# taz.de -- Bürgerkrieg in Libyen: Angst vorm nordafrikanischen Kalifat
       
       > Die Kämpfe der Milizen untereinander spalten das Land. Tripolis ist jetzt
       > in der Hand der Islamisten, die zudem einen Militärflughafen
       > kontrollieren.
       
 (IMG) Bild: Ein Mitglied der Misrata-Miliz im Bereich des Flughafens von Tripolis
       
       TOBRUK taz | Nach fünf Wochen schwerer Kämpfe um den internationalen
       Flughafen von Tripolis haben sich die Einheiten aus Zintan auf Befehl des
       Übergangsparlaments am Samstag zurückgezogen. Die Milizenallianz Fajr
       (Morgendämmerung) aus der Hafenstadt Misrata und aus dem Stadtteil Suk
       al-Juma in Tripolis haben damit die Kontrolle über weite Teile der
       libyschen Hauptstadt übernommen.
       
       Nachdem auf sozialen Netzwerken Handyvideos von feiernden jugendlichen
       Kämpfern auf geparkten Airbus-Jets kursierten, hofften viele auf ein Ende
       des blutigen Konflikts mit über 200 Toten. Am Abend verdunkelte dann
       schwarzer Rauch über dem Flughafengebäude den Himmel. Die Zerstörung des
       Gebäudes war dann nur der Startschuss für den andauernden Rachfeldzug gegen
       vermeintliche „Regimeanhänger“ und ehemaligen Kampfgenossen der
       Misrata-Milizionäre.
       
       „Deren Milizen haben im Namen der Revolution die Revolution zerstört“,
       empört sich Rahwad al-Naas. Der Aktivist hatte sich wie Tausende Bewohner
       von Westtripolis vor den Kämpfen bei Verwandten in Sicherheit gebracht. Nun
       steht er vor seinem als Kommandozentrale besetzten Haus in Jansour. Neben
       der Sendezentrale des liberalen TV-Senders Alassema brannten in der ganzen
       Stadt Häuser von Unterstützern des im Juni gewählten Parlaments nieder.
       Politische Aktivisten halten den Angriff der mit den Muslimbrüdern
       verbündeten Farj-Allianz für einen Putschversuch.
       
       Für Montag hat der ehemalige Kongressabgeordnete und Anführer der
       Misrata-Einheiten, Salah Badi, die Wiederbelebung des Nationalkongresses
       angekündigt. Dessen Amtszeit endete im Juni. „Alle Seiten glauben, bei dem
       Machtkampf um ihr politisches Überleben zu kämpfen“, erklärt er die Härte
       der Auseinandersetzungen. Während die unter Gaddafi unterdrückten
       Islamisten eine Rückkehr der Diktatur wie in Ägypten fürchten, versuchen
       aus Sicht der bürgerlichen Elite die bewaffneten religiösen Milizen aus
       Libyen eine Art Kalifat zu machen.
       
       ## Flucht nach Europa
       
       „Nachdem sich das neue Parlament in das ostlibysche Tobruk abgesetzt hatte
       und ihre Milizen für illegal erklärte, wollen die Islamisten Tripolis als
       Faustpfand für Verhandlungen besetzen“, behauptet ein Vertreter der
       Parteien Allianz von Mahmud Dschibril, in der die alte Nomenklatura
       vertreten ist. Zahlreiche Politiker, politische Aktivisten und fast alle
       Ausländer haben das Land in Richtung Europa oder Tunesien verlassen. Das
       Leben in Tripolis steht still. Kilometer lange Schlangen an den
       Tankstellen, mehr als zehnstündige Ausfälle von Strom und Wasser halten die
       Bewohner in Atem.
       
       Kulturminister Habib Lamin warnt vor einem drohenden Ost-West-Konflikt, da
       die mehrheitlich im Osten liegenden Ölhäfen und Lagerstätten unter
       Kontrolle der Regierung und des Parlaments sind und der Ölexport wieder
       angefahren wurde. „Die Extremisten wollen an das Öl Libyens, um ihren Kampf
       für ein nordafrikanisches Kalifat zu finanzieren“, so der aus Misrata
       stammende Oppositionelle.
       
       Während der Machtkampf im Westen entlang alter Stammes- und
       Minderheitenkonflikte verläuft, kämpfen im Osten viele Stämme gemeinsam mit
       der Armee gegen die Islamisten. Die Militärs mehrerer Anrainerstaaten
       fürchten, Dschihadisten könnten die Lage in Libyen für Terroranschläge
       nutzen.
       
       Mit Meitiga kontrollieren die islamistischen Milizen einen intakten
       ehemaligen Militär-Flughafen in Tripolis. Da die Regierung auf Maitiga und
       die Startbahnen in Sirte und Misrata keinen Zugriff mehr hat, sperrten
       Tunesien und Ägypten ihren Luftraum für alle von dort gestarteten
       Flugzeuge.
       
       25 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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