# taz.de -- Umstrittene Öl-Pipeline in Kanada: Angst vor der Pest
       
       > Kanadas Regierung genehmigt eine Pipeline, die Öl aus den Ölsandgebieten
       > zum Pazifik pumpen soll. Ureinwohner und Umweltschützer sind entsetzt.
       
 (IMG) Bild: Ihr Protest wurde von der Regierung ignoriert: Demonstrantin in Vancouver.
       
       VANCOUVER taz | Gerald Amos ist Stammesältester der Haisla in Kanada. Er
       wohnt nahe Kitimat, einer kleinen Gemeinde an der Pazifikküste. Seine
       Familie lebt seit Generationen von den reichen Fischgründen.
       
       Doch geht es nach der kandischen Regierung und der Industrie, könnten statt
       Fischkuttern schon bald riesige Öltanker durch die Gewässer von Amos'
       Heimat kreuzen. Davor hat Amos Angst: „Ein Tankerunfall wäre unser Ende.
       Wir müssen das Projekt unbedingt verhindern.“
       
       Das Projekt ist die Northern-Gateway-Pipeline, eines der ehrgeizigsten und
       zugleich umstrittensten Energieprojekte des Landes. Am Dienstag hat die
       kanadische Regierung die Röhre nach jahrelangen Debatten unter Auflagen
       genehmigt – und massive Proteste von Ureinwohnern, Anwohnern, Forschern und
       Umweltschützern ignoriert. „Wir werden die Pipeline mit allen uns zur
       Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen“, erklärte der Dachverband der
       Westküsten-Ureinwohner nach der Entscheidung. „Koste, was es wolle.“
       
       Die geplante 1.200 Kilometer lange und acht Milliarden Dollar (knapp sechs
       Milliarden Euro) teure Pipeline ist für die Regierung von großer Bedeutung.
       Die vom Enbridge-Konzern geplante Doppelröhre soll ab 2018 rund 525.000
       Barrel Schweröl pro Tag aus den Ölsandgebieten im Landesinneren zum Pazifik
       transportieren. Nahe Kitimat soll der Rohstoff in Tanker gepumpt und nach
       Asien verschifft werden, vor allem nach China.
       
       ## Öl-Produktion in zehn Jahren verdoppeln
       
       Damit würde Kanada die umstrittene Förderung von Ölsanden ausweiten.
       Derzeit gewinnt Kanada daraus etwa 1,9 Millionen Barrel Öl pro Tag, also
       gut 300 Millionen Liter. Dieses Volumen will Kanada in den nächsten zehn
       Jahren verdoppeln: bis 2020 auf 3,2 Millionen, bis 2025 auf vier Millionen
       Barrel.
       
       Allein 130 Ureinwonerstämme haben sich gegen den Bau der Pipeline
       ausgesprochen – und rüsten sich zum Kampf an der Küste. Viele leben entlang
       der Pipeline-Route und ihr Wort hat Gewicht. In Kanada haben betroffene
       Ureinwohner ein von der Verfassung garantiertes Mitspracherecht.
       
       Die Regierung räumte am Dienstag offen ein, dass der Dialog mit den
       Ureinwohnern verbessert werden müsse. Tatsächlich fühlen viele Häuptlinge
       sich und ihre Anliegen nicht ernst genommen. Sie wollen die Regierung und
       Industrie jetzt mit Massenklagen überhäufen – was den Baubeginnn um Jahre
       verzögern könnte.
       
       Für die Heimat vieler Stämme hat die Pipeline drastische Folgen. Rund 250
       Öltanker im Jahr würden künftig durch die Meeresarme vor Kitimat kreuzen.
       Bei vielen weckt das Erinnerungen an den Unfall der „Exxon Valdez“ vor 25
       Jahren vor Alaska. 1989 war der Tanker auf Grund gelaufen und hatte 40
       Millionen Liter Rohöl verloren – es war die größte derartige Katastrophe in
       Nordamerika.
       
       ## Umweltschützer planen Referendum
       
       Die Angst vor einer Ölpest wiegt schwer. Die Bewohner der Küstenprovinz
       British Columbia lehnen die Pipeline mit großer Mehrheit ab. Die Bürger von
       Kitimat haben in einem Referendum mit Nein gestimmt, obwohl Bau und Betrieb
       des Terminals viele Jobs bringen würde. Unterstützt wurden sie von rund 300
       der renommiertesten Wissenschaftler Kanadas, die in einem Brief vor dem
       Projekt gewarnt haben.
       
       Umweltschützer wollen notfalls ein Referendum abhalten, um die Regierung
       zum Einlenken zu bewegen. Sie befürchten, dass die Ausweitung des
       Ölsand-Abbaus den Ausstoß von Treibhausgasen massiv fördert und verweisen
       ausgerechnet auf die USA. Dort liegt die „Keystone-XL“-Pipeline, die
       kanadisches Öl bis an den Golf von Mexiko bringen soll, derzeit aus
       Klimaschutzgründen auf Eis.
       
       Das gibt auch Gerald Amos Hoffnung. Der Haisla-Älteste glaubt, dass sich
       auch die Northern Gateway-Pipeline noch stoppen lässt.
       
       18 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Michel
       
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