# taz.de -- Bürgerentscheid in Südtirol: Keine Pestizide auf Balkon und Acker
       
       > Eine Gemeinde in Italien will per Volksabstimmung Pestizide verbieten.
       > Die Bauern halten dagegen. Doch die Chancen für die Umweltschützer stehen
       > gut.
       
 (IMG) Bild: Igitt!
       
       BERLIN taz | Pestizide auf dem Gemeindegebiet – ja oder nein? Darüber
       dürfen ab dem 22. August die Bewohner der Südtiroler Gemeinde Mals
       abstimmen. Schaffen es die Initiatoren des Volksabstimmung, die Mehrheit
       der Malser zu überzeugen, werden dort nicht nur Landwirte auf viele
       Pflanzenschutzmittel verzichten müssen. Die Abstimmung würde sogar
       Insektizide und Herbizide auf den Balkonen des Orts verbieten. Ein
       positives Votum hätte weitreichende Folgen für die Landwirtschaft in ganz
       Italien: Anti-Pestizid-Initiativen in anderen Städten dürften Aufwind
       bekommen.
       
       In Südtirol spielt die Landwirtschaft eine zentrale Rolle. Viele Bewohner
       sind in dieser Branche tätig, Bauern haben viel Einfluss auf die Politik in
       der autonomen Provinz. Mals ist eine Ausnahme. Das Dorf liegt auf etwa
       1.000 Höhenmetern, industriellen Obstanbau gibt es noch nicht. Dies ist
       auch der Hauptgrund, warum die Abstimmung zugunsten der Pestizidgegner
       ausgehen könnte, sollten es die Bauern nicht schaffen, genügend zu
       mobilisieren. Eine Hürde ist das Quorum: 20 Prozent der stimmberechtigen
       Malser müssen an der Abstimmung teilnehmen. Der Ort in der Nähe von Meran
       hat 5.000 Einwohner.
       
       Es ist die erste Abstimmung dieser Art in Italien generell – und auch für
       das kleine Dorf: Die neuen Mitbestimmungsrechte wurden erst 2012 unter dem
       aktuellen Bürgermeister Ulrich Veith von der konservativen Südtiroler
       Volkspartei (SVP) eingeführt. „Diese Initiative ist nicht eine Attacke
       gegen unsere Bauern, sondern es geht gegen die gesundheitsschädigenden
       Pestizide, die in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen“, sagt Johannes
       Fragner-Unterpertinger, Sprecher der Initiative. Ziel sei es, die
       Gesundheit der Malser zu schützen.
       
       Die katastrophalen Folgen des Einsatzes des Entlaubungsmittels Agent Orange
       im Vietnamkrieg hätten ihn immer bewegt, betont der Apotheker – und: „Hier
       stehe ich und kann nicht anders.“
       
       Die regierende SVP und der mächtige Südtiroler Bauernbund (SBB) sind von
       dem Anliegen wenig begeistert. „Wir glauben, dass die Bauern alle
       zugelassenen Mittel verwenden dürfen sollen“, sagt Raimund Prugger vom SBB
       zur taz. Sein Verband bevorzuge eine „Einigung am grünen Tisch“. Auf
       Deutsch: Die Landwirte würden das Thema gern informell ausklüngeln – und so
       drohende Verbote verhindern.
       
       Prugger fürchtet, dass sich die Mehrheit der nicht in der Landwirtschaft
       tätigen Malser gegen die Minderheit der Bauern durchsetzt. Am Donnerstag
       erreichte die Initiatoren eine Klage gegen die Abstimmung. Beobachter
       fürchten, dass ein Gerichtsverfahren das Plebiszit jahrelang aufhalten
       könnte. Im Falle einer Klage liege das letzte Wort beim zuständigen
       Richter, heißt es aus dem italienischen Regierungskommissariat in Bozen.
       
       ## Kompetenzstreitigkeiten
       
       Ob Mals überhaupt zuständig für eine Entscheidung dieser Tragweite ist, ist
       umstritten. Die Bauern bezweifeln das. Auch die Abteilung für europäische
       Angelegenheiten der Regierung in Rom verneint die Kompetenz der Gemeinde,
       einen solchen Schritt zu gehen. Das widerspreche der EU-Richtlinie über den
       europaweiten Gebrauch von Pestiziden, heißt es in einem Dokument, das der
       taz vorliegt.
       
       Die Initiative beruft sich dagegen auf einen Präzedenzfall der Gemeinde
       Malosco in der benachbarten Provinz Trentino. Dort hatte der Bürgermeister
       den Einsatz vieler giftiger Pestiziden verboten. Das Trentiner
       Verwaltungsgericht und der italienische Staatsrat hatten die Klage der
       Gegner dieser Maßnahme abgewiesen. Ihr Argument: Der Bürgermeister habe für
       den Schutz der Gesundheit der Bürger weitreichende Kompetenzen. Auch eine
       unabhängige Kommission der Gemeinde Mals hält die Abstimmung für rechtmäßig
       – stattfinden wird sie daher in jedem Fall.
       
       Während in Italien eine Änderung auf Gemeindeebene zumindest denkbar ist,
       gibt es ein derartiges Mitspracherecht in Deutschland nicht. „Meines
       Erachtens besteht für die Kommunen keine Möglichkeit, ein solches
       Pestizidverbot durchzusetzen“, sagt Thorsten Ingo Schmidt, Juraprofessor an
       der Universität Potsdam. Das sehe auch das Bundesamt für Verbraucherschutz
       und Lebensmittelsicherheit so. „Mit dem Erlass des Pflanzenschutzgesetzes
       hat der Bund von seiner Gesetzgebungsbefugnis aus dem Grundgesetz in diesem
       Bereich Gebrauch gemacht“, betont Schmidt. Die Kommunen könnten sich auch
       nicht auf ihre allgemeine Kompetenz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit
       berufen.
       
       8 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simon Pötschko
       
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