# taz.de -- Nachrichten von 1914 – 29. Juni: Wie sie starben
       
       > Nach dem tödlichen Attentat hat die Obduktion ergeben, dass beide
       > verblutet sind. Die letzten Worte des Erzherzogs galten seinen Kindern.
       
 (IMG) Bild: Der Thronfolger und seine Frau aufgebahrt in Sarajevo.
       
       Die Leichen des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Gemahlin liegen jetzt
       im Kanal von Sarajewo aufgebahrt. Die Leichen werden von einem Wiener
       Professor, der heute hier eintrifft, einbalsamiert werde, und so dann die
       Überführung nach Wien nicht vor morgen erfolgen. Die Schüsse, die der
       Erzherzog und seine Gemahlin erhalten haben, waren absolut tödlich.
       
       Der Herzogin, die das erste Opfer war, wurde die Bauchhöhlenvene zerrissen,
       bei dem Erzherzog sind die rechte Schlagader und die Luftröhre vollkommen
       zertrümmert. Bei beiden ist der Tod durch Verbluten eingetreten. Die
       letzten Worte des Thronfolgers waren an seine sterbende Gattin gerichtet
       und lauteten: „Sophie, bleibe für unsere Kinder leben.“
       
       Der Thronfolger hatte gestern, bevor er die Fahrt durch die Stadt antrat,
       an seine Kinder ein Telegramm abgeschickt, in dem er ihnen die Ereignisse
       des Sonnabends schilderte. Das Telegramm schloss mit den Worten: „Grüße und
       Küsse von Papi.“ In der ganzen Stadt sind die Geschäfte zum Zeichen der
       Trauer geschlossen. Polizei und Militärbehörden sind in fieberhafter
       Tätigkeit begriffen, und die Straßen der Stadt, über die sofort der
       Belagerungszustand verhängt wurde, durchziehen starke Militärpatrouillen.
       
       Zahlreiche Verhaftungen von bosnischen Serben finden statt, darunter auch
       von Frauen und Mädchen. Tag und Nacht werden sie von den Gerichtsbehörden
       verhört. Der Täter Prineip erklärte bei seiner Vernehmung, die Tat sei die
       Rache für die Unterdrückung der Serben. Sawrilowitsch, der die Bombe gegen
       den Wagen des Erzherzogs geworfen hat, ist der bosnischen Polizei schon
       seit eineinhalb Jahren verdächtig gewesen, und sie hatte auch bereits seine
       Internierung in Trebinje verfügt. Auf Veranlassung eines österreichischen
       sozialistischen Abgeordneten ist ihm aber dann die Rückkehr nach Sarajewo
       wieder gestattet worden. Er war dann bis vor wenigen Wochen in der
       Staatsdruckerei tätig.
       
       Die von Sawrilowitsch verwendeten Bomben stammen nach seinem eigenen
       Geständnis aus der serbischen Geschützfabrik in Kragnjevar. Es wird
       erzählt, Sawrilowitsch habe wiederholt geäußert, dass gelegentlich der
       Ankunft des Thronfolgers etwas geschehen werde. Gestern war der sogenannte
       Vidovdan, der größte serbische Nationalfeiertag, der zur Erinnerung an die
       Schlacht am Amselfelde begangen wird, und an dem gewöhnlich das
       Nationalgefühl der Serben durch die chauvinistischen Blätter angestachelt
       wird.
       
       Dieser Tag ist der sogenannte Befreiungstag der Serben. Aus diesem Anlass
       hatte das Blatt der serbischen Opposition „Rarod“ einen chauvinistischen
       Artikel gebracht, dessen Text von den serbischen Trikolore umrahmt war.
       Dieses Blatt wurde auch bei dem Mörder Cadrinowitsch vorgefunden.
       
       Unter den Verhafteten befinden sich auch drei Montenegriner, von denen
       einer Tischler ist, während die beiden anderen angeben, Studenten zu sein.
       Allem Anschein nach handelt es sich bei der Ermordung des Thronfolgers und
       seiner Gattin um die Tat einer weit verzweigten Verschwörerbande. Der
       Polizeikommissar, dem die Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze
       des Thronfolgers anvertraut war, hat eine Stunde nach dem Attentat
       Selbstmord begangen.
       
       Er schoss sich aus seinem Dienstrevolver eine Kugel in den Mund und war auf
       der Stelle tot. Aus der Umgebung des Thronfolgers verlautet, dass er schon
       immer Befürchtungen wegen eines Attentats gehegt habe. Es waren daher von
       den Behörden stets die umfassendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen. Wenn er
       eine Reise unternehmen wollte, wurden die Eisenbahndirektionen schon lange
       vorher von dieser Absicht verständigt. Leider änderte der Erzherzog dann
       aber wiederholt die einmal getroffenen Dispositionen plötzlich ab.
       
       Quelle: Berliner Tagblatt
       
       29 Jun 2014
       
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