# taz.de -- Die Wahrheit: Nicht jeder Profi ist ein Killer
       
       > Auch bei der WM zeigt sich wieder, was Lichtenberg längst wusste: Die
       > professionelle Ausübung einer Tätigkeit macht noch nicht den Experten
       > aus.
       
       Zu dem Überfluss an genialen Bemerkungen anlässlich der
       Fußball-Weltmeisterschaft muss auch ich – immerhin Torhüter des
       Norddeutschen Fußballmeisters der B-Jugend 1976 – etwas beisteuern. Punkt
       eins: Eine WM, bei der die Schiedsrichter einen Sahnesprüher oder eine
       Rasierschaumdose an der Hüfte zu tragen haben, kann nicht „unsere“ WM sein.
       
       Ein zweiter Punkt im Schlagschatten einer WM ist abermals zu verhandeln,
       nämlich das Wort Professionalität. Zufällig stoße ich auf das Manuskript
       meines Essays mit dem Titel: „Nicht jeder Profi ist ein Killer. Eine etwas
       andere Kulturgeschichte des Dilettantismus“.
       
       In Kürze: Einerseits drängeln sich nicht nur im Fußballgeschäft Profis,
       Experten und Fachleute als Leitfiguren auf den medialen Boulevards. Seit
       den Anfängen der Verwissenschaftlichung im 19. Jahrhundert haben sie rasch
       die öffentlichen Diskurse zu dominieren gelernt.
       
       Andererseits wandelt sich seit dem Anbruch des digitalen Zeitalters der
       Status der Amateure und Laien. Kraft des Internets bröckelt die
       Deutungshoheit der Profis. Sie werden bedroht vom dissonanten
       Web-Kollektiv, von all den Dilettanten, die das globale Dorf bevölkern und
       mindestens die Chance erlangen, Aufmerksamkeit zu erregen.
       
       Schlimm? Nun ja. Denn wie ausgiebig auch immer Fachleute sich mit ihrem
       Gegenstand beschäftigen, zuweilen hauen sie gewaltig daneben. Nicht nur die
       Wirtschaftskrise 2007 ff. oder die Vorhersage zur WM erwiesen es. Schon
       Kurt Tucholsky warnte: „Lass dir von keinem Fachmann imponieren, der dir
       erzählt: ’Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!‘ – Man
       kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen.“ Verwandtes hatte
       bereits Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) erkundet: „Ich habe das oft
       schon bemerkt: die Leute von Profession wissen oft das Beste nicht.“ Ende
       des 18. Jahrhunderts erklärte ein „Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart“
       den Begriff so: „Profession von etwas machen, es […] als das vornehmste
       Erwerbungsmittel seiner Nahrung üben […] Profession vom Tanzen, vom Singen,
       vom Stehlen u.s.f. machen. In noch weiterer Bedeutung, öffentlich und
       ungescheut ausüben. Profession vom Saufen, vom Fluchen machen.“ Der Begriff
       enthielt zunächst keine Wertung.
       
       Warum Professionalität kein Qualitätsmerkmal ist, verrät eine Abart an der
       Spitze der Härteskala sämtlicher Erwerbstätigkeiten: Der Profikiller, ob im
       Western oder im Actionfilm. Ungerührt erledigt er den Job sachlich,
       effizient, auf Distanz. Ihm begegnet man bekanntlich mehrfach im Werk von
       Quentin Tarantino. Mit „Reservoir Dogs“, „Pulp Fiction“ und „Kill Bill“
       erzählt er vor allem, dass so manchen Profis das Stümperhafte der
       Dilettanten anhaftet.
       
       Das Fazit für heute: Die Professionalität als Gütesiegel ist passé. Abseits
       technischer, handwerklicher, trainierter Fertigkeiten erübrigt sich die
       Unterscheidung zwischen Dilettanten und Profis.
       
       Oder habe ich, der Profi, mit der These „öffentlich und ungescheut“
       danebengehauen?
       
       1 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dietrich zur Nedden
       
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