# taz.de -- Kampf gegen Leidenschaftslosigkeit: Rettet das Hobby!
       
       > Wir sollten uns mehr Zeit nehmen, um mehr Dinge um ihrer selbst willen zu
       > tun. Doch das Leistungsdenken kennt oft keinen Feierabend.
       
 (IMG) Bild: Nicht mehr nur Omas Hobby: Häkeln.
       
       Neulich bei Facebook: „Braut ihr noch Bier oder züchtet ihr schon Bienen?“,
       schrieb eine Freundin, offenbar inspiriert von in ihrem Umfeld gepflegten
       Passionen. In dieser Verballhornung eines Ikea-Werbespruchs schwang eine
       ironische Distanzierung mit, wenn nicht gar Spott: Ihr macht Sachen, Leute!
       
       Und dann fand sich unter dem Eintrag neben anderen noch der folgende
       Kommentar: „Hobbys, die Leidenschaft der Leidenschaftslosen.“ So ein Mist,
       dachte ich – und erwiderte: „Leidenschaft der Leidenschaftslosen? Kann man
       leidenschaftsloser sein als ohne Hobby?“ Aus der Diskussion, die ich damit
       vom Zaun brechen wollte, wurde leider nichts. Keinerlei Reaktion. Dabei
       hätte ich noch so viel zu sagen gehabt.
       
       Dann muss das jetzt eben hier raus.
       
       Wir leben in einer Gesellschaft, in der „Hobby“ beinahe schon ein
       Schimpfwort ist. Der Selbstzweck hat es schwer in unserer heutigen,
       durchoptimierten Zeit. Nehmen wir den Hobbykoch, an dem sich sehr schön
       ablesen lässt, dass unser Leistungsdenken keinen Feierabend kennt: Er wird
       belächelt, weil Kochen für ihn „ja nur ein Hobby“ ist, gewollt und bis zum
       Gegenbeweis nicht gekonnt, ein Stümper mit Leidenschaft, aber ohne Talent.
       Sonst hätte er sein Hobby wohl längst zum Beruf gemacht. Ich halte diese
       Hobbyfeindlichkeit für fatal. Und wenn Journalisten etwas für fatal halten,
       kämpfen sie dagegen mit der schärfsten ihnen zur Verfügung stehenden Waffe
       an: Sie schreiben ein Buch.
       
       ## Kurzurlaub im Gemüsebeet
       
       In der taz stand kürzlich ein Satz, der mir zu denken gegeben hat. Er
       lautete: „Der Journalismus ist – neben den Unternehmensberatern –
       vielleicht die einzige Zunft, in der Selbstausbeutung für viele noch das
       Ideal ist.“ Ich fühlte mich regelrecht ertappt. Denn ich bin auch einer von
       denen, die sich im Job so verausgaben, dass sie nach Feierabend höchstens
       noch in der Kneipe landen oder im Kino, wenn nicht gleich zu Hause vorm
       Fernseher, der neben dem Gang ins Fitnessstudio wohl einfallslosesten Art
       und Weise der Freizeitgestaltung. Dieses Buch zu schreiben, war also
       zunächst mal ein Tritt in meinen eigenen Hintern: Mach was! Steh auf! Geh
       raus! Such dir ein Hobby – aber nicht etwa halb im Scherz, wie man es zu
       Leuten sagt, die sich nicht entspannen können, sondern ganz im Ernst.
       
       „Genussarbeiter“ nennt die Philosophin Svenja Flaßpöhler Leute wie mich –
       Leute, bei denen der Genuss bisweilen in Überdruss umschlägt. Wir haben es
       verlernt, uns Zeit zu reservieren für private Rituale, unsere ganz
       individuellen Interessen, Schutzzonen einzurichten gegen die Übergriffe der
       Arbeitswelt. Es geht um Antworten auf eine elementare Frage unserer
       spätmodernen Zeit, der nach der – schlimmes Wort, aber wichtiger Gedanke –
       Work-Life-Balance: Wie schaffen wir es, unser Leben so einzurichten, dass
       es nicht von der Arbeit dominiert wird, auch die Freizeit zu ihrem Recht
       kommt? (Dass von entspannten, ausgeglichenen Arbeitnehmern auch wieder der
       Job profitiert, macht das Hobby – allerdings unbeabsichtigt – zur
       Win-win-Situation, gegen die auch Neoliberale nichts haben können.)
       
       Bei den Recherchen zum Buch habe ich Miriam kennen gelernt, eine angehende
       Juristin, die mich schwer beeindruckt hat mit der Klarheit, mit der sie
       über ihre Bedürfnisse spricht, und der Konsequenz, mit der sie ihnen
       nachgibt. Miriam hat ein gemietetes Gemüsebeet – ein Hobby, das zu ihr
       passt, herausfordernd wie ihr Jurastudium. Mindestens dreimal die Woche
       fährt sie raus zum Beet – manchmal sogar in der Mittagspause. Für sie ist
       das nicht anstrengend, sondern – ganz im Gegenteil – eine Art Kurzurlaub.
       Dass ihr Umfeld auf diesen Einsatz mitunter verständnislos reagiert, ficht
       Miriam nicht an, weil sie ihr Hobby nicht für andere hat, nicht fürs Image,
       sondern ganz für sich allein, aus einem inneren Bedürfnis heraus. „Ich
       glaube“, sagt sie, „dass die Skepsis, die mir entgegengebracht wird, auch
       von Neid geprägt ist“ – Neid darauf, dass sie ein Hobby gefunden hat, das
       sie glücklich macht.
       
       ## Verliebt in die Außenwirkung des eigenen Lebens
       
       Damit wären wir wieder bei dem Facebook-Kommentator, der im Hobby die
       „Leidenschaft der Leidenschaftslosen“ sieht. Ich kenne ihn zwar nicht
       persönlich, kann mir diese unverhältnismäßige Abwehrhaltung aber kaum
       anders erklären als Miriam: Ein Hobby tut doch niemandem weh! Kann man die
       Leute denn nicht einfach gewähren lassen, wenn sie imkern, brauen oder
       gärtnern wollen? Sollte man in ihnen nicht eher ein Vorbild sehen, dem es
       nachzueifern lohnt? Wirken sie etwa unglücklich dabei? Im Gegenteil, oder?
       
       Das Gewöhnliche gilt in unserer Gesellschaft als furchtbar uncool (vom
       Normcore-Trend in der Mode mal abgesehen): Jeder will was Besonderes sein,
       keiner so wie die anderen. Individualität ist der wohl überstrapazierteste
       Begriff unserer Zeit, Distinktion ein nicht so häufig gebrauchter, aber
       umso allgegenwärtiger gelebter. Manche Leute wirken mehr in die
       Außenwirkung ihres Lebens verliebt als in ihr Leben an sich.
       
       Der Zwang zur ständigen Produktivität auf der einen Seite und der Drang zur
       Abgrenzung gegen die Umwelt auf der anderen macht es dem Hobby schwer. Der
       Hamburger Freizeitforscher Ulrich Reinhardt nennt es im Interview für das
       Buch „eine Frage der gesellschaftlichen Anerkennung“: „Nennen Sie mir ein
       Hobby, das cool ist. Nehmen wir mal an, Sie lernen in der Kneipe eine
       attraktive junge Dame kennen, die Sie fragt, was Sie in Ihrer Freizeit so
       treiben. Wenn Sie dann von Ihrer Briefmarkensammlung erzählen, hätten Sie
       wohl schlechte Karten.“
       
       ## „Einfach nur was für mich“
       
       Der Herr Professor flippert in seiner Freizeit übrigens leidenschaftlich
       gern – ein Hobby, mit dem er bei Kollegen gelegentlich auch Unverständnis
       erntet. „Aber mir macht es Spaß und ich finde es wichtig, mich in der
       Freizeit von dem Gefühl freizumachen, irgendwas schaffen oder es irgendwem
       recht machen zu müssen“, sagt er. „Es ist auch okay, einfach nur was für
       mich zu machen.“
       
       Denn, möchte ich hinzufügen, wir haben das Glück, in einem Land und einer
       Zeit ohne größere Not zu leben – ein Privileg, das wir auskosten sollten:
       Wir können es uns leisten, Dinge um ihrer selbst willen zu tun,
       individuelle Passionen zu pflegen. Außer Zerstreuung, Spaß und Erholung
       müssen sie nichts einbringen. Ernährt werden wir von einem Job, der uns –
       zumindest auf dem Papier – genug Zeit dafür lässt. Funktionieren müssen wir
       im Hobby ausnahmsweise nicht, das Streben nach Perfektion hat Pause. Oder
       zumindest der Zwang dazu. Auch Scheitern ist okay. Das Hobby fordert uns
       sogar regelrecht dazu heraus, mehr Dilettantismus zu wagen.
       
       „Rund um die Uhr Anwältin zu sein und kein Mensch mehr drum herum wäre für
       mich die Hölle“, sagt die Mietbeet-Juristin Miriam. Aus dieser Hölle kann
       das Hobby ein Ausweg sein. Oder – besser noch – dafür sorgen, dass es gar
       nicht erst so weit kommt. Mit anderen Worten: Rettet das Hobby! Es wird
       sich revanchieren.
       
       22 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Denk
       
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