebet sei Pflicht, und alle
       Heiligengräber und Schreine würden zerstört – außer Sunniten leben in
       Mossul und der Region auch viele Christen und Angehörige der Minderheit der
       Jesiden sowie Schiiten. Frauen sollen sich natürlich verschleiern und nur
       das Haus verlassen, wenn es unbedingt nötig ist. Dieben wird mit dem
       Abhacken der Hände gedroht.
       
       Gleichzeitig ernannten die Extremisten einen neuen Bürgermeister und
       begannen damit, Freiwillige für eine Quasi-Polizei zu rekrutieren. Sie
       machten sich aber auch daran, die Herzen und Köpfe der Einheimischen zu
       gewinnen. So verteilten sie einen Teil der 425 Millionen Dollar, die ihnen
       in einer Bank in die Hände fielen, unter dem Volk. Zudem rissen sie die
       verhassten Checkpoints und Barrikaden ein.
       
       ## Gefolgschaft oder Tod
       
       Dass der Isis in der Lage ist, eine Verwaltung aufzubauen, hat er in Rakka
       und den Gebieten in der Provinz Deir as-Sur in Syrien gezeigt. Im Gegensatz
       zu seiner Vorgängerorganisation hat sich der Isis dort bemüht,
       Stammesführer und andere Notable für sich zu gewinnen. Das erbarmungslose
       vorgehen von „Al-Qaida im Irak“, aus der der Isis 2013 hervorging, hatte
       vor acht Jahren dazu geführt, dass sich die Sunniten gegen sie erhoben.
       Daraus hat Abu Bakr al-Baghdadi, der Chef des Isis, offenbar seine Lehren
       gezogen.
       
       Allerdings müssen beispielsweise Sunniten, die im Dienst der Regierung in
       Bagdad stehen, ihm ihre Gefolgschaft schwören, um nicht umgebracht zu
       werden. In Syrien haben die Extremisten nicht nur Scharia-Gerichte
       installiert, sondern auch dafür gesorgt, dass die Müllabfuhr und
       Stromversorgung sowie ein Staudamm funktionieren. Sie haben sogar Brücken
       und Straßen repariert. Sie betreiben Krankenhäuser, Buslinien und es gibt
       eine Post. Darüber hinaus leisten sie Hilfe für die Armen.
       
       Durch die Schutzgelderpressungen war Mossul schon früher ihre Milchkuh. Mit
       der Einnahme der Stadt am Tigris ist ihnen aber gewissermaßen das Kronjuwel
       in der Region zwischen dem Osten von Syrien, dem Irak und der Türkei in die
       Hände gefallen. Historisch, wirtschaftlich und politisch ist Mossul von
       weitaus größerer Bedeutung als Rakka.
       
       Sollte es ihnen gelingen, ihre Herrschaft zu festigen, hätte das
       regionalpolitisch – aber auch international – noch größere Bedeutung als
       die Eroberung von Kabul in den neunziger Jahren. Dass die Freude der
       Einheimischen über die Isis-Herrschaft lange andauert, ist
       unwahrscheinlich. In Syrien haben sie gezeigt, wie sie mit Opponenten
       umspringen. Dort haben sie vor allem von der Schwäche, dem Chaos und der
       Kriminalität in den Reihen der Rebellen profitiert. Im Irak liegt es jetzt
       an der schiitischen Regierung, die Sunniten von Mossul für sich zu
       gewinnen.
       
       16 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Rogg
       
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