# taz.de -- Kolumne Anderes Temperament: Bezaubernd, hinreißend, wunderbar
       
       > Trendwörter verfolgen einen unbarmherzig. Noch dazu sind einige von
       > ausgesprochener Hässlichkeit. Beispiele gefällig? Lesen Sie selbst.
       
 (IMG) Bild: Hat das noch Flair? Hipster-Utensil in der U 6
       
       Man weiß ja immer nicht so genau, wann ein Wort verschwindet und wie es
       dazu kommt, dass ein neues hochgespült wird. Was kürzlich noch „krass“,
       „cool“, „geil“ oder „hot“ war, war zwischendurch auch mal „abgefahren!,
       „top“ oder „hammer“. Nach der relativ langen Phase, in der dann alles
       „supergeil“, „hammergeil“ oder „krassgeil“ war, ist heute meistens alles
       einfach nur „toll“.
       
       Es hängt natürlich von Kreisen, Milieus, Szenen ab. Aber nach all den
       Jahren, in denen Straßenslang auch in straßenfernen Szenen zum guten Ton
       gehörte, ist in letzter Zeit die Hinwendung zu Adjektiven wie „hinreißend“,
       „wunderbar“, „großartig“, „bezaubernd“ zu bemerken. War es gerade in dieser
       Stadt mal in, „allet schick?“ zu fragen, wird man in letzter Zeit häufig
       einfach wieder nur „Wie geht’s?“ oder sogar mal nach dem „Befinden“
       gefragt. Reduktion ist Trend.
       
       Einer dieser neuen einfachen Ausdrücke ist allerdings von ausgesprochener
       Hässlichkeit. Längere Zeit war es noch alternierend mit „unbedingt“, heute
       regiert das übermächtige „absolut“ in konkurrenzloser Alleinherrschaft. Es
       sagt die Talkshowmoderatorin, es sagt der Talkshowgast, es sagt der
       Fußballkommentator und der Thekenbesucher, die Literaturkritikerin und der
       Kriegsreporter, wenn sie sagen wollen, das etwas richtig ist. Absolut ist
       ein Symptom. Parallel zu den Empörungswellen wird die schlimmste aller
       Adjektivformen, der Hyperlativ, immer salonfähiger. Irgendwas ist auf
       einmal nicht mehr bedeutend, einzigartig oder optimal, sondern von
       „entscheidenster Bedeutung“, die „einzigste Möglichkeit“ oder die
       „optimalste Lösung“.
       
       Aber gut. Eigentlich dient dieser ganze Vorspannung ja nur dazu, das
       eigentliche Thema vorzubereiten. Und das ist das Wort „Flair“. Das nämlich
       ist ja auch ein längst zurückgelassenes, leicht modrig anmutendes Ding, das
       nach Kreuzfahrt, Billigparfum oder Abenteuerspaßbad in Königs Wusterhausen
       klingt.
       
       Mit dem „Berlin-Flair“ begründeten die Macher des „Berlin-Festivals“ diese
       Woche den kurzfristigen Umzug vom Tempelhofer Flughafen in den Kreuzberger
       Wrangelkiez. Letzterer sei ein „Magnet für Ausgehfreudige“ mit der „Strand-
       und Poolatmosphäre“ des Badeschiffs, dem „herrlich abgerockten“ White Trash
       und dem „so chilligen“ Club der Visionäre. Mal abgesehen davon, dass
       „chillig“ und „herrlich abgerockt“ klebrig und zum Weglaufen klingt – wie
       kommen die Macher eines Festivals, das 15.000 Leute erwartet, auf das Wort
       Flair?
       
       Wovon haben sie sich inspirieren lassen? Vom „Flair Massagen Bordell“ in
       Weißensee (Amy, Julia, Leonie und Kelly von 10 bis 21 Uhr)? Vom
       „Flair-Friseur“ in Lichterfelde (Waschen, Schneiden, Föhnen oder Legen ab
       33 Euro)? Vom „Café Flair“ in Wilmersdorf (Bitburger und Kölsch 0,2 für
       1,50 Euro mit Raum für „Events“)? Vom Schöneberger Charme-Rapper „Fler“
       (Versöhnung mit Bushido 2009)?
       
       Viel deutet darauf hin, dass die Festival-Macher Abonnenten des
       Modemagazins Flair sind. Die nämlich sitzen tatsächlich im Wrangelkiez. Wie
       sich das Festival mit „Berlin-Flair“ vom „Open-Flair“ in Eschwege
       unterscheidet, das dieses Wochenende ebenfalls 15.000 Besucher erwartet,
       muss es aber noch erklären. Ich bin topgespannt.
       
       10 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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