# taz.de -- Konflikt in der Ukraine: Neue Vorwürfe aus Washington
       
       > Laut USA soll Russland von eigenem Territorium aus ukrainische Stellungen
       > beschossen haben. Derweil wurden am Absturzort von Flug MH17 weitere
       > Leichen gefunden.
       
 (IMG) Bild: Noch Tage brannten die Trümmer der abgestürzten Malaysia-Airlines-Maschine (Aufnahme vom 23.Juli)
       
       WASHINGTON/KIEW/DEN HAAG ap/dpa | Nach dem mutmaßlichen Flugzeugabschuss
       über dem Osten der Ukraine erheben die USA neue Vorwürfe gegen Moskau: Vom
       eigenen Territorium aus habe Russland Stellungen der ukrainischen Armee mit
       Artillerie beschossen, erklärte Außenamtssprecherin Marie Harf am
       Donnerstag. Sie berief sich auf Geheimdiensterkenntnisse, ging aber nicht
       ins Detail. Zudem gebe es neue Beweise, dass Moskau die Rebellen in der
       Ostukraine mit leistungsfähigeren Raketenwerfern als bisher versorgen
       wolle, sagte Harf in Washington weiter.
       
       Gleichzeitig steht die Ukraine unter Kritik von Seiten der
       Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Diese hat der Führung in
       Kiew vorgeworfen, beim Einsatz von Raketen in einem von Rebellen
       kontrollierten Gebiet 16 Zivilisten getötet zu haben. Zwischen dem 12. und
       21. Juli hätten Regierungstruppen und regierungsnahe Milizen im Raum Donezk
       mindestens viermal „Grad“-Raketen russischer Bauart eingesetzt, hieß es in
       einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung.
       
       Solche zielungenauen Raketen in dicht besiedelten Gebieten abzuschießen
       verstoße gegen das Kriegsrecht und könnte als Kriegsverbrechen eingestuft
       werden. Human Rights Watch rief alle Parteien in dem Konflikt auf, künftig
       auf „Grad“-Raketen zu verzichten.
       
       ## Vize-Premier Groisman übernimmt Amtsgeschäfte
       
       Zu den jüngsten Anschuldigungen, den anhaltenden Kämpfen in der Ostukraine
       und massiven Problemen bei der Aufklärung des mutmaßlichen
       Flugzeugabschusses kam auch noch eine schwere Regierungskrise in Kiew:
       Ministerpräsident Arseni Jazenjuk kündigte seinen Rücktritt an, weil seine
       Regierungskoalition zerbrochen war. Die Zeichen stehen nun auf Neuwahlen.
       
       Die nationalistische Swoboda-Partei und die von Ex-Boxweltmeister Vitali
       Klitschko geführte Udar-Bewegung hatten ihre Abgeordneten zurückgezogen.
       Daraufhin sagte Jazenjuk am Donnerstag im Parlament: „Im Zusammenhang mit
       dem Zusammenbruch der Koalition kündige ich meinen Rücktritt an.“ Das
       Parlament könne unter den neuen Bedingungen nicht mehr arbeiten und die
       nötigen Gesetze verabschieden.
       
       Regierungschef Jazenjuk wies auf die verzweifelte Lage seines Landes hin.
       In der Rada waren zuvor mehrere Wirtschaftsgesetze gescheitert – auch
       eines, das die Beteiligung ausländischer Investoren am maroden
       Gastransportsystem der Ukraine ermöglicht hätte. Damit sollte die
       Abhängigkeit des Transitlandes von Russland verringert werden. Der
       bisherige Vize-Ministerpräsident Wladimir Groisman soll die Regierung
       übergangsweise führen.
       
       ## UN-Truppe soll Absturzort sichern
       
       In der Ostukraine erhalten Ermittler auch eine Woche nach dem mutmaßlichen
       Abschuss der malaysischen Passagiermaschine keinen ungehinderten Zugang zum
       Absturzort. Deswegen soll nun nach einem Vorschlag der Niederlande und
       Australiens eine UN-Truppe die Gegend sichern. 50 australische Polizisten
       wurden am Donnerstag in Erwartung einer solchen Mission nach London
       geschickt.
       
       Der australische Premierminister Tony Abbott holte sich nach eigenen
       Angaben in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin
       dessen Unterstützung für das Vorhaben ein. Außenministerin Julie Bishop
       flog mit ihrem niederländischen Kollegen Frans Timmermans nach Kiew, um
       auch die ukrainische Regierung dafür zu gewinnen, dass eine internationale
       Polizeitruppe die Absturzstelle sichert, wie Abbott sagte.
       
       Bisher kontrollieren ausschließlich prorussische Rebellen die
       Absturzstelle. Die Boeing 777 ist nach Darstellung der USA von einer
       Boden-Luft-Rakete getroffen worden. Auch die malaysischen Ermittler am
       Absturzort gehen nach OSZE-Angaben von einem Raketentreffer aus. Dafür
       sprächen stark durchlöcherte Wrackteile, sagte Michael Bociurkiw von der
       Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
       Europa (OSZE) am Donnerstag dem ZDF. Alle 298 Menschen an Bord kamen ums
       Leben.
       
       Die Niederlande flogen weitere sterbliche Überreste der bei dem Absturz
       umgekommenen Insassen aus. Die meisten Opfer des Absturzes sind
       Niederländer. Aber auch Australier, Briten, Deutsche und andere
       Staatsbürger saßen in dem Flugzeug. Am Mittwoch wurden die ersten
       sterblichen Überreste von Opfern ausgeflogen, am Donnerstag folgten von
       Charkow zwei weitere Flügen nach Eindhoven. Australische Medien berichteten
       am Freitag, im Trümmerfeld seien ein neues großes Wrackteil sowie weitere
       Leichen gefunden worden.
       
       Als Reaktion auf die Tragödie um Flug MH17 wollen führende Köpfe der
       internationalen Luftfahrtindustrie zu einem Strategietreffen
       zusammenkommen. Bei der für nächsten Dienstag im kanadischen Montreal
       geplanten Sitzung gehe es um Sicherheitsfragen, die die Katastrophe
       aufgeworfen habe, sagte ein Vertreter der Internationalen
       Zivilluftorganisation IACO, die die Tagung organisiert. Neben der
       UN-Behörde nehmen Delegierte der für Fluglinien zuständigen Internationalen
       Luftverkehrs-Vereinigung, der Flugsicherungsorganisation CANSO und des
       internationalen Dachverbands der Flughafenbetreiber ACI teil.
       
       Ein weiteres Spitzentreffen der Funktionäre soll es laut den Angaben vom
       Donnerstag im kommenden Februar geben.
       
       ## EU weitet Sanktionen aus
       
       Die Europäische Union (EU) erweiterte derweil ihre Liste von
       Einreiseverboten und Kontensperrungen gegen Vertreter Russlands und der
       Separatisten. Mit den neuen Strafmaßnahmen erhöht sich die Zahl der
       betroffenen Personen in Russland und der Ostukraine auf 87, wie Diplomaten
       sagten. Erstmals wurden auch 18 Organisationen und Unternehmen auf eine
       schwarze Liste gesetzt. Sie dürfen in der EU keine Geschäfte mehr machen.
       
       Über andere Verschärfungen der EU-Sanktionen soll später entschieden
       werden. Dabei geht es vor allem um einen erschwerten Zugang Russlands zu
       den Finanzmärkten, einen Lieferstopp für Hochtechnologiegüter für
       Erdölförderung und um ein Verbot von Waffenlieferungen an Moskau.
       
       25 Jul 2014
       
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