# taz.de -- Intendant der Salzburger Festspiele geht: Bald kleinere Semmeln
       
       > Alexander Pereira fuhr als Intendant der Salzburger Festspiele einen
       > brachialen Wachstumskurs. Er hinterlässt ein zwiespältiges Erbe.
       
 (IMG) Bild: Alexander Pereira in seiner neuen Wirkungsstätte, der Mailänder Scala
       
       Wenn man nach einer abendlichen Opernaufführung bei den Salzburger
       Festspielen, die am letzten Wochenende begonnen haben, das Große
       Festspielhaus verlässt, steht man einer Phalanx dunkler Karossen gegenüber.
       Neben ihnen stehen adrett gekleidete junge Männer mit Knopf im Ohr. Sie
       sollen wichtige Gäste oder solche, die sich für wichtig halten, zurück ins
       Hotel oder in ein Restaurant chauffieren. Auf denn Kühlern prangen die vier
       Ringe eines deutschen Autokonzerns, er gehört zu den Hauptsponsoren des
       Festivals.
       
       Ohne Privatknete läuft nichts mehr bei den Salzburger Festspielen. Früher
       war im sommerlichen Salzburg das Konterfei Herbert von Karajans
       allgegenwärtig, heute sind es die Logos der Sponsoren. Mehr denn je ist das
       Festival abhängig vom monetären Wohlwollen der Unternehmen und privaten
       Mäzene. Seit Alexander Pereira vor drei Jahren das Ruder bei den
       Festspielen übernahm, sind die „Zuwendungen aus Sponsoring und
       Mäzenatentum“, wie es in der Festspielbilanz heißt, auf mehr als 12
       Millionen Euro gestiegen. Das ist fast so viel, wie die öffentliche Hand
       jedes Jahr über den Tresen schiebt.
       
       Das Geld wird dringend benötigt. Denn als Pereira von Zürich, wo er mehr
       als ein Jahrzehnt die Oper leitete, nach Salzburg kam, legte er sofort den
       Turbo ein. Pereira ist bekannt und zuweilen gefürchtet dafür, dass er
       Premieren am laufenden Band produziert und zumindest den quantitativen
       Output seiner Häuser maximiert. Fortan sollte es in Salzburg nur noch
       Neuinszenierungen geben – in diesem Jahr fünf an der Zahl. Mit einer
       „Ouverture spirituelle“, einer Woche geistlicher Musik zu Beginn des
       Festivals, verlängerte er das Spektakel auf gute sechs Wochen.
       
       ## Von Rekord zu Rekord
       
       Kuriose Folge: Der offizielle Festakt zur Eröffnung der Festspiele, zu der
       der österreichische Bundespräsident und die halbe Regierung anrücken,
       findet jetzt eine Woche nach ihrem Beginn statt. Außerdem legte Pereira
       einen mondänen Festspielball auf. So jagte er von Rekord zu Rekord. Letztes
       Jahr erreichten die Besucherzahlen mit 287.000 Menschen aus 73 Nationen ein
       Allzeithoch – der DAX lässt grüßen.
       
       Alexander Pereira ist eine barocke Gestalt. Er liebt gutes Essen, seine
       Rennpferde und seine junge Frau, ein früheres Fotomodell aus Brasilien. Er
       liebt die Künste und die Künstler, er liebt den Starrummel – und sich
       selbst. Mit seinem robusten, österreichischen Charme wirkt er ein wenig aus
       der Zeit gefallen. Er ist ein klassischer Impresario, der sein Publikum zu
       unterhalten weiß. Und er gilt als unangefochtener Meister des Fundraisings.
       Wenn Pereira einen potenziellen Sponsor oder Mäzen besucht, so wird ihm
       nachgesagt, komme er nie ohne einen dicken Scheck zurück.
       
       Sich selbst nennt Pereira einen „unkomplizierten Vogel“. So unkompliziert
       wirkt er auf andere Menschen nicht, vor allem nicht auf seine Mitarbeiter –
       226 das Jahr über, fast 6.100 in der Saison. Die gehen längst auf dem
       Zahnfleisch, schieben Berge von Überstunden vor sich her, schaffen es kaum,
       das Riesenprogramm mit zuletzt 270 eng getakteten Veranstaltungen an 14
       Spielorten zu koordinieren. Konzerte oder Opernaufführungen dauern schon
       mal bis weit nach Mitternacht, weil man vorher noch ein Klavierrecital
       angesetzt hat. Allein der Umbau der Felsenreitschule für den Opernball ist
       ein Kraftakt.
       
       ## Jetzt ist das Festival finanziell ausgezehrt
       
       Immer vernehmlicher mahnte Helga Rabl-Stadler, die als mütterliche
       Präsidentin der Festspiele auch so etwas wie ein Kummerkasten ist, das
       Tempo zu drosseln. Auch die Politiker, die im Festspielkuratorium ein
       gewichtiges Wort mitzureden haben, versuchten, Pereira zu bremsen. Der
       reagierte polternd, drohte mit Rücktritt. Als er schließlich um eine
       Verkürzung seines Vertrags bat, um in Mailand Intendant der Scala zu
       werden, ließ man ihn nur allzu gerne ziehen. Jetzt ist das Festival
       finanziell ausgezehrt, viele Mitarbeiter am Rande ihrer Kräfte.
       
       Künstlerisch sind die Festspiele unter Pereiras Fuchtel bestenfalls auf der
       Stelle getreten. Zudem birgt eine zu große Abhängigkeit von Sponsoren und
       Mäzenen immer die Gefahr, dass in wirtschaftlich schlechteren Zeiten einmal
       gemachte Zusagen nicht mehr gelten. Politiker nehmen Erfolge beim
       Spendensammeln gerne zum Anlass, den öffentlichen Finanzierungsanteil
       möglichst klein zu halten.
       
       Die Grenzen des Wachstums sind erreicht, auch in Salzburg. „Wir werden
       Pereiras Expansionskurs nicht weiterfahren“, sagte der Salzburger
       Landeshauptmann (Ministerpräsident) Wilfried Haslauer. Ab dem kommenden
       Jahr werden deutlich kleinere Semmeln gebacken. Es gibt nur noch drei
       Neuproduktionen, dafür mehr Wiederaufnahmen und konzertante Opern. Der Ball
       wird abgeschafft, die Zahl der aufgelegten Karten um 10.000 reduziert. Das
       Budget sinkt von fast 65 auf 59 Millionen Euro.
       
       ## Ein weltläufiger Künstler
       
       Nach einem Interregnum mit Interimsintendant Sven-Eric Bechtolf, dem
       bisherigen Leiter der Schauspielsparte, soll dann endlich wieder Ruhe
       einkehren. Der Pianist und Kulturmanager Markus Hinterhäuser, ab 2017 Chef
       der Festspiele, gilt als Idealbesetzung. Verwurzelt in Salzburg, ist er
       aber zugleich ein weltläufiger Künstler und ein Meister in der
       Zusammenstellung pfiffiger, moderner Programme, die ganz selbstverständlich
       die zeitgenössische Musik mit einbeziehen.
       
       Trotzdem dürften auch Kulinariker, Stimmfetischisten und Autogrammjäger bei
       Hinterhäuser nicht zu kurz kommen. Als er unter Jürgen Flimm, Pereiras
       Salzburger Vorgänger, das Konzertprogramm disponierte, gab es
       Überraschungen am laufenden Band. So engagierte er die Deutsche
       Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi für einen Zyklus aller
       Beethoven-Sinfonien. Zuerst gab es Gemaule, weil das ja die Domäne der
       Wiener Philharmoniker sei, des Salzburger Hausorchesters gewissermaßen.
       Dann flogen den Leuten Järvis rasante Klangsalven um die Ohren. Der Jubel
       war grenzenlos.
       
       23 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Etscheid
       
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