# taz.de -- Comic-Salon in Erlangen: Der Zeichner im Schützengraben
       
       > Mumins ziehen nicht in den Krieg! Menschen aber schon, und das
       > beschäftigte den Comic-Salon in Erlangen. Preise gingen an Ralf König und
       > Mawil.
       
 (IMG) Bild: Tardis „Grabenkrieg“ ist in der Ausstellung „Landschaft des Todes – Jacques Tardi und der Erste Weltkrieg“ zu sehen.
       
       Den aufsehenerregendsten Auftritt beim diesjährigen Comic-Salon in Erlangen
       hatte ganz fraglos Ralf König. Für die Max-und-Moritz-Gala, bei der ihm der
       „Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk“ verliehen wurde, hatte er
       sich hübsch gemacht. Zum goldenen Paillettenkleid, unter dem ein weibliche
       Formen suggerierender Fatsuit zu erahnen war, trug er rattenscharfe rote
       Lacklederpumps. Eine meterhohe Bienenkorbfrisur und eine
       Schmetterlingsbrille zierten den Kopf.
       
       Dass er das Outfit 1992 an gleicher Stelle schon einmal getragen hat,
       ändert nichts an dem Eindruck, dass hier eine der herrlich zickigen
       Gary-Larson-Frauenfiguren zum Leben erweckt wurde. König, diese große
       ältere Dame des Comics, hat sich, wie keine zweite, um die Vermittlung
       behaarter schwuler Knollennasenmänner an ein (heterosexuelles) Publikum
       bemüht. Die nicht immer seriöse Auseinandersetzung mit den Themen Sex und
       Religion hat ihn zum erfolgreichsten deutschen Comic-Zeichner werden
       lassen.
       
       Im Gegensatz zu König hat der Comic-Salon in Erlangen in den dreißig Jahren
       seines Bestehens immer wieder sein Auftreten geändert, so groß und
       vielgesichtig wie diesmal war er aber selten.
       
       Lesungen, Zeichenschulen, Vorträge, Diskussionen und ein Trickfilmprogramm
       deckten ein Spektrum von der Fanveranstaltung bis zur Theoriebildung ab.
       Vom Manga bis zum Avantgardecomic reichte das Angebot der zahlreichen
       Comic-Verlage, deren ausgiebig signierender Künstler und der
       (studentischen) Selbstverleger. Das birgt natürlich die Gefahr der
       Beliebigkeit, der die Veranstalter die über die Innenstadt verstreuten
       Ausstellungen entgegensetzen.
       
       ## Schmutz, Blut und Gestank
       
       Mit der Hauptausstellung „Landschaft des Todes – Jacques Tardi und der
       Erste Weltkrieg“ kehrt man zu den eigenen Wurzeln, dem franko-belgischen
       Album-Comic zurück. „Grabenkrieg“ (1993) und „Elender Krieg“ (2008) heißen
       die zurückhaltend kolorierten Alben, in denen sich Tardi der fürchterlichen
       Atomisierung und Vernichtung von Leben im ersten industrialisierten Krieg
       annimmt. Wer durch die Schützengräben nachempfundene
       Ausstellungsarchitektur schlingert, wird nichts Heroisches entdecken
       können.
       
       Schmutz, Blut, Lärm, Gestank, Langeweile, Angst und Apathie sind greifbar,
       immer wieder gibt es verstümmelte und aufgeplatzte Körper zu sehen, hohle
       tote Augen stieren ins Nichts. Wie genau sich Tardi dabei zeitgenössisches
       Material einverleibt hat, wird anhand der Originalzeichnungen von Künstlern
       wie Otto Dix dokumentiert.
       
       Dass das Bildgedächtnis zum Ersten Weltkrieg relativ gefestigt scheint, ist
       auch bei dem bisher als Comic-Reporter arbeitenden Joe Sacco zu sehen.
       Ästhetisch den Comics von Jacques Tardi nicht unähnlich, marschieren auf
       seinem ausgeklappt sechs Meter langen Leporello, auf denen er zunächst die
       Vorbereitungen zu dem katastrophalen alliierten Angriff an der Somme, den
       Sturm am 1. Juli 1916 und schließlich dessen verheerende Folgen zeigt,
       Soldaten in den Tod. Für eine Open-Air-Installation hochgezogen, kann der
       Zuschauer quasi mitmarschieren. Trotz der beeindruckenden Größe, wirkt
       Saccos wimmelbildartiges Schlachtgetümmel doch ungleich nüchterner und
       standpunktloser als Tardis Anklage.
       
       ## Pogo als Präsident
       
       Unvorstellbar dagegen, dass Tove Janssons „Mumins“ in den Krieg ziehen
       könnten. Wie herrlich sinnfrei ein anarchisches Zusammenleben klar
       unterscheidbarer Individuen aussehen könnte, zeigen die originalen
       Tintencharakterzeichnungen, die wunderschön kolorierten Aquarellseiten, die
       Skizzen und Storyboards der großen Schöpferin einer skurrilen Gesellschaft.
       
       Nicht weniger sympathisch sind die tierischen Bewohner der
       Okefenokee-Sümpfe aus Walt Kellys Comic-Strip „Pogo“. Zahlreiche
       Originalseiten zeigen die ab 1948 immer wieder auf subtile Weise das
       politische Geschehen reflektierende heterogene Gemeinschaft. Wie populär
       der Strip zu Beginn der 1950er Jahre in den USA war, belegen Fotodokumente,
       auf denen Studenten das Opossum Pogo zum Präsidenten machen wollen.
       
       Nicht Narration, sondern Assoziation kennzeichnen dagegen die oft dunklen,
       schwarz-weiß gehaltenen Kohlestiftarbeiten von Anke Feuchtenberger. Welches
       Unbewusste da auch immer an die Oberfläche drängt, stets wirkt es ein wenig
       bedrohlich. Für eine knallbunte und popzitatgesättigte Avantgarde stehen
       dagegen Ataks Arbeiten.
       
       Das ganz aktuelle Comic-Schaffen zeigt sich unter anderen in der
       großartigen, unglaublich lebendigen Vorwendezeit-DDR-Biografie „Kinderland“
       von Mawil, der dafür zu Recht den Preis „Bester deutscher Comic“ erhielt.
       Nicht beliebig, vielmehr auf wünschenswerte Weise demokratisch wirkte der
       offensichtlich populäre Comic-Salon in diesem Jahr, der die zahlreichen
       Erscheinungsformen des Comics auf unterschiedliche Weise präsentierte und
       ihnen Räume ermöglichte.
       
       23 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katja Lütghe
       
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